06. Diana

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„Im Hafen sind Schiffe am besten aufgehoben, aber dafür hat man sie nicht gebaut." – unkown-


Die Nacht war ein einziges Dilemma.

Ich konnte beim besten Willen nicht einschlafen, zählte die Schläge der Kirchturmuhr und wälzte mich von einer Seite auf die andere.

Irgendwann nach drei Uhr musste ich in den Schlaf gefallen sein, denn das waren die letzten Schläge der Uhr, die ich registrierte, bevor ich am Morgen unsanft geweckt wurde.

Laut klopfte es an meiner Tür und mit halbgeschlossenen Augen setzte ich mich im Bett auf.

„Wer ist da?"

„Sir Niall, bitte macht euch fertig. Admiral Broderick wird gleich eintreffen, um euch zum Hafen zu geleiten."

Natürlich, der König wollte mich so schnell wie möglich loswerden, aber vorher wollte ich den Brief an Imogene ihrer Zofe übergeben. Hastig schwang ich die Beine aus dem Bett und öffnete dem Diener die Tür.

„Guten Morgen, Sir Niall." Er trug eine große Kanne mit Wasser bei sich, welche er in eine weiße Schüssel füllte, die auf dem Tisch im Raum stand. Nett, dass ich mich sogar waschen durfte, bevor man mich mehr oder weniger hinauswarf.

Die Frage, die sich mir stellte, war, wie ich Imogenes Zofe begegnen sollte, aber diese erledigte sich fast von selbst.

Kaum war ich angezogen und wartete darauf, abgeholt zu werden, klopfte es erneut an meiner Tür. Eine weibliche Stimme war zu hören: „Darf ich eintreten und euer Bett machen?"

„Kommt rein", erwiderte ich und sah mich Sekunden später einem jungen Mädchen gegenüber. Etwas verlegen schaute sie drein, dann sprach sie leise: „Ich bin Lilly, Imogenes Zofe."

Stumm musterte ich die junge Frau, deren braunes Haar zu einem Zopf geflochten war. Dieser schaute unter der Haube hervor, die ihren Kopf bedeckte. Ihre Kleidung war sauber und zudem eleganter als die der meisten Dienstmädchen. Nicht verwunderlich, denn sie betreute die Nichte des Königs, was ein besonderes Privileg war.

Leise flüsterte ich ihr entgegen: „Ich habe hier etwas für euch." Dann übergab ich ihr den Umschlag für Imogene.

Sofort ließ Lilly diesen in ihrer Kleidung verschwinden. „Ihr könnt sicher sein, dass die richtige Person ihn lesen wird", wisperte sie und ich nickte zufrieden.

Lilly verließ das Zimmer und ich setzte mich wieder auf das Bett, um erneut zu warten.

Warten – wie sehr ich das hasste. Geduld war eine Eigenschaft, die ich noch nie besessen hatte und in Situationen wie diesen kam das mehr als deutlich zum Vorschein. Vor lauter Wut trat ich gegen das Bett, das heftig zu wackeln begann. Dabei stieß ich mit dem Zeh so hart gegen das Holz, dass er sofort zu schmerzen anfing. Es pochte in meinem Schuh, der sich plötzlich viel zu eng anfühlte und leise begann ich zu fluchen.

Meine Nerven lagen blank.

Ich wusste nicht, was auf mich zukam, hatte keine Ahnung, wie ich es bewerkstelligen sollte, ein Schiff in die Karibik zu steuern, geschweige denn, ein anderes zu überfallen.

Niemand hatte mir solche Dinge beigebracht.

Für mich fühlte es sich an, als ob der König dies mit Absicht tat, um mich loszuwerden. Und genau deshalb musste ich alles daransetzen, diese Mission erfolgreich zu beenden. Ohne Schulden und mit meinem Kopf zwischen den Schultern.

Als ich es nicht mehr aushielt, stand ich auf und schritt im Zimmer auf und ab. Dieses Warten zermürbte mich buchstäblich. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, klopfte es erneut an meine Tür.

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