10. August X742
Die Hölle. Ein Ort, an dem Verdammte und all die armen Seelen, die es dorthin verschlug, ein Gerichtsurteil erhielten, welches definitiv nicht zu ihren Gunsten ausfallen würde.
Einige glaubten an ewige Qualen in einem so genannten Fegefeuer, andere glaubten nur an den einen Ort im Niemandsland, der aufgrund seiner tödlichen Umgebung nach der Unterwelt selbst benannt worden war.
Das man auch in seinem normalen Leben, ohne groß etwas falsch gemacht zu haben, ebenfalls durch die Qualen der Hölle gehen konnte, ließen viele hierbei außer Acht oder verdrängten es schlicht und ergreifend.Auron selbst erlebte diesen Lebensabschnitt, den viele auf verschiedenste Art und Weise zu überspielen, vergessen oder sogar übergehen vermochten gerade.
Die Flammen des Lebens, die sonst die Leidenschaft für die kleinen Dinge im Leben, die einem Freude bereiteten, zu entzünden vermochten, zerrten nun an seinem Bewusstsein. Sie erhitzten seine Tränen, damit diese ihm das Gesicht verbrennen könnten - eine Brandmarkung, die ihn auf ewig an diesen Augenblick erinnern würde.
Die Hitze trocknete seine Kehle aus und feuerte Nadeln in seine Lunge. Sein gesamter Körper schien in Brand gesetzt, doch nichts war ein vergleich zu dem Schmerz, der ihn nun psychisch heimsuchte.
Vorwürfe begannen ihren Platz einzunehmen. Dinge, die er hätte tun können, um den Tod seiner Liebsten zu verhindern tauchten vor seinem inneren Auge auf - All jene alternative Szenarien, die sich niemals erfüllen würden.
Seine Gedanken verschmolzen zu Silhouetten. Bekannte und unbekannte Gesichter, die ihn nun wie Gespenster heimsuchten; Ihm all seine Fehler vorhielten und ihm auch das letzte bisschen Hoffnung nahmen, welches er bis soeben verspürt hatte.
Auron drohte immer weiter zu sinken. Brachiale Wellen, denen das Feuer nichts auszumachen schien, überrollten ihn - Nahmen ihm die Luft zum Atmen und ließen jegliche Lichtstrahlen in weiter Ferne zurück. Unerreichbar, egal wie sehr er sich auch anstrengen würde.So langsam begann er selbst daran zu zweifeln, dass er nichts an der Situation hätte ändern können. Traurige Konjunktive umwaberten wie düstere Nebelschwaden seine Gedanken.
Dinge die er hätte sagen und tun können.
Dinge die er nun nicht mehr ändern können würde, weil er jede Chance vertan hatte, die ihm diese Möglichkeit noch gegeben hätte.•••
Kaum kam das Westtor in Sicht machte sich die Nervosität in Auron breit. Es durfte einfach nichts schief gehen. Jeder Fehltritt würde unweigerlich seinen Tod herbeiführen.
Es war noch gar nicht lange her, dass er beschlossen hatte, seinen Weg über die Dächer fort zusetzen. Die eng aneinander liegenden Hausreihen machten es selbst für ihn möglich einen solchen Weg einzuschlagen.
Der Hafen, der hinter dem Osttor in die Klippen eingelassen worden war, war sein Fluchtplan.Wenn er es schaffen würde, an den Torwachen, die dieses zu dieser Stunde bewachten zu umgehen, würde ihm das etwas Zeit einräumen.
Niemand sollte um diese Uhrzeit -es war noch früher Nachmittag- das auf und abladen der großen Handelsschiffe behindern, die derzeitig dort vor Anker lagen.Auron war darauf vorbereitet gewesen, dass man ihn niemals einfach so durch das Tor lassen würde. Umso überraschter war er, die Wachen in einer überschwänglich guten Laune vorzufinden.
Ein dämliches Dauergrinsen war auf ihren Lippen zu sehen, aber sie schienen nicht wirklich betrunken zu sein, denn weder der Geruch noch irgendetwas in der Umgebung deutete auf Alkohol hin.Auch waren sie auf den vorgesehen Posten postiert, die Lanzen, die jedem möglichen Eindringling eigentlich den Weg versperren sollten, lagen jedoch nur locker in ihren Händen.
Selbst als Auron sich ihnen weiter näherte starrten sie nur verträumt in der Gegend herum, als stünden sie unter irgendeinem Zauber. Weiter wollte er sich jedoch nicht damit beschäftigen, denn das spielte ihm gerade so in die Karten, bedeutete allerdings auch weniger Zeit, die er für das Gelingen seiner Flucht zur Verfügung stehen hatte.
Also rannte er einfach weiter, als klares Ziel vor Augen, die Boote, die zwischen den Handelsschiffen standen.Dass er mit seiner Vermutung mit dem Zauber recht und eigentlich noch genügend Zeit zur Verfügung hatte, bemerkte er erst, als eine Person, die hinter ihm, ebenfalls den Hafen aufsuchte, von sich kreuzenden Waffen ausgesperrt wurde.
Auron selbst konnte sein Glück kaum fassen, auch wenn er nicht verstand, welchem Zweck genau die Aktion mit den Wachen dienen sollte.
•••
Bernsteinfarbene Augen beobachten aus dem Schatten heraus das Geschehen.
Ein selbstsicheres Grinsen lag auf den Lippen des jungen Mannes.
Er wirkte älter als er eigentlich war, viel älter.
Silber-graue Haare fielen ihm über die Schultern. Es war der typische Haarton, der die Zen -den Clan, der im letzten Krieg die Schattenwanderer der Apex vernichtend geschlagen hatte und nun ein hohes Ansehen in der Gesellschaft genoss- auszeichnete.Wieder einmal wurde er in seinen Überzeugungen bestätigt.
Er hatte die Bewohner dieses Landes schon lange aufgegeben. Menschen sowie Zwerge gleichermaßen. Sogar die glorreichen Zen und letzten verstreuten Apex. Sie alle waren in seinen Augen inzwischen nichts weiter als Figuren in dem Spiel, welches sich auf der gesamten Welt anzubahnen begann.
Es war unausweichlich.»Diese Krankheit breitet sich aus. Unsere Gesellschaft, fast vollständig durch ihre eigenen Vorurteile infiziert, die Stunde für Stunde ihre Herzen verhärten. Ihre Grausamkeit kennt keine Grenzen und sie beginnen schon damit andere Wesensgruppen in Konflikte hineinzuziehen, die diese nichts angehen. Dieses Land ist verdorben, es braucht einen Umschwung und wir werden diejenigen sein, die diesen herbeiführen.«
Schmunzelnd zog sich der groß gewachsene Mann seinen Hut tiefer ins Gesicht.
Fast schon flüsternd kamen die Worte über seine dunkelgeschminkten Lippen: „Auch wenn ich selbst zum Monster werden muss, wird letztendlich jeder glücklich sein. Für den Frieden der Gesamtheit.
Ich hoffe du erfüllst meine Erwartungen, Auron, ich setze große Stücke auf dich.
Lass das Spiel beginnen."Er zog seinen knöchellangen Mantel enger um seinen Körper, ehe er selbst ebenfalls seinen Weg fortsetzte.
•••
Die Zeit tickte in seinen Ohren, denn selbst die trügerische Stille, die ihn zuvor noch heimgesucht hatte, hatte dem regen Treiben des Hafens nichts entgegenzusetzen.
Kisten die umhergeschleppt wurden, die Rufe der Seemänner und vieles mehr, was er nicht einmal mehr wirklich auseinanderhalten, geschweige denn alles identifizieren konnte, drangen an sein Ohr.
Das hellblaue Wasser reflektierte das Licht in seinem Augenwinkel. Weiße Steine, auf denen man trotz ihrer Farbe kaum den Dreck sah, waren in den Boden eingelassen.
Tücher in verschiedenen Farben waren über die Wege gespannt, einige gingen sogar ein Stück ins Meer hinaus und endeten erst an einem aus dem Wasser ragenden Holzpfahl.
Stege aus dunklem Holz bildeten ein Netzwerk an Wegen, zwischen denen die prachtvollen Schiffe der Händler standen.Kurz war Auron selbst erstarrt von dem Anblick der sich ihm bot. Doch schnell hatte er sich wieder gefangen. Die Zeit lief ihm davon.
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Der Orden der Streuner
Fantasy»Diese Krankheit breitet sich aus. Unsere Gesellschaft, fast vollständig durch ihre eigenen Vorurteile infiziert, die Stunde für Stunde ihre Herzen verhärten.« Tyrannei, Vorurteile, Verrat, kalte Distanz und mittendrin Auron, der Sohn zweier -zu Tod...