Kapitel 5

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Ein weißer Fuchs sprang auf das Sofa. Der gleiche weiße Fuchs, den ich einen Tag davor durch die Stadt gefolgt bin.

"Ich bin es, erinnerst du dich?", die männliche Stimme kam aus dem Mund des Fuchses.

"Ich hab's dir doch gesagt Schatz, schau! Ein weiß leuchtender, kleiner Fuchs. Ich bin doch nicht verrückt.", in diesem Moment bemerkte ich, dass mich diese Tatsache mehr erleichterte, als sie vielleicht sollte.

"Ich bin kein Fuchs."

Der Fuchs sprang vom Sofa. In der Luft fing er an zu leuchten. Das Leuchten wurde so hell, dass wir unsere Augen verdecken mussten.

"Ich wusste es, es ist Dumbledore!", sagte Lilly

"Nein.", der ältere Mann schüttelte mit dem Kopf. Er schien leicht aufgebracht. Kein Wunder, wenn ich ein weißer Fuchs wäre und an einem Samstagmorgen von einem Kind gesagt gekriegt hätte, dass ich ein weiser Zauberer bin, wäre ich wahrscheinlich auch aufgebracht., "Ich bin ein Kitsun."

Die Fragezeichen über unseren Gesichtern waren beinahe sichtbar. Keiner von uns hat sich getraut sich zu bewegen oder irgendetwas zu sagen. Es herrschte eine unangenehme Stille. Kennen Sie die Stille, die entsteht, nachdem sie jemanden bereits drei mal etwas erklärt haben und er sie immer noch nicht versteht? Diese Hoffnungslosigkeit in Ihren Augen. Diese Ahnungslosigkeit in den Augen der Anderer. In diesem Fall war der Opa hoffnungslos und wir ahnungslos.

"Ein Kitsun ist ein Gestaltenwandler. Ich kann mich in alles verwandeln, was ich möchte.", sagte der Kitsun.

"Und du entscheidest dich dafür, dich in einen alten Opa zu verwandeln? Wirklich geistreich.", Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich in Lillys Alter auch nicht nachgedacht habe, bevor ich etwas gesagt habe. Er konnte uns wahrscheinlich alle verzaubern. Man würde uns nie wieder sehen, aber ihr schien das egal zu sein.

"Ich finde die Gestalt strahlt Weisheit aus.", sagte der Kitsun.

"Okay, Kitsun, was wolltest du uns gerade damit sagen?", fragte ich.

"Nachdem ihre Aufgabe erledigt ist, wird sie wieder in ihre Zeit zurück gehen. Sie wird sich aber an nichts erinnern, was passiert ist. Die zeitliche Linie wird nicht gestört. Du musst lediglich aufpassen, dass sie es überlebt. Wenn sie tot ist, kann ich sie nicht mehr zurück bringen.", sein Gesicht wirkte ernster, angespannter.

Denkt er wirklich, dass ich auf ein Kind nicht aufpassen könnte? Als ich acht Jahre alt war, habe ich mit Baby-Sitting angefangen. Seitdem habe ich mehr als 20 Kinder und Jugendliche betreut. Sie haben es alle überlebt.

"Unfair. Was hab ich dann überhaupt davon? Das macht doch überhaupt keinen Spaß mehr. ", Lilly tobte. 

"Was für eine Aufgabe denn?", ich versuchte mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Meinung des Opas von mir kann warten. Gerade gab es wichtigeres zu besprechen.

"Du musst dich selber wieder finden, dann wird sie auch gehen können. Sie kann dir zeigen, wer du wirklich bist."

So etwas kitschiges habe ich seit langem nicht mehr gehört. Ist das sein Ernst? Die Szene aus König der Löwen kam mir gleich in den Kopf. Die Szene in der Simba in den Himmel schaut. Im Himmel ist Mufasa, der ihm sagt "Simba, erinnere dich, wer du bist."

"Ich bin ich, das reicht doch. Das hört sich eher nach einem Spruch an, welchen du auf einem Glückskeks gelesen hast.", vielleicht hätte ich das besser verpacken können.

"Du bist halt nicht GANZ du selbst. Denk doch nach, wann hattest du das letzte Mal wirklich Spaß? Wann hast du dich das letzte Mal wirklich gefreut? Wann warst du wirklich glücklich?", der alte Mann legte seine Hände über einander.

Eine eiserne Stille durchdrang den Raum. Ich versuchte mich an ein Ereignis zu erinnern, einen Tag, irgendwas, doch vergeblich. Es schien alles so dunkel zu sein.

"Dachte ich mir. Und sie - sie ist voller Glück, schau sie dir an."

Ich schaute zu ihr und sie hielt gerade unseren Hund in den Händen. Unser Hund hat sich direkt mit ihr verstanden. Er wirkte so, als ob er sie schon eine Ewigkeit kennt. Er wedelte mit dem Schwänzchen und versuchte währenddessen Lilly Küsschen zu geben. Sie hat gegrinst wie ein Honigkuchenpferd während sie ihn gestreichelt hat. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht unglücklich. Unglücklich würde ich das nicht nennen. Ich habe Tage an denen ich lache, aber es fühlte sich nicht wie Glück an. Es fühlte sich anders an... Fremd. 

"Aber wie soll sie helfen? Sie ist doch noch ein Kind."

"Du vergisst wohl wie du in dem Alter warst. Lass dich überraschen."

Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich in dem Alter war, aber ich konnte es nicht. Es ist schon zu lange her. Zehn Jahre sind eine lange Zeit für jemanden, der erst 26 war. Mittlerweile trage ich nicht mal ansatzweise die gleichen Sachen. Wenn man erwachsen ist, versucht man andere zu überzeugen, dass man sein Leben im Griff hat. Oder versucht man sich selbst davon zu überzeugen? Ich bin mir nicht sicher. Auf jeden Fall sollte man Chucks vermeiden. Und Totenköpfe. Und eigentlich alles, was mir jemals Freude bereitet hat. Aber nein, ich bin froh. Ich mag auch meine neuen Sachen. Die schwarzen Jeans und die schönen, bunten Blusen. Das würde doch jeder lieben, oder? 

"Ich hab noch eine Frage. ", sagte ich und drehte mich wieder in die Richtung des alten Mannes, doch er war nicht da. Vertieft in meine Gedanken, habe ich nicht bemerkt, dass der Kitsun bereits nicht mehr im Raum ist.

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