Musik drang durch die verschlossene Türe und ließ Silvia ihr Buch beiseitelegen. Sie knippste ihre Nachttischlampe aus und leuchtete mit ihrem Handy den Weg zu der Türe. Sobald sie die Türe öffnete wurde die Musik lauter. Auf ihren Zehenspitzen schlich sie den langen Gang Richtung Treppe entlang. Oben an der Treppe angekommen konnte sie eine laut mitsingende Frauenstimme hören. Buntes Licht strömte von unten die Treppen nach oben. Silvia ging Stufe für Stufe nach unten ihr Handy zitternd in der einen Hand. Unten erblickte sie das hell erleuchtete Wohnzimmer. Mit ihrer freien Hand betätigte sie den Lichtschalter, aber das Licht blieb an. Falten formten ein Fragezeichen auf ihrer Stirn. Entschlossen eilte sie durch das weiträumige Wohnzimmer, um den Lichtschalter auf der anderen Seite zu betätigen. Auf halbem Wege wurde sie von jemandem umgerannt. Das Licht erchloss. Die Musik verstummte.
Silvia setzte sich auf und rieb sich ihren pochenden Schädel. "Ahh...verdammt, was war das?", schimpfte Silvia. "Wow, du hast echt einen richtigen Dickschädel", lachte ein roter WIrbelwind, der neben ihr aufsprang. Mit einem Schnipsen brachte dieser das Licht wieder zurück und lächelte Silvia durchtrieben an. Das Mädchen war höchstens zehn Jahre alt und Silvia befürchtete, dass ihre roten Locken sie jeden Moment verschlingen könnten. "Hi! Ich bin Isla, aber alle nennen mich Isi. Und wer bist du?", fragte Isla und hob Silvia ihre kleine Hand entgegen. Silvia nahm ihre Hand und stand schwankend auf. Isla setzte sich auf die Rückenlehne der Couch und schien vor Freude gleich zu platzen. "Silvia", antwortete sie unsicher "was machst du hier? Du weißt, dass das nicht dein Haus ist, oder?" Das Mädchen lachte lauthals über ihre Bemerkung. Silvia fand das Ganze nicht so witzig und starrte Isla wütend an. "Hey, du kleiner Zwerg! Du sagst mir sofort was du hier machst oder ich rufe die Polizei!", schrie Silvia völlig empört über ihre Lücke an Anstand. Die Drohung brachte Isla jedoch nur dazu noch lauter zu Lachen bis sie sich vor lauter Schmerzen den Bauch hielt. "Ach, mach was du willst!", schrie Silvia geschlagen, rollte die Augen und ging wieder Richtung Treppe. "Halt! Warte!", schrie Isla ihr hinterher. Das Mädchen erschien plötzlich vor Silvia und versuchte sie mit ihren Händen zum Stehen zu bringen. Silvia keuchte erschrocken auf und wich von Isla zurück. "Was bist du?, fragte Silvia schockiert. "Hey! Kein Grund direkt so gemein zu sein", sagte das Mädchen mit einem übertriebenen Schmollmund. Silvia ließ sich auf einen Sessel fallen und legte ihren Kopf stöhnend in ihre Hände. "Was ist bloß los mit mir?", fragte Silvia sich selbst. "Naja, du solltest mal dringend über eine Antiagingcreme nachdenken. Das sind ja fast schon schwarze Löcher unter deinen Augen", antwortete Isla. Mit offenem Mund schaute Silvia das Mädchen an. "Ich meine ja nur", entegegete Isla. "Wach endlich auf!", schrie Silvia sich selbst an und rieb ihre Augen so heftig, dass sie kurz Sternchen sah. "Du bist neu, oder?", erönte leise Islas Stimme. "Was meinst du?", fragte Silvia und ließ ihre Hände sinken. "Naja, tod meine ich...du bist noch nicht so lange tod", antwortete Isla. Silvias Augen weiteten sich und ihr Herzschlag verlangsamte sich.
Bum...Bum
Bum...Bum
Bum...Bum
"Alles in Ordnung?", fragte Isla. Silvia musterte das Mädchen von oben bis unten, dann griff sie nach ihrer Hand. "Ey! Was soll das!", meckerte das Mädchen. "Warm", hauchte Silvia geschockt. "Natürlich! Ich bin ja auch Tod und kein Vampir!", schrie Isla empört. Silvia stand auf und lief auf und ab während sie etwas vor sich hinmurmelte. "Was zur Hölle ist los mit dir?", fragte Isla. Mit beiden Händen packte Silvia Isla an den Schultern und schaute das Mädchen fast schon besessen an. "Wenn du tod bist, dann kannst du all die Anderen auch sehen, oder?", fragte Silvia. "So einfach ist das nicht, aber ja irgendwie schon", antwortete Isla. Voller Euphorie steckte Silvia sich ihr Handy in die Hosentasche und schnappte sich ihre Jacke, die immer noch über dem gleichen Stuhl am Esszimmer hing. "Isi war es, oder?", fragte Silvia begeistert "kannst du mich zu den Anderen bringen?" Isla zögerte als Silvia zu der Eingangstüre stürmte. Halb aus dem Haus bemerkte es Silvia und drehte sich nochmal um. "Worauf wartest du?", fragte Silvia. Schon wieder teleportierte Isla sich zu ihr und versetzte Silvia einen Schrecken. "Du bist nicht tod, oder?", fragte Isla mit todernsten Blick. Silvia bewegte ihren Kopf von rechts nach links und wieder zurück. "Woher..?", fragte Silvia. "Ich kann dich berühren. Tode können so etwas nicht", antwortete Isla. Die Tür viel wieder zurück in ihr Schloss.
Kurz darauf saßen die beiden auf Silvias altem Bett mit einem kleinen Licht, dass zwischen ihnen schwebte als einzige Lichtquelle. "Wieso kann ich dich dann berühren?", fragte Silvia. Ihre Atmung war flach und die Stille um sie herum stellte ihre Nackenhaare auf dem Rücken auf. "Ich weiß es nicht. Ich habe noch nie von so etwas gehört, geschweige denn es selbst erlebt. Und ich bin hier schon eine Weile", antwortete das Mädchen. "Wie lange denn schon?"fragte Silvia. Das Mädchen blickte runter auf ihre Hände, sodass Silvia ihr Gesicht nicht sehen konnte. "Als die Rotröcke 1745 über die Grenze kamen war unser Hof einer der Ersten die dem Krieg zum Opfer vielen", stammelte Isla und eine Träne tropfte in ihre Hände. "Das tut mir leid", antwortete Silvia und legte ihre Hände auf Islas. Daraufhin blickte das Mädchen wieder in Silvias Augen und fand Trost in ihren sanften Augen, die ebenfalls von starkem Schmerz gezeichnet waren. Ohne Vorwarnung schlingte Isla ihre Arme um Silvia, die erstarrte. "Dein Verlust tut mir auch leid", flüsterte das Mädchen. "Was meinst du?", fragte Silvia und Isla löste die Umarmung wieder. "Du denkst doch wirklich nicht, dass ich erst seit gestern hier bin. Alice und Nikos erinnern mich sehr an meine Mama und meinen Papa", sagte Isla und strahlte wieder, wie als wäre die Welt ein Ort mit Einhörnern die Regenbögen pupsen. "Aber siehst du diese denn nicht?", fragte Silvia. Isla schüttelte heftig ihren Kopf. "Dummerchen, nicht jeder steckt hier fest. Dann wäre es hier ja so rappelvoll, dass ich nicht mal mehr atmen könnte. Also, wenn ich das müsste", lachte Isla. "Was bedeutet das?", hakte Silvia mit gerunzelter Stirn nach. "Ich kann es dir zeigen, wenn du möchtest", antwortete Isla und hielt Silvia ihre Hand hin. In ihren blauen Augen loderte wieder das Feuer auf. Ohne nachzudenken griff Silvia nach ihrer Hand und merkte im nächsten Moment wie sich alles um sie herum in weißes Licht auflöste.
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Eine kleine Geschichte
FantasiSilvia ist eine junge Studentin und klammert sich seit dem Tod ihres geliebten Kindheitsfreundes an die Lehren ihres Philosophieproffessors Dr. Jing. Doch durch eine schicksalhafte Begegnung mit dem Toten Fotios gelangt sie in die Welt nach dem Tod...