Kapitel 24: Wenn man in den Wald hineinruft, kommt manchmal ein Keckern zurück

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Etwas Feuchtes, Matschiges klatschte mir ins Gesicht und weckte mich am frühen Abend. Angeekelt wischte ich mir die Reste der gammligen Frucht aus dem Gesicht und schoss wuterfüllte Blicke in die Richtung, aus der ich Nathanels leises Kichern hören konnte.

„Ist dein Sinn für Humor jetzt auf dem Niveau eines betrunkenen Puks angekommen?"

Die vom Lächeln verzogenen Augen meines Gegenübers verwirrten mich kurz, was mich aber umso rasender machte.

„Du hast keine Ahnung, mit was du mich da beworfen hast, oder Prinzling?"

Ich spie den Spitznamen voller Verachtung. Ohne ihm Zeit für eine Antwort zu geben, fuhr ich fort: „Zu deinem Glück scheint die Frucht nicht akut giftig zu sein. Aber so blöd, wie du bist, hättest du auch eine Fliegenschreckfrucht erwischen können, dann wären wir jetzt beide tot."

Nathanel murmelte etwas, aber ich war bereits zu sehr in Rage.

„Ist das Leben für dich nur ein Spiel? Bin ich... Was?", ich unterbrach mich, als Nathanel ein weiteres Mal sprach. Der Seidene schien von meinen Beleidigungen unbeeindruckt, stattdessen zuckten weiterhin seine Mundwinkel, als er wiederholte: „Ich war das nicht."

Perplex starrte ich ihn an.

„Das hier ist ein Hohlbaum." Ich untermalte meine Aussage mit einem Klopfen an den Stamm, neben dem ich saß. Ein dumpfes Hallen ertönte aus dem hohlen Baum.

„Die tragen keine Früchte. Woher sonst soll das hier also kommen?"

Ich streckte ihm anklagend das rote Mus entgegen, das klebrig an meiner Hand hing. Der Seidene besaß die Unverschämtheit, wieder zu lachen. Er hob eine Hand und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf eine Stelle über meinem Kopf: „Von ihm."

Ich riss meinen Kopf herum. Prompt traf mich eine weitere bestialisch stinkende Frucht an der Stirn.

Als ich mir unter dem schallenden Gelächter meines Begleiters den Saft aus den Augen gerieben hatte, starrte ich in die schwarzen Augen eines sehr, sehr pelzigen Wesens. Das unbekannte, etwa schädelgroße Tier schwebte nur wenige handbreit über meinem Kopf. Mein Herzschlag beschleunigte sich ob der plötzlichen Konfrontation mit etwas Fremden, aber das Wesen wirkte nicht unbedingt bedrohlich.

Vorsichtig musterte ich seine herabhängenden langen Gliedmaßen, die mit stumpfen Krallen bewehrt waren. Mit einem lauten Keckern, das mich den Kopf einziehen ließ, entblößte das affenartige Wesen gleichmäßige quadratische Zähne.

Gut, es handelte sich also vermutlich nicht um einen Fleischfresser. Was mir allerdings Sorgen bereitete, war einer der baumelnden langen Arme, in dem das Tier ein weiteres seiner Frucht-Geschosse bereithielt.

Mit einem wütenden Schnauben griff ich nach dem Übeltäter. Blitzschnell rettete sich das kleine Tier mit einem Sprung zu einem weiter entfernten Auswuchs des Hohlbaums. Ich warf einen zornigen Blick in seine Richtung, in der Hoffnung, das Wesen so von mir fernzuhalten. Dann wandte ich mich wieder Nathanel zu, der mit belustigt funkelnden Augen zwischen mir und dem Tier hin und her blickte. Erst jetzt wurde ich der schleimigen roten Masse an seiner Schläfe gewahr. Die Erkenntnis, dass auch er von einer faulen Frucht geweckt worden war, ließ einen Teil meiner Wut verrauchen.

Nur wenig später brachten Nathanel und das unbekannte Wesen meine Wut allerdings wieder zum Aufkochen.

„Hör auf ihn zu füttern", forderte ich genervt, nachdem der Seidene dem pelzigen Unruhestifter bereits ein gutes Dutzend Haja-Nüsse zugeworfen hatte.

Die Fütterung ging dabei nach dem immer gleichen Schema vonstatten: Nathanel warf die Haja-Nuss in hohem Bogen in die Bäume über uns, dann turnte das haarige Kerlchen herbei und schnappte die Nuss, bevor sie zu Boden fallen konnte. Dem fröhlichen Keckern des Wesens und der vergnügten Miene des Seidenen nach zu urteilen, bereitete die dabei zur Schau gestellte Akrobatik beiden Beteiligten Belustigung.

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