Kapitel 14: Gelegenheit macht Schlüsseldiebe

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„Ich werde dich aus dieser Zelle befreien und dir helfen, Zachlans Grundstück zu verlassen, ohne dich in die Irre zu führen. Ich werde dabei weder Alarm schlagen noch anderweitig auf deinen Ausbruch hinweisen", erklärte ich meinen Teil unseres Handels.

Die zarte Hoffnung, dass ich den verhassten Seidenen, zu einem späteren Zeitpunkt verraten könnte, machte er prompt zunichte: „Du wirst zu keinem Zeitpunkt irgendeinem Wesen erzählen, dass du mich befreit hast. Genauso wirst du nie berichten, dass ich jemanden geheilt habe. Wenn jemand fragt, wirst du alle Unterstellungen bezüglich dieser beiden Handlungen leugnen."

Resigniert wiederholte ich mein Angebot einschließlich seiner Forderungen und fuhr fort: „Im Gegenzug wirst du meine zwölfjährige Schwester heilen und ebenfalls kein Wort über die in diesem Handel inbegriffenen Handlungen verlieren."

Ich zögerte, der Seidene war verdächtig still. Schnell fügte ich noch hinzu: „Du wirst die für die Heilung nötigen Schritte sofort vollziehen, nachdem ich meinen Teil des Handels erfüllt habe."

Ohne Zeitangabe würde er mich ansonsten womöglich hinhalten, bis Adelia bereits gestorben war. Mein Gegenüber sah etwas enttäuscht aus.

„Außerdem wirst du nicht versuchen, mich zu töten oder zu verwunden, bis unser Handel abgeschlossen ist", gab ich als letzte Sicherheitsmaßnahme an.

„Haben wir einen Handel im Namen der Seide?"

Einen nervenaufreibenden Moment lang zögerte mein Handelspartner. Aber letzten Endes blieb ihm keine Wahl. Mit der Widerwilligkeit eines verzogenen Kindes wiederholte er meine Worte und schloss den vorgeschlagenen Handel ab.

Sobald das Wort Seide seine Lippen verließ, hielt mich nichts mehr in dem kleinen, blendend hell beleuchteten Raum. Ohne ein Wort des Abschieds wandte ich mich zum Gehen.

Seine Worte begleiteten mich, als ich die schwere Tür aufzog: „Ich hoffe, du weißt, was du tust Lunassa, ich will nicht umsonst zu einem Verbrecher geworden sein."

„Wenn ich dich nicht befreie, kannst du dein Verbrechen auch nicht begehen", warf ich zurück, bevor die Tür hinter mir ins Schloss fiel.

Als ich die Treppe ins Erdgeschoss hinaufstieg, grüßte mich gleißendes Sonnenlicht. Ich hatte mehr Zeit im Keller verloren als geplant, woran natürlich der widerspenstige Seidene schuld war. Selbsthass durchflutete mich, während ich das Haus verließ und zum dritten Mal in kürzester Zeit Zachlans tödlichen Garten durchquerte.

Der rationale Teil von mir wusste, dass ich das Richtige tat. Ich mochte Schuldgefühle empfinden, weil ich im Begriff stand, einem von Mais Henkern zu helfen. Aber die waren erträglich gegen das, was ich fühlen würde, wenn meine Familie zerbrach.

Mai würde so entscheiden. Sie hatte immer versucht, das Verhalten der Seidenen uns gegenüber zu entschuldigen. Sie hätte sich entschieden, ein Leben zu retten, statt ein anderes zu beenden - egal wie sehr der gefangene Seidene ein qualvolles Ende auch verdient hatte.

Und schau, was ihr diese Haltung gebracht hat, murmelte eine Stimme, die verdächtig nach Zachlan klang, aus dem verbitterten Teil meines Herzens.

Vielleicht kann ich ihn töten, sobald er mir den Heiltrank übergeben hat, versuchte ich die beiden widerstreitenden Teile meiner selbst miteinander in Einklang zu bringen. Der Zachlan in meinem Kopf lachte, als bezweifelte er, dass ich zu einem Mord in der Lage wäre, den er nicht befahl.

Ich wich einer herabfallenden Schlinge im letzten Moment aus und rettete mich mit einigen schnellen Sprüngen an den Waldrand, wo ich mich aufmerksam umsah.

Es war erst eine Woche her, dass ich Mimikrys an dieser Stelle in den Wald hatte fliegen sehen. Mit den Augen suchte ich die Blüten ab, die über mir schwankten, konnte die kleinen silbernen Vögel aber nirgendwo erkennen.

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