Kapitel 20

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Wir gehen zu seinem Wagen und er öffnet mir wie immer die Tür. Als er neben mit sitzt, dreht er die Heizung etwas höher und stellt die Musik an. Mein Lieblingslied läuft. "Den Song höre ich richtig gern", gebe ich zu und summe leise mit. Ich treffe zwar nicht alle Töne, aber das ist mir gerade ziemlich egal. Ich denke nicht, dass Harry mich dafür auslachen wird. "Ich auch. Der Text ist vor allem so tiefsinnig", antwortet Harry.

Wie blöd kann man eigentlich sein? Also nicht Harry- ich meine mich. Ich habe mich tatsächlich noch nie mit den Lyrics befasst. Der Song läuft seit Wochen bei mir auf Dauerschleife und ich habe bisher nur auf die Melodie geachtet. In diesem Moment schaltet die Musik um und ein anderes Lied läuft. Mal wieder breitet sich eine Stille im Auto aus.

"Weisst du, was ich lustig finde?", fragt Harry nach einer Weile. "Nein, was denn?" Er schmunzelt kurz und ich muss mal wieder seine Grübchen bewundern. "Immer, wenn wir beide bei mir im Auto sind, herrscht Stille". - "Scheisse, habe ich mal wieder laut gedacht?" Er schaut mich kurz verwundert an, ehe er sich wieder der Strasse zuwendet. "Ich wüsste nicht. Warum?" - "Naja, ob du's mir jetzt glaubst oder nicht, den gleichen Gedanken hatte ich auch gerade". Harry muss lachen. "Also versteh mich bitte nicht falsch, ich finde das nicht schlimm oder so, mir ist es nur aufgefallen", erwidert er. - "Geht mir genauso".

"Wie lange fahren wir denn?", frage ich nach einer Weile. Wir fahren bereits zwanzig Minuten. "Es dauert noch ein bisschen." Da ich anscheinend nicht mehr Auskunft bekomme, schaue ich wieder aus dem Fenster. Es schneite immer mehr. Die Dächer der Häuser sind bereits weiss, auf den Strassen liegt zum Glück nur ein bisschen. "Erzähl mir mal ein bisschen über dich", fordert Harry mich auf.

"Naja, es gibt nicht so viel. Von meiner Familie hab ich dir ja bereits erzählt. Was möchtest du den hören?" Harry lacht leise. "Du wirst ja wohl noch irgendeinen Schwank aus deiner Jugend kennen, oder?" - "Naja, ich habe früher bei ToysRUs gearbeitet. Das war so ziemlich der einzige Job, bei dem ich nicht rausgeschmissen wurde. Ich habe mich in meiner Uniform dann immer unwiderstehlich gefühlt. Sobald eine Lady in den Laden kam, bin ich zu einem Miniklavier für Kinder hin gerannt, und habe ein Lied geklimpert."

Harry fängt an zu lachen. "Wirklich jetzt?! Wie alt warst du denn da?!" - "Lass mich nachdenken. Fünfzehn oder sechzehn glaube ich. Einmal hat das auch funktioniert. Ich habe ein Mädchen kennengelernt, die durch mein Klavierspielen so beeindruckt war. Sie wollte dann aber auch andere Lieder hören". - "Und wo war das Problem?", fragt Harry verwundert. "Dass ich nur eine Melodie spielen konnte. Tja und dann wollte sie nichts mehr von mir wissen."

Geschockt schaut Harry mich an und vergisst dabei, auf die Strasse zu schauen. Ich hebe meine Hand und drücke mit meinem Zeigefinger an seine Wange, um seinen Kopf wieder nach vorn zu lenken. Er räuspert sich. "Sorry, ich war nur so erschrocken, wie man dich wegen so einem Scheiss verlassen kann", murmelt er leise. Ich bin mit nicht sicher, ob der zweite Teil auch für meine Ohren bestimmt war. Ich antworte mal lieber nichts darauf.

"Und bei dir? Wie viele Damen hast du früher aufgerissen?", frage ich ihn scherzend. "Relativ viele. Allerdings sind fast alle schon über siebzig". Jetzt bin ich derjenige, der ihn geschockt anstarrt. Im ersten Moment denke ich, er meint das ernst, doch dann fängt er an zu lachen und ich steige erleichtert mit ein. "Nein Spass. Ich habe ja früher immer in der Bäckerei Zuhause gearbeitet. Dort waren hauptsächlich alte Damen eingestellt. Ich war die einzige männliche Person, außer dem Inhaber. Die eine Dame, Barbara, hat mir immer in den Po gekniffen". - "Soso, dann warst du also ein richtiger Charmeur in deiner Jugend?" - "Kann man so sagen, ja. Wir sind übrigens gleich da".

Interessiert schaue ich mich um. Ich kann hier ausser ein paar hohen Gebäuden nicht erkennen, was es in dieser Gegend sonst noch so gibt. Harry steigt aus und ich bin gerade erst abgeschnallt, da öffnet er mir wieder die Tür. Eindeutig ein Charmeur. Kein Wunder, dass die alten Damen in der Bäckerei ihn so mochten. Ich steige aus und er schließt die Tür hinter mir. Scheisse, ist das kalt. Hätte ich gewusst, dass es heute noch schneien wird, hätte ich mir eine Mütze und einen Schal mitgenommen. Harry war so schlau und trägt beides davon. Da hat wohl jemand den Wetterbericht gelesen.

Emerald green eyes || Part 1 (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt