Zwölf Jahre zuvor

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„Freundschaft - das ist wie Heimat." -Kurt Tucholsky


25. Juni 1675


Es war ein schwüler Sommertag, der nur darauf wartete, durch einen Sturm beendet zu werden.

Der Sklavenmarkt war bereits in vollem Gange und die Leute schrien ihre Gebote lautstark hinaus, wann immer ein neuer Sklave präsentiert wurde.

Doch plötzlich verstummten die Rufe.

Ein Junge, etwa zehn Jahre alt, wurde angeboten und niemand schien an ihm Interesse zu haben. Klein, schmächtig und mit wirrem Haar stand er da, wartete auf sein Schicksal, das sich in Form eines Mannes näherte.

„Was wollt ihr für ihn haben?"

„Hundert Achten."

„Das ist zu viel. Er ist noch kein vollwertiger Mann. Er kann nur leichte Arbeiten verrichten."

„Was wäret ihr bereit zu bieten?"

„Achtzig."

„Gut, dann gehört er euch."

Der Mann bezahlte das Geld, nahm den Jungen am Arm und wanderte mit ihm zu seinem Haus, das in der Nähe seiner Zuckerrohrplantagen stand. Dort bekam der Junge eine warme Mahlzeit und Ziegenmilch.

„Er muss noch wachsen und bis dahin geben wir ihm leichtere Arbeiten", sagte der Mann zu dem Sklavenaufseher. Bevor dieser ihn mitnehmen konnte, erschien die Tochter des Mannes und musterte den Jungen neugierig.

„Arbeitet er für uns, Vater?"

„Ja, das tut er. Er wird die Ziegen melken und den Dreck wegfegen."

Der Junge betrachtete das Mädchen genauso neugierig wie sie ihn. Sie zogen einander magisch an.

Er verstand die Sprache der Menschen nicht, bei denen er nun lebte, aber jeden Morgen, wenn er die Ziegen melkte, leistete ihm das Mädchen Gesellschaft und versuchte ihm die Worte beizubringen. Schnell lernte er zu verstehen und zu sprechen.

Jeden Nachmittag leistete sie ihm Gesellschaft, wenn er den Hof mit einem großen Palmwedel fegte und sie setzten ihre Konversationen fort.

Sie wurden Freunde und er ihr Beschützer.

Es dauerte nicht lange und das hübsche Mädchen machte ihn mit ihrer besten Freundin bekannt, der Tochter des Gouverneurs. Die Drei wurden ein unzertrennliches Kleeblatt, waren täglich zusammen, spielten und lernten.

Bis der Junge eines Tages kein Sklave mehr sein wollte.

Obwohl man ihn immer gut behandelte, so hatte er eine unstillbare Sehnsucht nach der See.

Der Junge wollte frei sein und als er dies seiner besten Freundin erzählte, beschloss sie, ihm zu helfen.

„Ich muss gehen, Stella-Bella."

Diesen Kosenamen durfte nur er verwenden. Sie nickte, während sich Tränen in ihren dunklen Augen bildeten.

Doch sie sorgte dafür, dass er entkam und niemand sie verdächtigte.

Dafür gab er ihr ein Versprechen.

Er versprach, immer wieder zu ihr zurückzukehren, sollte er sich auf der Insel befinden.

Der Junge brach sein Versprechen nie.

Auch nicht, als er Jahre später zu einem gefürchteten Piraten wurde.

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Erneut ein Flashback und ihr seid nicht wirklich schlauer geworden. Es tut mir ja so leid, dass ich euch quäle, aber die Flashbacks lassen viel Spielraum für Spekulationen und ich bin natürlich sehr gespannt, welche ihr entwickelt.

Vermutungen?

Ich danke euch allen so sehr für den großartigen Support. Diese Geschichte hat sehr viel weniger Leser als meine anderen Stories, aber ihr seid mit soviel Herzblut dabei und das spornt mich wirklich an.

Im nächsten Kapitel segeln wir weiter- und vielleicht fischen wir den Kerl, der über Bord gegangen ist, aus dem Wasser. Vielleicht auch nicht.

LG, Ambi xxx


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