Kapitel 11

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Kapitel 11 - Gwendolin

»Also, wo gehen wir hin?«

Mein Bein wippte nervös auf und ab, während ich Justin, der hinter dem Steuer seines geliebten Porsche saß, von der Seite ansah.

»Wirst du gleich sehen, Babe«, meinte Justin und gab mir damit zum wiederholten Mal die gleiche Antwort.

Als ich vor einer halben Stunde in unser Apartment gekommen war, nachdem Holly mich davor abgesetzt hatte, stand mein anbetungswürdiger Freund mitten im Wohnzimmer und hatte mich mit den Worten »Komm, Babe« hinter sich wieder nach Draußen gezogen. Und jetzt saßen wir also hier und fuhren irgendwo hin.

Meine Augenbrauen wanderten in die Höhe, als Justin nach einer knappen halben Stunde vor einem Haus hielt, um das unzählig viele Jugendliche herum standen und aus roten Bechern irgendein Zeugs - höchstwahrscheinlich Alkohol - in sich herein kippten, als wäre es Wasser.

»Was zur Hölle machen wir hier?«, fragte ich Justin verwirrt und bemerkte, dass er eine kurze Nachricht mit seinem iPhone schrieb, als ich zu ihm sah.

»Wir holen jemanden ab.« Mit einem lauten Seufzer steckte er sein Handy wieder weg und begegnete meinem Blick. »Glaub mir, ich würde lieber mit Satan tanzen, als es zu tun, aber es gibt keine andere Möglichkeit.«

Mit einem Gesichtsausdruck, der noch verwirrter war beobachtete ich, wie Justin erneut den Mund öffnete um mir zu antworten, dann aber kurz über meine Schulter sah.

»Gwen«, sagte er und nahm meine Hand in seine. »Versprich mir etwas.«

»Und was?« Skeptisch hob ich meine Augenbrauen und legte meinen Kopf schief. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl im Bauch.

Justin fuhr sich mit einer Hand durch seine braunen Haare und schloss für einen Moment seine Augen. »Versprich mir, dass du nicht wütend wirst.«

»Wieso sollte ich-«, konnte ich gerade noch sagen, bevor die hintere Türe auf meiner Seite geöffnet wurde und sich jemand leise kichernd auf das Polster fallen ließ. Starker Alkoholgeruch schlug mir wie eine Abrissbirne entgegen und ich musste mich anstrengen, nicht zu husten oder die Spraydose mit dem Lufterfrischer auf den Rücksitz zu werfen.

»Hallöchen«, säuselte jemand an meinem Ohr und ließ mich auf der Stelle erstarren. Kalt lief es mir den Rücken herunter, als ich die Stimme erkannte und Panik ergriff mich. »Ihr haft ja e..ewig gebraucht, ey!«

Mit meinen Fingern krallte ich mich am Sitz fest, um den Bedürfnis, jetzt sofort aus dem fahrenden Wagen zu springen, zu wiedersehen. Meine Gedanken überschlugen sich beinahe, als ich versuchte mir einen Reim auf diese komische Situation zu machen. Wieso, um Himmels Willen, saß Selena in diesem verdammten Wagen? Und wieso holten wir sie überhaupt ab? Von mir aus konnte sie ruhig wie Regina George aus dem Film Mean Girls von einem Bus überfahren werden.

Etwas landete unsanft auf meiner Schulter und zog mich aus meinen Gedanken. Nach einem Blick merkte ich, dass es sich bei dem etwas um Selenas Klaue - ich meinte Hand - handelte. Mit zu Schlitzen verengten Augen beugte sie sich nach vorne.

»Weissu«, lallte sie in mein Ohr. Ihre Augen schlossen sich für mehrere Sekunden und ich dachte schon, dass sie eingeschlafen war. Doch dann öffnete sie sie wieder und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, wobei sie ihr ganzes Make-up verschmierte. »Eijentlich.. eischentlich waa ich mal nett. Stimm's, Ju..ju..eh«, sie pausierte ein paar Sekunden, »Justin?«

Humorlos lachte dieser auf und verstärkte seinen Griff um das Lenkrad. »Nein. Du warst schon immer ziemlich abgefuckt.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. »Und ich Idiot war zu blind um das zu sehen.«

»Hmmm«, machte Selena und vergrub plötzlich eine Hand in meinen Locken, was mich zusammenzucken ließ. Das war wirklich unangenehm. »Du has' so schööne Harrrre.«

Sie hörte sich leicht nach einem Pirat an, da sie das R so fürchterlich übertrieben rollte.

»Uh.« Ich versuchte, ihren Grabschhänden zu entkommen, wurde aber gleich darauf von ihr wieder in den Sitz zurück gezogen, wobei sie mir wahrscheinlich ein paar Haare heraus riss. »Ähm, Selena?«

»Jaaaaa?«

»Könntest du mich bitte loslassen?«, fragte ich sie und machte eine Grimasse, als sie erneut an meinen Haaren zog. Himmel Herrgott, wollte sie, dass ich später überhaupt keine Haare mehr hatte?

Selena pustete mir ihren warmen Atem ins Ohr. Woah, das war irgendwie ziemlich creepy. »Aba wieso?«

Ich war gerade am nachdenken, als sie erneut an meinen Haaren zog. »Autsch, verdammt!«

»Selena!«, knurrte Justin neben mir und beschleunigte das Tempo, während er das Steuer nach rechts riss, wobei Selena einmal quer über den Rücksitz geschleudert wurde. »Verdammt, lass deine Grabbelfinger bei dir und fass Gwen nie wieder an!«

»Woah, du bist ja rischtich be..besitzergreifend«,  nuschelte Selena und ließ tatsächlich von mir ab, nachdem Justin seine Stimme erhoben hatte. Mit leicht zittigen Fingern fuhr ich mir durch die Haare, während Selena hinter mir in ihrer Tasche herum krustelte. Schließlich zog sie etwas heraus und legte es sich in den Schoß. »Das wars' du bei mir nie.«

Justin schnaubte und schaltete das Radio an.

»Und dabei hab'n wir uns doch geliebt.« Ich biss mir auf die Unterlippe und sah aus dem Fenster. Zwar wusste ich, dass Justin mich liebte, aber darüber zu reden, wen er vor mir liebte, war alles andere als angenehm. »Weißt du, ich.. ich liebe dich.«

»Nein, hab ich nicht«, sagte Justin ernst und starrte auf den Verkehr. »Ich habe mir eingebildet und von allen einreden lassen, dass ich dich liebe. Was auch immer wir hatten, war ungesund und keine Beziehung. Außerdem ist es vorbei und ich bin froh darüber, da ich Gwen habe und dank ihr endlich weiß, was Liebe überhaupt ist.« Ich war kurz davor laut zu quietschen, als Justin auf die Bremse stieg und der Wagen quietschend zum stehen kam. »Und jetzt steig aus und meld dich nie wieder bei mir.«

Selena gab nur ein »Hm« von sich, stieg kommentarlos aus und schlug die Türe laut hinter sich zu. Mit erhobenen Augenbrauen ließ ich mein Fenster herunter, nachdem sie einmal geklopft hatte. »Hier«, ein brauner Umschlag landete auf meinem Schoß, »hat mir so'n Typski für euch gegeben.«

Während ich vorsichtig den Umschlag öffnete, fuhr Justin mit gerunzelter Stirn weiter und legte eine seiner Hände auf meinen Oberschenkel und fuhr mit seinem Daumen über meine nackte Haut.

»Oh mein Gott«, hauchte ich, als ich das erste Bild in den Händen hielt.

»Was ist los?«, fragte Justin und sah kurz zu mir rüber, als ich nicht gleich antwortete. »Babe?«

»Das sind Bilder von uns, was ja nichts neues ist, aber..« Ich sah mir das nächste Bild an und versuchte meinem Herz telepathisch mitzuteilen, dass es langsamer schlagen sollte, »die sind vier Jahre alt.«

»Hm? Vier Jahre?«

»Das sind Bilder von uns, als wir noch zur Highschool gingen!«

The Lives Of Mr Bad Boy And MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt