Während der Fahrt sagte er kein Wort und ich hatte Angst zu fragen, also schwiegen wir. Dieser Typ, dessen Name ich immer noch nicht kannte, jagte mir einfach Angst ein. Wir kamen an einer alten Hütte an, die ziemlich verlassen wirkte. Es war wie ein altes Strandhaus nur nicht ganz so freundlich wirkend. Als wir eintraten, war es aber erstaunlich modern und technisch eingerichtet. An einer Wand erkannte ich verschieden Bilder, darunter eins von mir. Sofort riss ich es ab und hielt es ihm vor die Nase. „Von wo hast du das?!", fragte ich grimmig. Vorsichtig, als würde ich zerbrechen, wenn er mich berührte, nahm er mir es aus der Hand und deutete dann an einen Tisch. „Willst du dich nicht erster setzten und dann erzähle ich dir alles in Ruhe?" Verbittert nickte ich und ließ mich trotzig fallen. „Wo fang ich bloß an?", fragte er sich selbst. „Vielleicht wer du bist und warum du meine Eltern kanntest?!" Er seufzte. „Mein Name ist Aiden und ich bin in gewisser Weise dein Cousin." An dieser Stelle hätte es mich schon fast vom Hocker gehauen, aber ich blieb tapfer sitzen. „Deine Eltern haben dir nie von mir erzählt, ich weiß, doch das hat alles seine Gründe. Deine Eltern führten ein gefährliches Leben und selbst ich kenne nicht alle Details, aber dann kamst du und dein Bruder und sie mussten ihr Leben umstellen. Sie haben komplett neue Identitäten angenommen und euch damit ein normales Leben ermöglicht. Allerdings konnten sie nicht alles einfach zurücklassen und, sagen wir ein alter Bekannte, von ihnen hatte euch ausfindig gemacht. Als einzige Möglichkeit euch zu retten, täuschte sie ihren Tod vor Zehn Jahren vor und zwar so, dass selbst du und dein Bruder daran geglaubt habt. In all den Jahren haben sie euch beobachtet und heimlich über euch gewacht. Und sie haben euch geliebt, dass weiß ich", er seufzte und fuhr sich durch die Haare. Mein Mund klappte auf. „Vor ein paar Monaten fielen sie aber schon zum zweiten Mal auf und dieses Mal konnten selbst sie nicht mehr flüchten." „Warte! Du willst mir sagen, dass meine Eltern vor zehn Jahren einen Autounfall vorgetäuscht haben, nur um dann wieder aufgedeckt zu werden und dann endgültig getötet zu werden?!" Ein wenig peinlich berührt, nickte Aiden. Ich stand auf und lief im Raum auf und ab, fuhr mir durch die Haare und kaute auf meiner Lippe herum. Aiden sah mir geduldig dabei zu. Das glaubte ich einfach nicht! „Das heißt, sie haben uns Jahre lang dabei beobachtet wie wir im Waisenhaus waren?" Er nickte stumm. „Hat uns deshalb nie jemand adoptiert?" „Das würde ich so nicht sagen, du warst diejenige die Essen herumgeworfen hat." Kurz blieb ich stehen und schaute ihn fassungslos an, dann ging ich wieder hin und her. „Was ist dann passiert? Und wer genau hat sie gefunden?!", fragte ich immer noch aufgebracht. „Ein gewisser Gerard wurde auf sie angesetzt und als er sie umgebracht hat und fand dadurch heraus, dass ihr lebt und wo ihr euch befindet. Deswegen hat er angefangen euch zu jagen." „Ja, das hab ich gemerkt, denn falls es dir nicht aufgefallen ist, er hat auf mich geschossen!" Aiden nickte, nicht sicher wie er mit einem aufgebrachten Teenager umgehen soll. „Ok. Wir sind vor Gerard geflohen und so weiter, aber wo bist du in der Geschichte?" „Die Schwester deiner Mutter, also meine Mutter wurde ebenfalls von Gerards Leuten umgebracht, deshalb war ich auch untergetaucht. Ich habe deinen Eltern lange Zeit geholfen und als sie starben, versprach ich ihnen, auf euch aufzupassen. Es gibt da noch mehr, noch viel mehr, zum Beispiel von wem Gerard angeheuert wurde, doch das reicht für heute." Lange war es dann still, ich hatte mich entzwischen wieder gesetzt und leblos und die Luft gestarrt. Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich kotzen würde und ich fühlte mich miserabel. Wenn das alles stimmte, haben mich unsere Eltern ein Leben lang angelogen... Irgendwann stand Aiden dann auf und ging zu einem Regal, holte zwei Gläser und eine Flasche mit brauner Flüssigkeit. „Ich glaube, in dieser Situation tät dir ein Drink ganz gut", ergänzte er als er mir etwas ins Glas schenkte. „Ich bin nicht mal 18", meinte ich geschockt. Zum ersten Mal lächelte mich der Eisklotz an und schob das Glas zu mir. „Dann auf deinen ersten Drink", meinte er und hob sein Glas. Ich nahm ein Schluck und musste sofort husten. Grinsend klopfte mir Aiden auf den Rücken. „Bäh! Das ist voll eklig", jammerte ich weinerlich. Er trank sein Glasen locker mit einem Schluck lehr und verzog nicht eine Miene. „Ich glaube, du musst das erst einmal verarbeiten", fing Aiden an und stand auf, ich nickte leicht. Er schnappte sich Stift und Papier und kritzelte eine Nummer auf, die er dann zu mir schob. „Wenn jemals etwas sein sollte, ob du nun Hilfe brauchst oder vielleicht nur reden willst", fügte er hinzu. Ich schob den Zettel in meine Hosentasche und wollte schon aufstehen, wartete aber noch einen Moment. Ich schnappte mir mein, noch gefühltes Glas und leerte es runter. Das Gemisch brannte im Hals und in meinem Bauch schien es warm zu brodeln. Ich weiß nicht, ob es dadurch besser oder noch schlimmer wurde.
Mit Mühe und Not, hatte ich Lorenzos letzte Fahrt erwischt und schwer atmend wieder bei ihm vorne Platz genommen. „Tutto bene? ", fragte er mich. „Ja, ja. Alles in Ordnung! Habe nur die Zeit vergessen", log ich auch wenn ich am liebsten laut geheult hätte. Ich weiß nicht wie Lorenzo es merkte, dass ich nicht reden wollte, doch irgendwie tat er es. Ich schaute auf den Zettel, wo in Aidens krakeliger Schrift Zahlen standen. In all den Jahren, hatte ich mich noch nie so verloren gefühlt. Ich hatte immer einen Plan, eine Idee oder eine kleine Ahnung was ich machen könnte. Aber nicht jetzt, ich wusste nicht wie ich mich verhalten sollte und hätte mein Körper nicht von alleine geatmet, hätte ich wahrscheinlich sogar das vergessen. Mein ganzes Leben basierte auf einer Lüge, eine lebensgefährliche dazu. Ich merkte nicht wie die Fahrt vorbei ging, erst als Lorenzo die Lichter des Busses ausschaltete, sah ich ihn an. „Hör zu, bambina! Ich weiß nicht, was in dir vorgeht oder was du durchgemacht hast, aber", er wendete sich zu mir, nahm die Sonnenbrille ab und sah mich ernst an. „Aber du schaffst das schon. Ich kenne Menschen wie dich, sie geben nicht auf! Du combattente, Kämpferin! Ich weiß es!" Ich musste lächeln, auch wenn wir nicht dazu zumute war. „Danke Lorenzo!" Lächelte ich dankbar und verabschiedete mich von ihm. Es war eigentlich schon längst Zeit zurück zu kehren, aber ich wollte nicht. Ich wollte nicht zurück ins Stella und mit Fragen bombardiert werde, wo ich gewesen war, doch ich hatte auch keine Ahnung wohin ich sonst gehen sollte. Ich endete auf der Treppe einer Brücke, mit angezogenen Beinen auf denen mein Kopf ruhte. Ich konnte sonst auch nichts machen, niemand würde mir glauben was passiert war, höchstens Noah. Doch den wollte ich da nicht mitreinziehen, ich wollte ihn doch nur beschützen und dass er ein gutes Leben hatte. Ich hatte immer das Gefühl es würde sich nie etwas ändern und jetzt schaute ich zurück und alles war anders. Ich hatte keine Wahl, als doch irgendwann zurückzugehen, aber ich hatte Glück und die anderen schliefen bereits. Bevor auch ich zu Bett ging, selbst wenn ich wahrscheinlich nicht schlafen konnte, schaute ich noch einmal bei Noah rein. Er schlief seelenruhig und bemerkte mich nicht, auch nicht als ich verträumt durch seine Haare streichelte. Erst jetzt, als ich meinen Bruder da so schlafen sah, wurde ich ruhig. Der Sturm der in mir herrschte, wurde leiser. Ich vergaß was heute alles passiert war und wurde müde. Zu faul in mein eigenes Bett zu trotten, kuschelte ich mich an Noah und versank im Land der Träume.
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Königin der Nacht
FanfictionRiley und ihr Bruder Noah sind auf der Flucht durch Venedig und treffen dort den berüchtigten Herr der Diebe. Mit ihm und seiner Gang gehen die beiden Geschwister auf ein Abenteuer, dass größer ist als erwartet... "There are streets where poems were...