Epilog

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Es war eine Woche vergangen und Elio saß im Krankenhaus neben dem Bett von David. Er hatte äußerlich kaum Wunden außer eine schwere Platzwunde am Hinterkopf und dem an zwei Stellen gebrochenen und jetzt gegipsten Arm, aber er war seitdem nicht wieder zu Bewusstsein gekommen. Die Ärzte sprachen etwas von Wachkoma und schweren Hirnschäden. Sie wussten nicht, ob er je wieder zu sich kommen würde und ob die Schäden mit der Zeit heilten.

Kurz nachdem die Sonne aufgegangen war, hatte er Karl angerufen. Erst hatte er nur in das Telefon gestammelt, aber dann hatte er ihm erklären können, wo sie waren. Dann kauerte Elio neben David und hatte völlig die Kontrolle verloren. Er weinte und zitterte. Ihm war heiß und kalt. Irgendwann war Phoenix an seiner Seite und zog ihn in seine Arme. An mehr konnte er sich nicht erinnern.

Wie sich später herausstellte, war er bereits in ihrer Nähe gewesen. Er hatte den Jeep geholt und war zwanzig Minuten später die Auffahrt zu dem Haus hochgefahren. Karl hatte sie beide in das nächste Krankenhaus gefahren. Später, als David in eine Spezialklinik verlegt worden war, hatte er Karl alles erzählt. Dann hatten sie sich eine Geschichte von Hermann Klingenbeil und einem Kampf ausgedacht, um der Polizei etwas zu sagen.

Seitdem hatte er Phoenix nicht mehr gesehen. Er selbst war vor zwei Tagen entlassen worden. Zwar schmerzte seine rechte Seite noch immer, aber wenigstens war sein Knie wieder besser geworden. Auch die Wunden an seinen Armen waren fast verheilt. Allerdings würde er am rechten Oberarm und linken Unterarm Narben von den Kratzern behalten. Auch das war ihm egal. Eigentlich war ihm alles egal. Er dachte pausenlos darüber nach, was passiert wäre, wenn er anders gehandelt hätte. Wenn er früher erkannt hätte, was genau los war.

Die Schwester kam herein und teilte ihm mit, dass er gehen musste. Wortlos packte er seine Jacke. Er kam ein letztes Mal zu David und griff seine Hand. „Pass auf dich auf", murmelte er.

Er würde einige Zeit nicht mehr kommen. Er musste das selbst erst alles auf die Kette bekommen. Er verließ das Zimmer und drehte sich an der Tür noch ein letztes Mal um. Dann schloss er die Tür hinter sich und verließ das Krankenhaus.

Phoenix lehnte an einem Baum ein Stück abseits des Krankenhauses. Als er ihn entdeckte kam er ihm entgegen. Ohne einander groß zu begrüßen kam er zu Elio und zog ihn in seine Arme. Drückte ihn fest an sich. „Es war nicht deine Schuld", flüsterte er.

„Ich weiß", antwortete Elio mit brüchiger Stimme und löste sich von ihm. Sie waren ein paar Schritte nebeneinander gegangen, als Elio den Kopf hob und zu Phoenix sah. Er musterte die attraktiven Gesichtszüge und als dieser ihn ansah, konnte er noch einmal einen Blick auf die grünen Augen werfen, die ihm vor einiger Zeit Halt und Trost gegeben hatten.

„Ich habe nicht erwartet, dich nochmal zu sehen", sagte Elio und sah wieder auf die Straße vor sich. „Ich dachte du bist weg."

Phoenix nickte verstehend und seufzte. Sie gingen durch eine Allee. Es war ein warmer freundlicher Tag, aber die Blätter fingen schon an sich zu verfärben. Das satte Grün des Sommers war bereits verschwunden.

„Ich musste mich um die Spuren kümmern", antwortete er schließlich. „Es ist besser, wenn keiner etwas findet von..."

„Dem Delauro?"

„Ja, genau"

Diesmal war Elio es, der verstehend nickte. Ihm war nicht danach groß zu sprechen. Plötzlich blieb Phoenix stehen und sah ihn eindringlich an.

„Ich weiß, dass ich nichts sagen kann, um dir den Schmerz zu nehmen. Und ich werde sicher nicht sagen, dass David sicher nicht wollen würde, dass du dir die Schuld gibst", sagte er und obwohl er Recht damit hatte, dass Elio es nicht hören wollte, so lag ein Stück Wahrheit darin. David würde ihn mit Sicherheit anblaffen, dass er gefälligst Spaß haben sollte und nicht den Kopf in den Sand stecken sollte. Phoenix griff seine Schultern und sah ihm in die Augen.

Das Verlassene HausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt