Das Geheimnis der Brücken; Kapitel eins I achtzehn

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Das Rollen meines Koffers, wurde von jeder Bodenfließe unterbrochen und es entstand dieser typische Rhythmus. Ein Rhythmus den ich in letzter Zeit sehr oft gehört hatte, so oft waren wir hin und hergereist. Von New York nach London, nach Rom oder zurück nach Atlanta. Washington DC oder Hong Kong, wir hatten alles abgeklappert. Doch nun war ich wieder hier, wo alles begonnen hatte, in Venedig. Der kleine Brunnen stand immer noch in Idas Vorhof und ich hörte bereits Stimmen von Innen kommen. Vor der Tür blieben wir stehen. Ich zog den Gürtel meines schwarzen Trenchcoats enger, strich ein paar Falten heraus und überprüfte in meinem kleinen Handspiegel meinen roten Lippenstift. Von außen saß alles perfekt. Dann sah ich zu Aiden, seine grauen Augen ruhten besorgt auf mir. 

„Sicher?" Nervös presste ich meine Lippen zusammen, nickte kurz und drückte dann auf die Klingel. „Ich geh schon!", hörte ich Ida aus der Villa Spavento rufen. Die Tür wurde geöffnet und Ida stand uns genau gegenüber. Sie hatte sich kein bisschen verändert, dieselben kurzen blonden Haare und die gleichen freundlichen Augen. Nur ihr typisches Lächeln verschwand in dieser Sekunde. „Riley?", fragte sie geschockt. Ich lächelte sanft. „Höchstpersönlich und in Farbe." Ida setzte ihr Lächeln schnell wieder auf, ließ sich dadurch nichts anmerken und nahm mich freudig in die Arme. „Es tut gut dich wieder zu sehen", meinte sie strahlend. „Es ist auch schön dich wieder zusehen", erklärte ich ihr freundlich. Ein nervöses freundlich, dass die Spannung in der Luft nur noch mehr anregte. „Und wer ist der junge Mann?", fragte Ida mich und wendete sich an Aiden. Aiden setzte ebenfalls eine gespielt freundliche Miene auf und schüttelte Ida vornehm die Hand. „Aiden Dearing, sehr erfreut Sie kennen zu lernen." Ich rückte meine Sonnenbrille auf der Nase zurecht. „Er ist mein Arbeitskollege", ergänzte ich und Idas Lächeln wurde kurz kleiner, als wollte sie sagen, dass sie gedacht hatte wir seien mehr als „nur" Arbeitskollegen. Vielleicht war sie auch überrascht, dass ich eine offizielle Arbeit hatte. „Kommt doch rein! Noah wird sich freuen dich zusehen, Schätzchen!" 

Wir waren kaum eingetreten, da warf mir Aiden auch schon den ersten genervten Blick zu, er hasste alle sozialen Austausch-Feiern. „Ich würde seinen Geburtstag nie vergessen", meinte ich, ignorierte Aidens Blick und stellte meinen Koffer ab. „Riley, sie sind im Wohnzimmer Geschenke auspacken. Eh... Kann ich etwas zum Trinken anbieten, Aiden?" Aiden nickte unsicher und folgte Ida in die Küche, während ich ins Wohnzimmer ging. Und da saßen sie alle, Wespe neben Prosper und auf ihren Schoß Bo, Mosca, Riccio und Noah. 

Fast alle, Scipio fehlte. Was mich innerlich schon fast aufatmen ließ. Noah saß in der Mitte auf dem Boden und packte gerade ein Laserschwert von Star Wars aus. Ich lehnte mich gemächlich an die Wand und schaute ihm dabei zu. „Danke Riccio! Das ist der beste Geburtstag!", freute sich mein kleiner Bruder gerade. „Dann kann ich ja eigentlich wieder gehen", sagte ich und nahm meine Sonnenbrille ab. Die ganze Aufmerksamkeit lag somit bei mir. „Riley!", schrie Noah und rannte in meine Arme. „Noah! Bist du gewachsen?" Er lachte nur. Wir hatten uns kaum getrennt, da sprang auch Wespe gleich in meine Arme. „Warum hast du denn nichts gesagt, dass du kommst?" „Das wäre doch sonst keine Überraschung!" Auch Bo war überglücklich mich zusehen. Dann kamen Prosper und Mosca und zuletzt natürlich Riccio. Er lächelte mich freudig an. „Schöne Zahnspange", lachte ich. „Ja nicht? Der Arzt sagt, dass so meine Zähne in null Komma nichts gerade werden", meinte er aufgeregt und ich lächelte. Während Riccio weitererzählte, hörte ich im Hintergrund wie die Haustür sich öffnete und dann wieder ins Schloss fiel. „Ida wir sind da! Wo ist denn das Geburtstagskind?", hörte ich Viktors Stimme rufen. „Noah?", rief eine andere Stimme und wir treten uns alle um. In der Tür stand ein hochgewachsener Mann mit langen lockigen Haaren die zu einem Pferdeschwanz im Nacken gebunden waren und dunklen braunen Augen. Er trug einen grauschwarz gestreiften Pullover und darüber eine schwarze Jacke. 

Dieser Mann war niemand geringeres als der Herr der Diebe höchstpersönlich. Natürlich hatte das Karussell der barmherzigen Schwestern funktioniert, ich hatte nichts anderes erwartet und so überraschte mich sein Anblick kaum. Ich hatte inzwischen Dinge erlebt, die weitaus verrückter als ein Karussell das dein Alter änderte waren, und so ignorierte ich Scipios Alter gekonnt. Jedenfalls nach außen hin.

Der Raum wurde still und ich hörte mein eigenes Herz so laut in meiner Brust schlagen, dass ich Angst bekam, jemand anderes könnte es auch hören. Scipio starrte mich geschockt mit leicht geöffnetem Mund an, während ich darüber nachdachte, wie ich mich aus dieser Lage elegant retten konnte. Leider durchkreuzte Aiden meine Pläne, als er erfreut in den Raum kam und lauthals verkündete, dass es nun Kuchen gäbe. Man könnte Aiden zu Tode foltern und er würde kein Wort preisgeben, halte ihm aber Essen vor die Nase und er redet wie ein Wasserfall. „Riley, warum hast du mir nicht gesagt, dass es Kuchen gibt?" 

Innerlich plante ich bereits meine Beerdigung vor Peinlichkeit, wo es im Übrigen nichts zum Essen geben sollte und rollte meine Augen. „Aiden, das sind meine Freunde. Ihr könnt euch ja alle schon mal kennenlernen und ich unterhalte mich kurz mit meinem Bruder", versuchte ich die Situation zu retten. „Alleine", fügte ich noch hinzu und verließ mit Noah den Raum. Noah brachte mich stolz in sein eigenes Zimmer. Ein eigenes Zimmer hätte ich ihm nie bieten können und ich beneidete ihn darum. Ich hatte das Gefühl Noah mit anderen Augen zu sehen und die Riley, die damals mit ihm geflüchtet ist, erschien mir wie ein kleines Kind. Es schmerzte Noah zu sehen, wie er endlich die Kindheit bekam, die ich nicht bieten konnten. Es war nicht meine Schuld und dennoch gab ich mir die Schuld.

Wir setzten uns gemeinsam auf sein Bett und ich reichte ihm sein Geschenk. „Was ist das?", fragte er irritiert. „Dein Geschenk, was sonst?" Er öffnete es vorsichtig und ein eingerahmtes Bild erschien. Es zeigte eine alte Polaroid Aufnahme mit vier Personen. Eine Frau in einem Krankenhausbett, in ihrem Arm ein Baby und neben ihr ein Mann und ein kleines Mädchen. „Das wurde nur wenige Tage nach deiner Geburt gemacht", erklärte ich leise. Noah sah mich mit großen Augen an. „Die Hebamme von unserer Mutter hatte es gemacht und zufällig sind wir ihr begegnet", erklärte ich, auch wenn ich ein Teil der Wahrheit für mich behielt. Nämlich, dass die angebliche Hebamme eine Freundin der Familie war; Aidens Mutter. Doch das musste Noah nicht wissen. „Es ist wundervoll, danke!", meinte Noah und ich drückte ihn fest. Es klopfte und in der Tür stand Wespe. „'Tschuldigung, wollte euch nicht stören", nuschelte sie. „Aber es gibt jetzt Kuchen, kommt ihr?"

Ich weiß nicht warum das Schicksal mich so hasste, aber ich musste ja direkt gegen über Scipio sitzen. Es war totenstill und nur das Kratzen der Gabeln auf den Tellern schallte durch den Raum. Erst als Noah bei seinem zweiten Stück Kuchen war, erhob Ida das Wort. 

„Eh, Riley? Was sagtest du noch einmal hättest du so in letzter Zeit gemacht?", versuchte sie ein Gespräch aufzubauen. „Wir sind sehr viel unterwegs und arbeiten für eine internationale Sicherheitsfirma, die eng mit dem Staat fungiert", sagte ich zögernd ohne zu viel preiszugeben. Es hörte sich schwammig und falsch an, war es ja auch. Mehr oder weniger.

„Für den Staat?", fragte Viktor interessiert. Ich öffnete schon den Mund, als ein Handy Klingeln mich ihn wieder schließen ließ. Aiden zog sein Handy aus der Hosentasche, entschuldigte sich kurz und verließ dann den Raum. „Mosca, ich habe gehört ihr geht zur Schule, wie ist sie so?", nutzte ich die Chance und wechselte geschickt das Thema. Mosca und Prosper erzählten irgendetwas, doch ich hörte kaum zu. 

Stattdessen lauschte ich angestrengt Aidens Telefonat. In dem letzten Jahr hatte ich viel gelernt, unter anderen Dingen, die mir niemand einfach so glauben würde. Wie zum Beispiel durch Wände hören. Aiden führte ein angestrengtes Telefonat auf Russisch, was er mir ebenfalls beigebracht hatte. Ich hörte ihn den Namen Christian sagen und wusste, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte. Christian war unser Chef, oder sagen wir unser Dienstleiter. „Ok, ich habe die Adresse notiert. Wie viele Leichen sind es?" Kurze Pause. „Zwei Männer. Ok wir checken das." Aiden beendete das Gespräch und ich machte mich bereit. Ich presste die Serviette vor den Mund, bedacht meinen Lippenstift nicht zu verschmieren, auch wenn der ziemlich bombenfest war. Höflich räusperte ich mich. 

„Ich fürchte meine Arbeit ruft. Wir werden uns ein Hotel nehmen, um keine Umstände zu machen", meinte ich an Ida gewendet und bevor die protestieren konnte, fuhr ich auch schon fort. „Noah, wir holen das nach, das verspreche ich dir. Aber", Aiden tauchte wieder auf. „Riley? Kommst du?" Ich seufzte. „Habe ich eine Wahl?" Er grinste und ich stand auf, wobei die Pistole gegen meine Hüfte drückte...

Königin der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt