𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟷

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- Tōru Oikawa

„Oikawa?"

Nachdenklich legte ich mir die Hand aufs Kinn. War es denn möglich, dass ich jemals Bekanntschaft mit einem waschechten Alien machen können würde? Wenn ich so darüber nachdachte, war dies eher unwahrscheinlich, aber bereit musste man doch auf Vieles sein, nicht?

Und wie würde das Aufeinandertreffen wohl verlaufen? Dass die Begegnung ohne Probleme und vollkommen friedlich ablaufen würde, bezweifelte ich stark. Waren Aliens eigentlich gut oder böse? Hm, wenn ich einmal einem begegnen sollte, sollte ich dieses auf jeden Fall bezüglich dessen ansprechen. Auch, wenn es mir als Antwort mit einer nuklearen Waffe drohen würde.

Bei der Vorstellung daran schlich sich ein belustigtes Grinsen auf meine Lippen. Schon seit ich denken konnte, hatten diese Wesen mein Interesse geweckt. Eine Zeit lang hatte ich sogar eine Phase, wo ich komplett besessen von Aliens gewesen war und es immer „Aliens hier, Aliens dort..." geheißen hatte. Dies war vor allem bei meinem besten Freund Hajime Iwaizumi nicht gut angekommen. Aber wirklich übel hatte er mir das Ganze nicht nehmen können, da er selbst wiederum nicht die Finger von Sachen lassen konnte, die etwas mit der gigantischen Kreatur Godzilla zu tun hatten. Es grenzte an ein Wunder, dass mein bester Freund immer noch Interesse an diesem übergroßen Reptil zeigte und sich letzten Freitag sogar eine Hülle mit eben diesem abgebildeten Wesen gekauft hatte, obwohl ich doch der Kindische von uns beiden war.

„Oikawaaaa!", versuchte es Iwaizumi noch einmal, womit er mich endgültig aus den Gedanken riss. Abwartend blickte er mich an, während ich leicht desorientiert blinzelte. Ich brauchte einen Augenblick, bis ich mich wieder fasste und meine Umgebung völlig wahrnahm.

Besonders mein großflächiges Haus, welches sich vor unseren Nasen erstreckte, stach mir ins Auge und sorgte dafür, dass sich meine Augen überrascht weiteten. Iwa und ich hatten uns zuvor ausgemacht, zusammen nach Hause zu gehen und eine Übernachtung bei mir zu veranstalten. Obwohl mein Freund Anfangs protestiert hatte, er würde wegen meinem energischen Verhalten kaum ein Auge zudrücken können, hatte ich es irgendwie zu Stande gebracht ihn einigermaßen zu überreden.

Auf dem Weg hierhin war ich wohl so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass ich kaum mitbekommen hatte, dass wir bereits angekommen waren. Nun stand mir ein mürrischer Iwaizumi gegenüber, der sichtlich nicht die Nerven dazu hatte, meinen Namen noch zum dritten Mal zu rufen. Er hatte zwischendurch die Arme in die Hüfte gestemmt und kaute ungeduldig auf seiner Unterlippe herum.

Ich kicherte: „Iwa, du weißt nicht, was mir gerade durch den Kopf gegangen ist!" Seine Augenbraue wanderte fragend in die Höhe, aber ehe ich zum Erklären ansetzten konnte, kam er mir zuvor. „Das will ich auch lieber gar nicht wissen", meinte er schulterzuckend. Dass er währenddessen angeekelt das Gesicht verzog, entkam mir nicht. Sekundenlang ratterte es in meinem Kopf herum, bis ich endlich realisierte, woran mein Spielpartner wohl gedacht hatte. Empört schlug ich mir die Hand vor den Mund.

„Ew, Iwa, was ist nur falsch mit dir?", jammerte ich. Dabei sah ich ihn fassungslos an. Ich hätte nie erwartet, dass ausgerechnet er auf solche Gedanken kommen würde. Sonst war ich andauernd derjenige, der sich solche verrückten Szenarios in seinem Kopf ausmalte.

Schmunzelnd fügte ich noch hinzu: „Du verhältst dich wie meine Großmutter, die sonst nichts Besseres zu tun hat, als sich über mein Liebesleben auszukundschaften, nur, um sich danach zu beschweren, wie schrecklich und dramatisch die Beziehungen der Jugendlichen heutzutage ablaufen würden." Iwaizumi lachte. Tief und beruhigend angenehm. Ich mochte es, wenn er dies tat. Denn das kam nur selten vor. Dabei war sein Lachen so schön! Er wirkte plötzlich so unbeschwert und nicht angespannt, wie sonst, dabei.

Im nächsten Augenblick stieg ich in sein Lachen mit ein. Zwar dauerte es nur wenige Sekunden an, allerdings genügte es, um unsere Launen ein wenig mehr aufzuheitern. Mir wurde bewusst, welch eine Wirkung das Strahlen meines besten Freundes auf mich hatte. Es erfüllte mich mit Freude, ließ mich auch lachen. Und ab diesem Zeitpunkt machte ich mir etwas zur Aufgabe: Ich würde Iwa-chan mehr zum Lachen bringen. Ich grinste von Ohr zu Ohr. Oh ja, das würde ich. Er lachte viel zu wenig.

Hektisch begann ich in meiner Sporttasche nach dem Hausschlüssel zu kramen, als ich bemerkte, dass wir nun schon unnötig lange hier draußen auf der kühlen Luft standen. Jedes Mal, wenn ich den Schlüssel jedoch packte, entglitt er mir wieder. Mit einem Fluch auf den Lippen fischte ich anstatt des Hausschlüssels meine Unterhose aus der vollgepackten Tasche heraus. Frustriert stieß ich die Luft aus. Das konnte auch nur mir passieren.

Iwaizumi hatte selbstverständlich nichts Besseres zu tun, als mir amüsiert dabei zuzusehen, wie ich genervt meine Unterwäsche wieder in der Sporttasche verstaute.

Letztendlich fand ich das Stück Metall unter dem Haufen Kleidung wieder und hob es siegessicher in die Höhe. Dies stellte sich allerdings als großer Fehler heraus.

Mein bester Freund riss mir den Schlüssel nämlich problemlos aus der Hand und kicherte schadenfroh, bevor er die Tür zu meinem Haus aufsperrte und hineinstürmte. „Ey, das kannst du doch ni-", ich brach ab. Iwa war längst im Eingang des Gebäudes verschwunden. Ich hörte ihn durch das Wohnzimmer laufen. Die dumpfen Schritte auf dem hölzernen Parkett waren bis hier hin zu vernehmen. Dies stellte sich vor allem dann als Nachteil heraus, wenn ich mir um Mitternacht heimlich einen Snack schnappen wollte, ohne dabei von meinen Eltern erwischt zu werden.

Ich beschwerte mich bellend: „Das kannst du nicht einfach so machen!" „Und wie ich es kann!", kam es lachend von meinem Freund zurück. „Außerdem hattest du so lange gebraucht und ich war verdammt durstig, da musste ich improvisieren!" Ich verdrehte die Augen. „Das nennt er imporvisieren?", murmelte ich eher mehr zu mir selbst.

Schmollend schüttelte ich den Kopf und während ich mein Haus betrat, rief ich gespielt beleidigt: „Wie gemein, Iwa-chan!" Ich wusste nur zu gut, wie mein bester Freund reagieren würde, wenn ich ihn so nannte und es - besser noch - betonte.

Er stürzte wieder ins Vorzimmer, wo ich mir gerade bereits ahnend, was geschehen würde, die Schuhe auszog. Dann verpasste Iwaizumi mir einen leichten Klaps gegen den Hinterkopf. „Wann wirst du endlich kapieren, dass ich nicht so von dir genannt werden will?", fragte er aufgebracht. Als Antwort kassierte er ein provozierendes Zwinkern meinerseits, gefolgt von einem „Niemals".

Später machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich. Schon zum X-ten Male sahen wir uns gemeinsam "Godzilla" an, was bei uns so etwas wie eine Tradition war, wenn einer bei dem anderen übernachtete. Bis spät in die Nacht zogen wir uns entweder einen der vielen "Godzilla-Filme" rein oder einen Alien-Film. Hie und da führten wir währenddessen Konversationen über Gott und die Welt, aber wir unterhielten uns auch über den Film, falls etwas zum Diskutieren auftrat.

Gerade stritten wir uns darüber, ob Godzilla süß aussah. Ich war natürlich dagegen. Schon allein bei der Vorstellung, dieses überwältigende Wesen würde existieren, stellten sich mir die Nackenhaare auf. Aber Iwaizumi schien das alles etwas anders zu empfinden. „Schau nur, wie herzig!", behauptete er begeistert und zeigte auf den Bildschirm. Mein Blick schweifte von Iwa zum Fernseher. Dort spielte sich augenblicklich eine Szene ab, wo Godzilla ohrenbetäubend laut brüllte und die gesamte Zivilisation der Stadt in Angst und Schrecken versetzte. Das nannte er herzig? Ich runzelte die Stirn. Sollte ich mir Sorgen um meinen Freund machen?

Ich warf ihm einen verstörten Blick zu, welchen er jedoch nicht wahrzunehmen schien. Er stopfte sich weiterhin mit Popcorn, welches wir uns zuvor gemacht hatten, voll und starrte wie gebannt auf die Fernseheroberfläche. Das helle Display spiegelte sich in seinen Augen wider. Als er meinen Blick bemerkte, sah er zu mir, doch ich wandte mich lieber wieder schnell dem Film zu, in der Hoffnung, Iwaizumi hätte nichts gemerkt.

Mit der Zeit fiel es mir immer schwerer, die Augen aufzuhalten. Meine Augenlider fühlten sich wie Blei an. Schließlich klappten sie endgültig zu, mein Kopf sackte zur Seite, genau auf Iwaizumis warme, bequeme Schulter und ich schlief in Sekundenschnelle ein. Wie Iwa behutsam meinen Kopf tetschelte, bekam ich nur mehr am Rande mit.

𝐈𝐖𝐀-𝐂𝐇𝐀𝐍 || 𝘪𝘸𝘢𝘰𝘪Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt