Kapitel 11 - Samstagnachmittag

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Er hatte sich auf die Suche nach David gemacht und war in den angrenzen Wald auf der rechten Seite ihres Lagers gegangen. Sein Freund war nirgends zu sehen gewesen. David war schon seit Stunden verschwunden. Was trieb er nur? Hatte er die Zeit vergessen? Elio war einige Zeit ziellos am Waldrand gewandert, hatte aber keine Spuren gefunden. Er war immer weiter umhergewandert und schien die Zeit vergessen zu haben. Die Sonne neigte sich schon in Richtung Horizont. Wie konnte das sein? Gerade war er doch noch am Zelt gewesen, oder irrte er sich? Elio hatte nicht mitbekommen, dass er dem Haus bereits mehrere Male gefährlich nahegekommen war.

Gerade als er umgekehrt war, hatte er ebenfalls einen trockenen Ast brechen hören. Etwas tauchte in seinem rechten Sichtfeld auf. Am Rand des Waldes. Ein dunkler Fleck. Er drehte den Kopf. Nicht weit von ihm stand ein Mann. Dünner schwarzer Mantel, schwarze Haare, schwarze Hose und rote Turnschuhe. Er blieb stehen und betrachtete den Mann. Was machte er hier? Er ging am Rand des Weges entlang, die linke Hand auf dem rechten Arm. Er bleib stehen, bückte sich und hob etwas auf. Dann steckte er es in seine Manteltasche. Elio konnte nicht genau sehen, was es gewesen war. Jetzt hatte er sich gedreht und er konnte sein Profil erkennen. Die schwarzen Haare waren wirr und er trug eine Brille mit schwarzen Rahmen. Unter dem dünnen Mantel trug er ein weißes Hemd. Das Gesicht hatte harte, kantigen Züge, die trotzdem weicher und jünger waren, als er gedacht hatte. Zumindest auf den zweiten Blick. Vielleicht ein paar Jahre älter als er selbst, aber sicher noch keine Dreißig. Elio legte den Kopf schief und musterte ihn kurz. Er gefiel ihm. Unwillkürlich bildete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. Der Fremde drehte den Kopf, sah nun auch zu ihm. Einen Moment passierte nichts und sie sahen sich nur in die Augen. Elio war sich nicht sicher, aber er meinte, dass er grüne Augen hatte. Sie sahen wild und kraftvoll aus. Aber da war noch etwas anderes. Es lag darunter und schimmerte dort, wie eine Goldmünze auf dem Grund des Meeres.

„W-Was machen Sie... hier?", fragte Elio. „Das Land hier ist in Privatbesitz."

Er hasste sich dafür, dass seine Stimme unsicher und zögerlich geklungen hatte. Der Fremde lächelte und kam einen Schritt auf ihn zu. Der Mantel war nicht geschlossen und flatterte durch die Bewegung. Er konnte die bordeauxfarbene Innenseite sehen. Dieser Mantel sah edel aus, fast majestätisch. Warum ging man so in den Wald? Wer war der Kerl?

„Hallo", antwortete er. Seine Stimme war melodisch und weniger tief als er gedacht hatte. Sie trennte jetzt vielleicht noch fünf Schritte. Wieder sah er ihm in die Augen. Versuchte herauszufinden, was es war, dass sein Verstand nicht schaffte zu erkennen. Die Augen passten nicht zu dem Gesicht, sie schienen älter zu sein.

Wie können Augen älter als das Gesicht sein?

Aber da war noch etwas anderes, etwas Düsteres. Ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken. Was hatte dieser Mann alles erlebt?

„Suchen Sie etwas?", fragte Elio.

„Könnte man so sagen, aber es ist schwierig zu erklären", antwortete er. Sein rechter Arm piepste. Elio sah eine Uhr, besser gesagt etwas, das wie eine Smartwatch aussah. Aber er hatte noch nie so ein Modell gesehen. Das Armband selbst war schwarz und elegant. Das Display hatte einen chromfarbenen Rahmen und war keine drei Millimeter dick. An der Seite waren einige Knöpfe, aber er konnte keine Spur eines Herstellers sehen. Es blinkte auf.

„Das ist seltsam, das hast du ja noch nie gemacht", murmelte der Fremde zu seiner Uhr.

„Was ist seltsam?", fragte Elio.

„Dieser Ton. Der ist neu.", erwiderte er. Seine Stimme war freundlich und klang fast fröhlich und ließ das seltsam Düstere aus den Augen verschwinden. Jetzt konnte Elio nur noch Freude und Neugier sehen.

„Der Ton ist neu?", fragte Elio.

„Ja genau. Ach, neues Update. Ich habe den Dreh noch nicht ganz raus. Scanner, Uhr, Nachtlicht, und seit neusten kann er auch Eier auf Entfernung weichkochen. "

Das Verlassene HausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt