Ich steuerte die Nussschale von Boot durch die Kanäle Venedigs. Zu meiner rechten Noah und Riccio, links Wespe und Mosca. Das Boot war zwar klein, dafür aber nicht laut. „Die Küchentür, krieg ich mit geschlossenen Augen auf", meinte Riccio überzeugt. Ich nickte, die Maske natürlich auf. Auch wenn es für die anderen so schien, als würde mir Scipio nichts, oder nicht mehr so viel, ausmachen, war es nicht so. Innerlich schrie und weinte ich immer noch. Ich hatte nie aufgehört...
Ich lenkte gerade unter einer Brücke durch, als plötzlich etwas in unser Boot sprang. Vor lauter ließ ich den Motor kurz ausgehen, aber als ich Bo erkannte, startete ich ihn neu. „Mensch Bo! Ich hab' wegen dir fast ein Herzinfarkt bekommen", zischte Mosca aufgebracht. „Ihr habt etwas ganz Wichtiges vergessen", flüsterte Bo geheimnisvoll. „Was?", fragte Riccio ungeduldig. „Es ist unter meiner Jacke." „Was Bo?", fragte nun auch Wespe. Bo zog seine Jacke hoch. „Mich!!!" Ich grinste und steuerte weiter. „Aber Bo, was ist mit Prosper? Er wird sonst sauer!", brachte Wespe ihn zurück auf den Boden der Tatsachen. „Wenn ihr mich nicht mitnehmt, schreie ich", drohte Bo, auch wenn es nicht so gut gelang, wenn man sechs war und blonde Engelslocken hatte. Riccio begann ihn auszulachen und Bo schrie los und das sehr laut. Sofort hielten Wespe und ich ihm den Mund zu. „OK du kannst mitkommen!", zischte ich und Bo grinste. Ich legte das Boot an und wir kletterte über eine Mauer zum Hause Spavento. Wespe saß noch auf der Mauer als Prosper kam. Er kam ebenfalls darüber und steuerte dann wütend auf Bo neben mir zu. Während er und Bo diskutierten, ging ich schon einmal zu Riccio, der immer noch im Schloss herumfummelte. Es knackte und die anderen folgten uns rein. Als einzige von uns, hatte ich keine Taschenlampe. Ich konnte es mir immer noch nicht erklären, doch trotz der Nacht konnte ich alles genau erkennen. Wir schlichen gerade durch einen Gang als eine Tür sich plötzlich, aber dennoch langsam öffnete. Erster sahen wir nur einen schwarzen Handschuh, doch da erkannte ich Scipio auch schon. Ich hatte seine Handschuhe schon oft genau gesehen. Während ich das Gefühl hatte, als hätte mir gerade jemand ein Messer ins Herz gerammt, fauchte ihn Riccio böse an. „Was hast du hier verloren? Verzieh dich!" Scipio schaute uns geschockt an. „Das ist mein Auftrag", zischte er zurück. „Du verlogener Penner! Halt die Klappe! Für einen reichen Jungen wie dich ist das vielleicht ein Abenteuer, doch wir brauchen das Geld!", meinte jetzt auch Mosca wütend. „Aufhören oder habt ihr vergessen wo wir sind?!", zischte Wespe leise. „Und du kommst auch gar nicht an den Conte, du Herr der Lügner, weil wir Sofia haben. Noch Fragen?", gab Riccio dennoch von sich. „STOPP!", fauchte ich. „Den Flügel schon vergessen?", fragte ich meine Freunde, wobei ich mit dem Rücken zu Scipio stand um ihm bloß nicht in die Augen zu sehen. „Bo, Mosca ihr geht links, Wespe und Riccio rechts", ordnete ich an und ging weiter. Ich merkte das mir Prosper vorerst nicht folgte, wollte anscheinend noch mit Scipio plaudern. Erst nachdem ich bereits einen ganzen Raum durchkämmt hatte, tauchte er hinter mir auf. „Zu den anderen", flüsterte ich, doch Prosper hielt mich noch kurz auf. „Du weißt, er liebt dich wirklich?" Ich schluckte meine Tränen schnell hinunter und nickte. „Genau das macht es ja so schlimm!", fauchte ich ihn an und ging zu Mosca und Bo, wo Wespe und Riccio auch gerade ankamen. „Im Wohnzimmer ist nichts", berichtete Wespe uns. Ich sah mich im Raum um und erkannte, dass es ein Fotostudio war. Überall lagen Kameras und an den Wänden hingen Fotos. Prosper betrat auch den Raum. „Scip geht gerade nach oben", gab er bekannt. „Nach oben?", zischte ich fassungslos. „Prop Hilfe!", flüsterte Bo und zeigte auf die Bilder. Sie zeigten ihn! Wespe wollte uns gerade beruhigen, als das große Licht anging und eine Frau mit Gewehr darinstand. Ich erkannte sie sofort vom Kiosk heute Morgen. „So, so! Gehe ich mal einen Abend nicht nach Hause und was finde ich bei meiner Heimkehr? Eine Bande kleiner Einbrecher die in meinem Haus herumschleichen." „Bitte nicht schießen!", sagte Riccio ängstlich und hob die Hände. Ihr Blick zeigte, dass sie ihn erkannte. „Der unfreundliche Junge vom Kiosk", stellte sie fest und ihr Blick schweifte weiter. „Und das Mädchen, das bedauernswerte Waisenkind und" Sie schaute mich an und ich nahm die Maske ab. „Die Abenteuerin! Was wollte ihr? Meine Kameras?" „Bitte holen sie nicht die Polizei", flehte Wespe sie an. „Ich glaube das wird das mindeste sein was ich tue!" Ich schaltete mich ein. „Ich weiß das sie wütend sind, aber wir wollen nur den Flügel!" Im Augenwinkel sah ich, wie Bo hinter Wespe hervorkam und endlich nahm sie das Gewehr herunter. „Und wie alt bist du?" „Sechs Ein viertel", antwortete er schüchtern. „Er ist mein kleiner Bruder, er kann nichts dafür. Wieso haben sie Fotos von ihm? Wieso haben sie Fotos von ihm?!", begann Prosper und wurde immer lauter. „Ich bin Fotografin, ich schieße Fotos von Kindern auf der Straße. Das ist der Grund. Wo wohnt ihr denn?" Prosper hatte sich wieder beruhigt. „Praktisch nirgendswo." „Das tut mir sehr leid, wenn es wahr ist" sagte sie und hob ihre Stimme am Ende. Ich erkannte Scipio im Hintergrund, wie er irgendwas abstellte und begann wie auf Knopfdruck, innerlich zu krepieren. „Also was wollt ihr mit meinem Flügel?" „Jemand hat uns angeheuert ihn zu stehlen", erklärte Mosca kleinlaut. „Angeheuert? Und wer?" Scipio hatte plötzlich das Gewehr in der Hand und zielte damit auf die Fotografin. „Mein Kunde legt sehr viel Wert auf aller größte Vertraulichkeit", meinte er drohend. „Scipio leg sofort das Gewehr hin", rief Wespe panisch. Oder erschieß mich einfach!!! Schrie meine innere Stimme. „Ich habe den Flügel, er war in ihrem Schlafzimmer. Verschwinden wir!" Die blonde Frau griff nach dem Gewehr und beide, sie und Scipio zogen daran. „Nun gib schon her! Das Ding ist nicht einmal echt! Und ich nehme an das ist mein Flügel", sie deutete auf den Flügel hinter Scipio, dann drehte sie sich zu uns um. „Ich bin neugierig. Wie viel hat euch euer mysteriöser Auftragsgeber denn geboten?" Wespe antwortete: „50 000." Kurz blieb es ruhig, Scipio zog seine Maske auch hinunter, wissend das es kein Sinn machte. „50 000? Ein Haufen Geld." „Ja aber nicht für uns, wir müssen nämlich alles selber zahlen, weil wir keine Eltern haben. Und wir müssen aus dem Sternenversteck raus, und Moscas Boot braucht neue Farbe, Riccio brauch neue Zähne, Noah braucht neue Spiele und Wespe braucht neuen Bücher. Ich hab Angst das reicht gar nicht alles", lächelt er sie an und auch sie lächelte zurück. „Kommt wir gehen ins Esszimmer, da ist es gemütlicher", erklärte sie und wir folgten ihr.
Alle sitzen wir am Tisch, nur Ida, Scipio und ich waren ein wenig außerhalb. Ida lehnt an eine Kücheninsel eine Tasse Tee in der Hand, Scipio hatte seinen Stuhl nach weiter außen geschoben und ich stand an die Wand gelehnt. Auf dem Tisch stand der Holzflügel und Wespe strich verträumt darüber. „Wie schön", murmelte sie. „Ein Engelsflügel oder?" Ida schüttelte den Kopf. „Oh nein! Ein Löwenflügel." „Sag ich doch, aber auf mich hört sowieso niemand", sagt Bo zwischen rein. Ich währenddessen war voller Schmerz. Todesschreie sangen in meinem Kopf ein Lied und mein Herz fühlte sich so an, als würde es mich innerlich zerfetzten, langsam und qualvoll. Ich merkte wie Scipios Blick immer wieder zu mich schweifte, aber ich schaute starr zur Boden. „Er war ein Geschenk, zum Abschied aus dem Waisenhaus." „Sie waren auch ein Waisenkind?", fragte Riccio erstaunt. Ida nickte lächelnd. „Ja ich habe da über 10 Jahre gelebt." „Was macht den Flügel so besonders?", erhebt Scipio das Wort und automatisch krallen sich meine Hände in mein Shirt und die Dämonen in meinem Kopf kreischen lauter. Sie versuchen das zu zerstören, was noch von mir übrig ist und ich wusste, dass ich dieses Mal nicht gegen sie kämpfen konnte. Es war nicht mehr die Art von Traurigkeit wo ich weinen wollte, sondern eine, die meinen ganzen Körper lähmte und die, vor der ich nicht fliehen konnte. „Ich weiß es nicht, aber es wird Zeit es herauszufinden. Für heute könnt ihr hier schlafen", beginnt Ida ein Angebot aufzustellen, als ich aufspringe. Genau in diesem Moment, hatte ich einen Punkt erreicht, wo ich einfach nur fertig war. Schmerzerfüllt fasste ich an meinen dröhnenden Schädel, fuhr mit meiner Hand bis zu meinen Ohren und stellte fest, dass sie bluteten. „Ida kann ich dein Telefon benutzen?", frage ich hektisch. Sie nickte irritiert. „Gang runter rechts." Ich eile hin, schnappe mir den Hörer und entfaltete stürmisch Aidens Zettel. Panisch tippe ich die Zahlen ein, während. „Hallo?" „Aiden?", frage ich schon fast am Weinen. „Riley?", fragt er erstaunt und ich schluchze auf. „Was ist passiert?" „Aiden? Ich bin es so leid! Etwas stimmt hier nicht und ich halte das einfach nicht aus! Ich stecke hier grade ziemlich tief in der Scheiße und will einfach nur weg", ich will fortfahren, doch Aiden unterbricht mich. „Soll ich dich holen?", bietet er an. Mit zitternder Stimme nicke ich. „Hm. Ich muss hier weg, egal wohin. Bitte", flehe ich ihn an und mehr Tränen fließen mein Gesicht hinunter. Kurz wartet er, spricht dann aber weiter. „Ich hole dich morgen Mittag ab, nimmst du viel mit?" „Gar nichts." „Was ist mit Noah?" „Er bleibt hier, er ist hier glücklich", meine ich und man hört wieder wie ich schluchze. „Morgen Mittag", wiederholt er und wir legen beide auf. Als ich mich umdrehe, sehe ich Ida. Sie scheint da schon länger zu stehen und zu lauschen, denn sie mustert mich traurig. Ohne ein Wort zu sagen, nimmt sie mich in Arm. Ich wimmere an ihrer Schulter und sie streichelt mir beruhigend über den Rücken. „Kannst du auf Noah aufpassen?", frage ich sie schüchtern, schnell nickt sie und küsst mich auf den Kopf. „Ich passe auf ihn auf, egal wie lange du gehst."
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Königin der Nacht
FanfictionRiley und ihr Bruder Noah sind auf der Flucht durch Venedig und treffen dort den berüchtigten Herr der Diebe. Mit ihm und seiner Gang gehen die beiden Geschwister auf ein Abenteuer, dass größer ist als erwartet... "There are streets where poems were...