4. Verdrehte Welten

80 2 0
                                    


James

Steve bekam von all dem nichts mit, er war zu schwach und hatte einen seiner Anfälle, die er so oft hatte. Ich wechselte mich seit ein paar Tagen mit Sophie stätig ab und wachte an seinem Bett. „Ich werde etwas frische Luft schnappen. Auf dem Rückweg werde ich uns etwas zu Essen mitbringen.“ Ich legte ihr meine Hand auf die eingesunkenen Schultern, worauf ihre müden Augen etwas heller wurden. „Buck?“ Steve war wach geworden und krächzte aus seinen angeschlagenen Bronchien. „Ich bin hier Punk.“ Ich gab ihn meine Hand doch er griff nur leicht zu und schlief wieder ein.
Draußen fegte eine angenehme Frühjahrsbriese die den Smog der Stadt davon wehte. Nervös drückte ich den Knopf der Klingel, ein schwerer erschlagender Gong zog die mir verborgene Eingangshalle entlang. Ein gelangweilt dreinschauendes Hausmädchen öffnete mir die Tür mit den Worten. „Was kann ich für Sie tun?“ „Ich bin hier um Baronin von Stein-Liebenstein zu Barchfeld zu sehen.“ Sie hatte mir geraten, sie nur unter ihren Nachnamen rufen zu lassen, sonst würden unangenehme Fragen gestellt werden. Sie hielt mir die Tür auf und ich trat in die Eingangshalle die mit dunklen Holz verkleidet war. Eine breite Treppe mit rotem Teppich reichte in eine zweite Etage hinein. Nach einer Weile kam Evolet die Treppen herunter, sie sah mich nicht direkt, doch als ich sie aus der Ferne angrinste wurde ihr Schritt beschwingter. „Mit Ihnen hätte ich gar nicht gerechnet Mr. Barnes.“ Sie schien nicht überrascht, sondern freudig über meine Anwesenheit. „Entschuldigen Sie, ich habe mich nicht angekündigt, doch ich wollte mein Fehlen beim letzten Mal wieder gut machen. Außerdem scheint der Frühling einzuziehen.“ Es drang nicht viel Licht in die große Eingangshalle, was mein Argument nicht gerade unterstützte. „Ich halte es hier drinnen keine Sekunde länger aus. Meine Tante quält mich mit ihrer Langenweile noch zu Tode.“ Sie ließ sich ihren Mantel bringen und wir konnten endlich das alte Gemäuer verlassen.
Begierig füllte sie ihre Lungen mit der frischen Luft. „Es ist herrlich, die Luft tut Wunder.“ „Nur leider nicht bei jedem.“ Sie sah mich skeptisch an. „Was meinen Sie damit?“ „Können Sie sich noch an meinen Freund Steve erinnern?“ „Aber natürlich, wie könnte ich diesen reizenden jungen Mann vergessen.“ Was hatte er ihr erzählt bei dem Treffen, das sie so begeistert von ihm war.“ Ihr Blick sah mich erheitert an. Die meisten Frauen waren skeptisch und konnten sich nicht mal mehr an den Namen von ihn entsinnen. „Er leidet unter dem Smog und den vielen Dreck der in den Gassen liegt, seine Lunge ist deswegen angeschlagen.“ Ihr glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten. „Das tut mir leid zu hören. Geht es ihm nicht gut?“ „Nicht wirklich, er hütet seit einigen Tagen das Bett. Sophie und ich wechseln uns ab und bleiben bei ihm.“ „Das klingt ja ganz furchtbar.“ Sie war wirklich entsetzt und spielte es nicht nur vor. Ich nahm sie bei ihrem Ellbogen und führte sie in einen ab gelegeneren Pfad des Parks. „Machen Sie sich keine Sorgen, er hat schon schlimmere Infekte überstanden. In dieser Hinsicht ist er ein wirklicher Kämpfer.“ Ich lächelte sie sacht an um ihr die Sorge zu nehmen. Sie schlüpfte mit ihrem Arm unter meinen Arm und klinkte sich ein. „Ich wünsche Ihm nur die besten Genesungswünsche, können Sie ihm das ausrichten?“ Ich legte meine Hand auf ihre und versicherte, dass ich ihm dies ausrichten würde. „Ich hoffe Sie sind mir nicht mehr böse, dass ich Ihnen Steve als Ersatz vorbei geschickt habe.“ „Nein, gar nicht. Ich habe mich über dir Gesellschaft gefreut. Steve ist ein besonderer Mann, so ganz anders. Einfühlsam und tolerant.“ Sie kam regelrecht ins Schwärmen, das bemerkte auch sie. „Wie unhöflich von mir, ich bin in der Gesellschaft von Ihnen James und schwelge in den Erinnerungen mit einem anderen.“ Sie hatte ihre Förmlichkeit schnell abgelegt, sobald wir das Haus verließen, war ich James und sie Evolet für mich. „Ich nehme es Ihnen nicht übel, ich bin selber daran schuld, dass ich sie mit Steve bekannt gemacht habe. Ich muss nun damit leben.“ Ich wollte sie aufziehen, doch sie antwortete gewandt. „Hätten Sie mich nicht versetzt, wären Sie nun in meinem Herzen.“ Doch sie lachte auf und stieß mir sacht in die Seite. „Ich hoffe ich habe noch etwas Zeit um mich in Ihr Herz zu spielen.“ „Das werde ich mir überlegen müssen.“ Sie war nicht eines dieser typischen Mädchen aus der Stadt, sie konnte solche Neckereien vertragen und ließ sich darauf willentlich ein. Nach einer ganzen Weile, fiel mir die Zeit wieder ein. Ich musste nach Hause und Sophie ablösen. „Verraten Sie mir wo sie wohnen und ich kann sie das nächste Mal zu einem überraschten Spaziergang abholen.“ Sie wollte mich wieder sehen und nicht Steve. Ich fühlte mich fast am Ziel. „Erhoffen Sie sich nur keinen Palast wie den Ihren.“ „Niemals, ich komme mit der Bescheidenheit gut aus.“ Ich brachte sie noch bis vor die Tür ihres Wohnsitzes, bevor ich sie verabschiedete. Sie hatte etwas, doch was es genau war konnte ich noch nicht sagen.
Als ich wieder zu Hause ankam, schlief Sophie auf der Bettkante im Sitzen und auch Steve war in seiner Traumwelt versunken. Ich hob sie an und trug sie in ihr Zimmer. Sie kuschelte sich an mich und legte ihre Hände um meinen Hals. „James?“ Sie blinzelte kurz auf und ich sah sie grinsend an. „Ja ich bin es.“ Ich legte sie in ihr Bett und strich ihr über das lockige Haar. „Ich werde nach ihm sehen, ruh dich aus.“ Sie drehte sich um und schlief weiter. Steve schwitzte noch immer, kein Wunder er war dick unter einen Federbett eingepackt. „Hey Punk, ich bin wieder da.“ Seine Augen flatterten auf und er sah mich mit trüben Blick an. „Wie geht es dir?“ Er nickte nur sanft zur Antwort. „Ich war mit Evolet eine Runde im Park flanieren.“ Seine Augen machten einen Satz und waren geöffnet. „Sie lässt dich grüßen und wünscht dir eine schnelle Genesung.“ Er verzog seine Mundwinkel leicht und senkte seine Lider zufrieden. Ich war unschlüssig, ob ich ihn auch die anderen gesagten Dinge erzählen sollte, doch ich bis mir auf die Lippen, denn er war schon wieder eingedöst.

„Sophie gehst du bitte zur Tür es hat geklopft.“ Ich war gerade bei Steve der seinen ersten guten Tag wieder hatte und bereit war aufzustehen. Sie flitzte zur Tür und öffnete sie zaghaft. „Ist James da?“ Ich erkannte ihre Stimme und auch Steves wusste wer es war. Wir sahen uns beide an, bereit los zu eilen. „Was macht sie hier?“ „Ich habe ihr meine Adresse hinterlegt, damit auch sie mir einen Besuch abstatten kann, wenn ihr danach beliebt.“ Sophie unterhielt sich mit ihr und stand im kleinen Wohnzimmer. „Warum hast du mir davon nichts erzählt?“ „Du warst krank, was hätte dir diese Info nutzen sollen.“ „Ich hätte mich darauf vorbereiten können.“ „Ich wusste genauso wenig wie du Bescheid.“ Ich richtete mein Hemd und ging nach draußen. Sie stand in einem grauen Filzkleid vor mir und lächelte mich an. „Ich wollte nicht stören, aber ich war in der Nähe.“ Das bezweifelte ich, wir wohnten in unterschiedlichen Bezirken, sie wollte mich sehen. „Das ist wundervoll, dass du den Weg hier her gefunden hast.“ Sophie verdrehte die Augen und ging. Sie sah sich kurz um bevor sie ganz beiläufig fragte. „Wie geht es Steven?“ „Mir geht es wieder besser.“ Hinter mir kam seine noch angeschlagene Stimme zum Vorschein. Ihr Kopf drehte sich erneut in meine Richtung, doch sie sah Steve an und nicht mit. „Steven, es ist wundervoll Sie wieder so genesen zu sehen.“ Ihr Grinsen war breiter als das ich bekommen hatte. War sie wirklich wegen mir gekommen? Ich ließ mir nichts anmerken und stellte mich zu Sophie. „Sag mal träume ich?“ flüsterte ich ihr kaum hörbar zu. „Nein, ich glaube nicht. Mein Bruder ist blind.“ Das meinte ich gar nicht, ich wollte eher auf sie verweisen. Kann es denn jemand fassen, dass eine Frau eher auf Steve als auf mich fliegt.

Evolet

Ich würde mich heute trauen und ihm einen Besuch abstatten, natürlich unauffällig. Ich wurde von dem lieblichen Mädchen in Empfang genommen, was jedoch einen strengen Blick aufgelegt hatte. „Hallo ich bin Evolet, ist James da?“ Sie musterte mich eindringlich, ich wollte vor ihrem Blick bestehen. Sie schien nur etwas jünger als ich zu sein, doch sie war groß gewachsen und konnte mir problemlos entgegen treten. Ich zog meinen Handschuh aus und reichte ihr meine Hand entgegen. „Wie unhöflich von mir, ich bin Evolet.“ Sie nahm zögerlich meine Hand und sagte Sophie. Sie öffnete mir die Tür, die Stimmung war angespannt. „Schön habt ihr es hier.“ Es war eine spartanisch eingerichtete Wohnung, nichts im Gegensatz zu dem Leben was ich führte. Sie beäugte mich noch immer neugierig, ich wollte keine neuen Feinde, sondern Freunde. „Unser erstes Treffen war etwas unterkühlt, ich würde es gerne wieder gut machen. Vielleicht können wir uns ja mal auf dem Jahrmarkt treffen und ein wenig schlendern.“ Ihr wurde eine Antwort erspart, denn James stand in der Tür und begrüßte mich. Es war schön ihn wieder zu sehen, doch noch schöner war es Steve zu erblicken. Er war blass und mager, aber er war am Leben. „Wie geht es Ihnen?“ „Ich habe mich nie schlecht gefühlt, nur etwas schlapp.“ Wie konnte er nur so altruistisch sein. „Ich bin froh, dass es Ihnen wieder besser geht, Steve.“ „Das lag nur an Ihren Genesungswünschen.“ Ich lächelte ihn verlegen an. „Evolet hatte mir vorgeschlagen, dass wir einen Ausflug auf den Jahrmarkt machen sollten um uns besser kennen zu lernen. Was haltet ihr davon?“ Sophie sah uns belustigt an. „Ich finde das ist eine bezaubernde Idee.“ James sah Sophie verzaubert an. Damit hätte ich niemals gerechnet, niemals. Ich hatte diesen Blick noch nie bei ihm gesehen. Das war der Moment, an dem mir klar wurde, dass ich niemals eine Chance bei ihm haben werde, so sehr er es auch vorgab.

Eine Hoffnung am anderen Ende der Welt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt