10. August X742
17:15 Uhr„Was tun sie, Mister?"
Große Augen starrten den jungen Mann an.Er hob seinen Hut mit zwei Fingern an, sodass er freie Sicht auf das blonde Mädchen vor sich hatte.
Das Ruckeln des Zuges warf ihren Körper leicht hin und her.„Was meinst du, Kleine?"
Er hob eine Augenbraue.„Naja, wir hatten letztens in der Schule, dass es viele Gese..."
Sie formte tonlos Worte, so als würde sie überlegen, wie man es aussprach.
„Gesellschaftsschichten gibt und Papa sagte, dass die ganz wichtig sind."„Ich sorge dafür, dass schlechte Personen hinfort gehen.", antwortete er kurz. Seine bernsteinfarbigen Augen blitzen kurz aufgeregt auf. Er dachte daran, dass Thanda sich bereits um alles gekümmert haben musste, wenn er im inneren Teil von Delphi ankommen würde.
„Also bist du Soldat, oder?"
Offensichtlich von seiner eher ausweichenden Antwort verwirrt, zog sie die Augenbrauen zusammen.„So etwas in der Art."
Macbeth blieb lieber für sich.
Aufgrund der Neugier eines Kindes, wollte er sich keine Fehler erlauben, außerdem würde er sowieso gleich aussteigen. Die gesamte Fahrt vom Hafen aus in die Innenstadt dauerte nur ungefähr sechs Minuten.Er leckte sich einmal über die dunkelblau geschminkten Lippen, ließ seinen Hut zurück über seine Stirn rutschen und richtete das Jackett, das er trug.
„Oh, das ist toll! Bist du vielleicht sogar Samurai?"
Die blauen Augen wurden größer.Macbeth fuhr sich einmal durch sein Haar und entknotete dadurch eine der silbernen Strähnen, während er nervös auflachte.
„Nein, nein, ich bin keiner der Samurai. Das ist dann doch schon etwas zu viel, aber... wo du so Stolz von deinem Papa redest, kann ich an der Stelle ja sagen, dass meine Mutter Samurai war."Bevor sie weiter darauf eingehen konnte, unterbrach ein Mann in blauer Kleidung das Gespräch, indem er durch die Gänge lief und den nächsten Bahnhof ankündigte.
Etwas zu ruckartig erhob sich Macbeth, legte eine Hand auf seine Brust und deutete eine leichte Verbeugung an.
„War schön mit dir geredet zu haben. Schönen Tag noch."Er redete zwar gerne über seine Mutter und war auch stolz auf alles, was sie je für ihn getan hatte, doch nahm er ihr ihr plötzliches Verschwinden noch immer übel. Zumal er vor einiger Zeit erfuhr, dass sie noch am Leben war.
•••
Ruhig blickte er auf das Geschehen vor ihm. Er war sogar in die Hocke gegangen, um in etwa auf einer Augenhöhe zu sein.
Thanda stand daneben und hielt seinen Mantel, er war ebenfalls herzlich wenig von der Szene vor ihm angetan.
Gut, für ihn war es nichts besonderes. Menschen standen für gewöhnlich auf der Speisekarte eines Teran's ; und Thanda war nunmal ein vollblütiger Echsenmensch.Zwar war seine Anatomie, der der Menschen sehr ähnlich, doch war seine Haut von fast schon durchsichtigen, dünnen Schuppen bedeckt, deren grüne Farbe erst durch die Strahlen der Sonne sichtbar wurde.
Sein hin und her peitschender Schwanz erinnerte an den einer Klapperschlange und machte auch Geräusche, die sich leicht mit einer solchen identifizieren ließen.Ein schreckliches Gekrächze, dass sich verdächtig nach misslungenen Hilferufen anhörte, hallte von den kalten Wänden des Zimmers wieder.
Der menschliche Körper am Boden wand sich vor Schmerzen, während er unkontrollierbaren Zuckungen erlag.
Die Blutunterlaufenen Augen der Frau quollen hervor, während sie sich röchelnd die Kehle hielt; die Haut war vereinzelt blau und lila angelaufen.
Ihre Beine stemmten sich immer mal wieder gegen den Boden, hoben ihren Körper leicht an, ehe sie zurück auf die Holzdielen rutschte.
An der Stelle, an der ihr Mageninhalt und ihr Speichel ihren Mundwinkel entlang auf den Teppich gelaufen waren, bildete sich bereits ein Fleck, der einen strengen Geruch in die Umgebung sandte.
Ihre bereits Strähnenweise ergrauten Haare waren von der ständigen Kopfbewegung verknotet.Macbeth seufzte. Wenn Thanda es nicht besser gewusst hätte, würde er glauben, fast schon bedauern aus der Stimme seines Freundes herauszuhören.
„Beende ruhig ihr Leid."
Er erhob sich, nahm dem Teran seinen Mantel ab und verließ den Raum.
Das einzige was dort noch widerhallte, war das leise Schmatzen, als Thanda damit begann die Leiche zu vernichten.Kurz vor der allgemeinen Eingangstür zögerte Macbeth - seine Hand lag bereits auf der Klinke.
„Du."Haare, die an flüssiges Gold erinnerten fielen in Wellen über die Schultern einer bekannten Gestalt. Die blauen Augen waren kurzzeitig geschlossen, als Licht abwehrend die Hände hob.
„Was machst du hier?"
Macbeth drehte sich nun endgültig in seine Richtung.„Ich habe gehört, dass du hier bist. Darf ich jetzt schon gar nicht mehr nach meinem Patensohn sehen?"
Fast schon enttäuscht legte er den Kopf schief.„Ich dachte du wärst beschäftigt, so wie eigentlich immer.", antwortete der Silberhaarige bloß leicht bissig.
Ein warmer Ausdruck legte sich auf Lichts Züge. Er sah noch immer aus, wie vor Jahren schon.
„Bist du es denn nicht?"Macbeth wandte den Blick ab. Natürlich war er beschäftigt. In Zeiten wie diesen durfte man selten verschnaufen.
„Hm."
Der Ältere der Beiden wandte seinen Blick ab, richtete ihn auf die Uhr über der Eingangstür.
„Es ist traurig mitanzusehen, wie diese Welt einen jeden Menschen zu verändern vermag."Macbeth folgte seinem Blick und brummte kurz, ehe er antwortete:
„Zeit ist das Gift. Das solltest du besser als jeder Andere wissen."Licht lächelte nur traurig. Man konnte sehen, wie seine Augenwinkel herab fielen.
Er würde nicht weinen, aber sein Blick verriet schon alles.„Übrigens..."
Macbeth seufzte einmal und wandte sich dann Kopfschüttelnd wieder der Tür zu.
„Ich habe ihn getroffen."Er wurde Fragend angesehen.
„Wen?"„Na den Jungen von dem du mir damals die Ohren vollgeschwärmt hast.
Wenn ich mich nicht irre,..."
Er zog seinen Hut tiefer ins Gesicht und grinste leicht, „... dann sollte er gerade in der Stadt sein."Licht's Augen wurden groß und sein Ton mahnend.
„Was hast du getan Macbeth?"Dieser wank bloß ab, wobei die Enden des Schals mit der Kapuze, leicht hin und her schwangen.
„Es ist die Welt, die etwas getan hat. Ich bin unschuldig... diesmal."
Mit diesen Worten öffnete er schwungvoll die Tür und verließ das Einfamilienhaus, in dem er einen grübelnden Licht zurückließ.[999]
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Der Orden der Streuner
Fantasía»Diese Krankheit breitet sich aus. Unsere Gesellschaft, fast vollständig durch ihre eigenen Vorurteile infiziert, die Stunde für Stunde ihre Herzen verhärten.« Tyrannei, Vorurteile, Verrat, kalte Distanz und mittendrin Auron, der Sohn zweier -zu Tod...