I z w e i I

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Als ich langsam erwachte und feststellte, dass ich keine Ahnung hatte wo ich war, schreckte ich schnell hoch. Panisch sah ich mich um. Ich befand mich in einem kleinen Raum mit roten Wänden und lag auf einer Matratze die auf dem Boden lag. Reflexartig fasste ich an meine Seite und spürte, dass ein Verband um mich geschlungen war. Noah! schoss es durch meinen Kopf. Schnell stand ich auf, was sich gleich auch schon als Fehler zeigte, denn es fing an sich wieder alles zu drehen. „Wow! Vorsichtig!", meinte eine Stimme hinter mir und hielt mich an meinen Armen fest. Ich drehte mich und sah in das Gesicht einen Jungen, vielleicht so alt wie ich. Dunkle braune, fast schwarze Haare, die etwas länger waren. Unter seinem langen schwarzen Mantel trug er ein weiß- schwarz gestreiftes Shirt und seine Augen waren tief braun. Jetzt fiel es mir wie Tomaten von den Augen! „Herr der Diebe?", fragte ich zögernd. Er lachte kurz auf und ließ mich dann los. Er machte eine übertriebene Verbeugung und meinte voller Stolz: „Höchstpersönlich, stets zu ihren Diensten!" Dann gab er mir mit einer Kopfbewegung ein Zeichen ihm zu folgen. Mir blieb wohl nichts Anderes übrig. Als wir den Raum verließen, erschien mir die Aussicht in ein altes, aber dennoch schönes Kino. Es war in warmen Rottönen gehalten und ich schaute gerade von einer Tribüne herunter. Der Herr der Diebe ging einfach ein paar Treppen weiter und ich folgte ihm schnell. Unten war ein Tisch an dem mehrere Kinder saßen und sich unterhielten. Als sie uns erblickten, wurde es ruhig. Ich zählte sie als vier, einer davon war Noah. „Riley!", rief er erleichtert und stürmte ich meine Arme. Schnell ließ er mich wieder los. „Wie fühlst du dich?" „Als hätte mich jemand mit einem Dolch in die Seite geschnitten", gab ich ironisch zur Antwort. „Guckt! Ich habe doch gesagt sie lässt sich nicht so leicht runterkriegen", rief er erfreut zu den anderen, deren Blick immer noch auf mir lagen. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt, als Scip dich hier voller Blut hergetragen hatte", fing ein Junge mit zerzausten Haaren an. Sein Grinsen war freundlich, jedoch waren seine Zähne schief und Gelb. Ein Mädchen mit langen, glatten schwarzen Haaren legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du übertreibst! Ich bin übrigens Wespe", stellte sie sich vor. Dann deutete sie auf den Jungen mit zerzausten Haaren, welche mich ein wenig an einen Igel erinnern, so spitz standen sie von seinen Kopf weg. „Das ist Riccio." Dann deutete sie auf einen weiteren Jungen der am Tisch saß. Seine Haut war dunkel und seine Haare relativ kurz geschoren. „Das ist Mosca und Scipio kennst du ja bereits." Ich sah kurz zu Scipio, aka. den Herrn der Diebe. Seine Augen lagen ruhig auf mir und beobachteten jede kleinste Bewegung. „Ich bin..." „Riley! Ich weiß!", erklärte Wespe und wir setzten uns gemeinsam hin. „Dein Bruder hat ununterbrochen von die geschwärmt." „Ach wirklich?", fragte ich und sah Noah, der gerade ein Sandwich aß, prüfend an. Unschuldig aß er weiter und ich musste grinsen. „Aber Riccio hatte schon recht, wie kam es dazu, dass dich jemand so hinrichtet?", fragte nun Mosca. Noah hörte mit Essen auf und sah mich abwartend an. Selbst Scipio, welcher an eine Wand gelehnt dagestanden war, kam jetzt zu uns und nahm sich einen Stuhl. Ich schluckte. „Ich weiß nicht. Der Typ wollte halt irgendwas von mir und da konnte ich wohl meine Klappe nicht halten. Da ist er ausgerastet und hat sein Messer gezückt", log ich und sah in meinen Augenwinkeln, wie Noah wieder anfing beruhigt zu essen. „Woah! Und wie kamst du davon?", fragte Riccio bewundert. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe Selbstverteidigungsunterricht genommen, als ich jünger war." Sie schienen mir die Geschichte vorerst abzukaufen. „Und was habt ihr jetzt vor?", fragte Wespe uns. Ich schwieg, da ich die Antwort nicht einmal selbst kannte. Wespe legte mir die Hand auf die Schulter. „Ihr könnt hierbleiben, solange ihr wollt", schlug sie vor und Scipio nickte als Bestätigung, während er sich mit einer Hand durch die Haare ging. Ich nickte erleichtert. „Habt ihr Eltern?", fragte Scipio. Ich zuckte kurz bei der Frage zusammen, fing mich aber wieder und schüttelte den Kopf. „Das ist nicht schlimm wir sind alle hier Waisen", erklärte Riccio locker. „Ich bin keine Waise! Mein Vater fährt um die ganze Welt mit einem Boot und sucht mich!", rief Mosca bestürzt. Niemand sagte etwas und ich erhob das Wort. „Das hört sich cool an. Unsere Eltern wurden ermordet", fügte ich monoton hinzu. „Das tut mir", fing Wespe an, doch ich ließ sie nicht ausreden. „Es muss dir nicht Lied tun. Es ist nicht deine Schuld und es ist sowieso schon lange her", meinte ich als würde es mir nichts ausmachen. Sie nickte traurig. Ich biss mir kurz auf die Lippe. „Also warum Herr der Diebe?", fragte ich und wechselte somit das Thema. Scipio grinste und stellte sich auf den Tisch. „Warum? Weil ich der Herr der Diebe bin und das sind meine Diebe! Meine Freunde und meine Familie!", erklärte er stolz und hob dann ein Becher. „Auf unsere Frischlinge, Noah und Riley!" Auch ich nahm ein Becher und hielt ihn hoch. „Salute!"

Der nächste Tag kam und ich hatte seit langem wieder mal so richtig gut geschlafen. Wespe weckte mich. „Komm schon Aufstehen, Riley!" Sie rüttelte an meiner Schulter, doch ich dachte nicht einmal daran und verkroch mich zurück in meine Decke. Mit voller Wucht zog Wespe die Decke jedoch weg und ich grummelte etwas Unverständliches. Wir aßen gemeinsam mit den anderen Frühstück, die allen Anscheins nach, schon länger wach waren. Mir fiel nur einer auf, der fehlte. „Wo ist Scipio?", fragte ich deshalb in die Runde. Riccio zuckte mit den Schultern. „Er ist nicht immer hier. Wahrscheinlich irgendwelche Herr der Diebe Sachen regeln. Er hüllt sich nun mal in Geheimnisse, gewöhn dich dran", erklärte er Schulterzuckend. Ich fragte nicht weiter, obwohl ich neugierig war. Wir redeten noch eine Weile und alle erzählten mir, wie sie hierherkamen. Riccio zum Beispiel, hatte versucht Scipio selber zu beklauen. Da hatte er ihn unter seine Fittiche genommen. „Riley? Kommst du? Wir sollten deinen Verband auswechseln", fragte Wespe und stand auf. Ich folgte ihr ins Bad wo sie anfing neue Bandagen zu suchen. Ich lugte währenddessen unter meinen jetzigen Verband und zog scharf die Luft ein. „Was ist?", fragte Wespe. „Nichts", antwortete ich schnell. Sie schüttelte nur ungläubig den Kopf. „Ich bin noch mal kurz unten, anderen Verband holen." Ich nickte nur und sobald sie aus der Tür war, riss ich meinen Verband ab. Verdattert starrte ich an die Stelle, wo jetzt gerade mal noch eine kleine Narbe war. Ungläubig fuhr ich mit meinen Fingern darüber, doch auch danach konnte ich es nicht glauben. „Danke Mosca!", hörte ich Wespe sagen. Hecktisch schnappte ich mir einen Verband und wickelte ihn neu herum. Wespe starrte ungläubig auf den gewechselten Verband. „Sieht gut aus! Ich habe ihn einfach schnell selber gewechselt", erklärte ich locker, als ob es ganz normal wäre. Noch bevor sie weiter fragen konnte, verließ ich den Raum. Mosca malte an etwas, während Riccio gegen Noah Schach spielte. „Schach Matt", grinste Noah ihn an. Riccio fuhr sich geschockt durch die Haare. „Das kann nicht sein, wie machst du das?" Noah zuckte unschuldig mit den Schultern. „Revanche!", forderte Riccio auf. Noahs Grinsen wurde breiter und er holte ein neues Spiel. Ich ging zu Riccio und flüsterte ihm heimlich ins Ohr. „Du solltest nicht gegen ihn spielen, er ist schon seit seiner Kindheit extrem intelligent. Du hast keine Chance", klärte ich ihn auf. Riccio starrte mich geschockt an, doch da kam schon ein unschuldiger Noah an gehopst, ein neues Spiel unter dem Arm. Hilfesuchend sah Riccio zu mir, doch ich schüttelte den Kopf. „Ich geh in die Stadt", verkündete ich, obwohl ich glaube, dass Mosca mich nicht einmal gehört hatte. Sofort drehte sich Noah zu mir um. Ich schüttelte den Kopf, dennoch sah er besorgt zu mir. Ich wuschelte durch seine Haare. „Keine Sorge, ich kann auf mich aufpassen", fügte ich noch hinzu und ging dann zur Tür heraus. Ich wusste, dass es gefährlich war rauszugehen, während Gerard noch daher weilte. Aber ich ignorierte die kleine Stimme in meinen Kopf die laut schrie: Mach das nicht! Ich schlenderte durch die Gassen Venedigs, nicht darauf bedacht, wohin ich eigentlich wollte. Ich klaute ein Portmonee, mit dessen Geld ich mir dann ein Eis holte. Ich schlenderte Gedanken verloren über den Markusplatz und sah zur scheinenden Sonne hinauf. Mein Blick wanderte zu einer der Säulen, auf der ein steinerne Löwe war. Steinern? Moment Mal! Warum bewegte er sich denn dann? Ich rieb mir mit den Händen die Augen und schaute erneut hinauf und sah, wie er sich nicht mehr bewegte. „Ich glaub ich werde' verrückt", murmelte ich und lief schnell weiter. Ich stand gerade auf einer Brücke und schaute hinunter ins Wasser, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich herum und sah einem wütenden Gerard ins Gesicht. Ich drückte ihm die geschmolzenen Reste meines Eis ins Gesicht, riss mich los und sprintete durch verlassene Gassen. „Du kannst mir nicht entkommen!", rief Gerard mir hinterher. Leider ereilte mich dasselbe Schicksal wie letztes Mal und ich endete in einer Gasse. „Shit!", entfuhr es mir. Als plötzlich jemand einen Arm um mich schlang. Ich sah zu ihm und erkannte Scipio mit Maske. „Scipio?", fragte ich irritiert. „Festhalten!", meinte er nur. Gerard kam näher stolperte aber über etwas und in diesem Moment wurden wir von einem Seil hochgezogen. Nun konnten wir von einem hohen Dach lachend auf ihn herunterschauen. Gerard war in einer Pfütze gelandet und hatte nun Dreck im Gesicht. Lachend streckte ich ihm die Zunge heraus und Scipio rief: „Man legt sich nicht mit dem Herrn der Diebe an!" Lachend gingen wir weiter über das Dach und ich spürte Scipios Blicke auf mir. „Hast du vor, mich noch aufzuklären?" „Nein", antwortete ich simpel. Wir gingen schweigend weiter, als ich ruckartig stehen blieb. „Was?", fragte Scip mich, doch ich zog ihn einfach runter, sodass wir auf dem Dach lagen. Mit einem Finger vor dem Mund, deutete ich ihm leise zu sein und zeigte dann in ein Fenster hinein. Wir hatten die perfekte Aussicht auf die Hinterseite einer Villa. Durch das Fenster sahen wir eine Frau die gerade noch ein Diadem auf dem Kopf hatte. Nun legte sie es ab und in einen Tresor und verließ den Raum. Ich grinste Scipio an. „Denkst du auch was ich denke?"

Königin der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt