Epilog

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„Man findet oftmals mehr, als man zu finden glaubt." - Pierre Corneille


# L O U I S #


Immer wenn der siebte Juni anbrach, ging ich zum Strand, um auf die weite See zu blicken. Liam begleitete mich stets und wir standen stumm für eine ganze Weile da.

Unsere Herzen, erfüllt mit tiefer Trauer, unsere Gedanken immer bei ihnen.

Als wir damals von dem großen Unglück erfuhren, segelten wir nach Port Royal, oder besser gesagt, zu dem Trümmerhaufen, der von der einst lebendigen Stadt noch übriggeblieben war. Wir fragten nach Stella und Niall, nach Harry und Taylor, aber niemand hatte sie gesehen. Auch Samuel schien nicht mehr am Leben zu sein.

Die einzige Genugtuung, die ich bekam, war die Tatsache, dass jemand Bix gesehen hatte, wie er im Sand steckte. Lediglich seine hässliche Fresse ragte noch hervor und angeblich wurde sein Kopf von einem hungrigen Köter angefressen. Das Ekel hatte sein verdientes Ende gefunden.

Im Jahr nach der Katastrophe gebar Eleanor Zwillinge. Zwei Jungs. Wir nannten sie Harry und Niall, in Gedenken an unsere Freunde. Jeden Abend erzählte ich ihnen vor dem Einschlafen Piratengeschichten. Meine eigene, die von Harry, Niall und Liam. Als sie klein waren, glaubten sie jedes Wort, doch mittlerweile dachten sie, ich hätte alles frei erfunden.

Mit ihren zehn Jahren waren beide ziemlich gewitzt und sie warteten schon lange darauf, einmal mit mir reisen zu können.

Dieser Augenblick war nun gekommen, denn morgen brachen wir auf, nach Jamaika. Allerdings nicht nach Port Royal, das mehr und mehr ins Hintertreffen geriet. Stattdessen gab es eine andere Stadt, die förmlich aufblühte: Montego Bay.

Seit ich Eleanor damals gesucht hatte, war ich nie wieder dort gewesen, aber nun zwang mich ein Handelsabkommen dazu, der Stadt einen Besuch abzustatten.

Man erzählte sich, dass Montego Bay erstaunlich gewachsen sei und Handelsschiffe jeglicher Nationen dort verkehrten. Ich war sehr gespannt auf den Ort, den ich als kleines Nest in Erinnerung behalten hatten.

Mit den Jungs reiste auch Eleanor, praktisch ein Familienausflug mit offiziellem Charakter. Ich würde dort mit dem Bevollmächtigten der englischen Krone das Handelsabkommen unterzeichnen und mir einige Tage die Stadt sowie das Umland anschauen.

Olivia, die noch immer im Dienst der französischen Krone stand, war bereits reisefertig, als ich mit Eleanor und den Jungs über die Planken schritt. Liam nickte mir zu und Marvel, der Geschützmeister, ebenfalls. Die Männer taten ihre Arbeit, während ich an der Reling stand und mir von meinen Jungs Löcher in den Bauch fragen ließ.

Wie viele Kanonen an Bord seien, wie lange und wie schwer Olivia war. Wie schnell sie segeln konnte und wann es endlich etwas zu essen gäbe.

Wir liefen bei schönem Wetter aus, aber es blieb nicht so. Bevor wir Jamaika erreichten, zogen sich dunkle Wolken am Himmel zusammen, der Wind wurde stärker und die ersten Regentropfen fielen.

Eleanor verzog sich in meine Kabine, aber die Jungs blieben an meiner Seite. Zumindest so lange, bis ich sie ebenfalls in die Kajüte brachte, denn es wurde richtig stürmisch.

Liam hatte alle Hände voll zu tun, Olivia auf Kurs zu halten, doch ich machte mir keine Sorgen. Für mich war er noch immer der beste Steuermann der Welt.

„Verdammt", hörte ich ihn fluchen, „heute will's die See wissen."

Entschlossen brachte er Olivia auf Kurs und wir segelten Jamaika entgegen. Man konnte die Insel bereits in der Ferne erkennen, trotz des heftigen Sturms und ich hoffte, dass meinen Jungs nicht schlecht wurde. Zum Glück besaß Eleanor keinen empfindlichen Magen, sie hielt das ohne weiteres aus.

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