4| Der eine, unerfüllte Wunsch

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16. August X724

Besitz erscheint in diesen Zeiten, wie der Schlüssel zum Glück.

Freudige Erwartungen werden dem Sieg über die Länder, außerhalb der Reichesgrenzen  entgegen gebracht.
Sehnsüchte des baldigen Wohlstandes, lassen die Erzählungen und Vorstellungen eines Krieges, wie einen Sommerurlaub klingen.

In meinen Augen sind die Überbringer dieser Gerüchte nicht mehr als unwissende Lackaffen.
Jegliche Form der Kriegsführung hat nichts ritterliches oder ehrenhaftes an sich. Dass sie dies mit der Vorstellung der Samurai leugnen, führt lediglich zu Irrglauben in den eigenen Reihen.
Das Grauen des Krieges wird sehr schnell alle Illusionen beseitigen. Zumindest bei jenen, die Nahe der Grenzen leben und spätestens dann, wenn sie die Gerippe ihrer Freunde und Familienmitglieder vor sich liegen haben.

Ich sollte in den nächsten Tagen die Hauptstadt erreicht haben. Das erste was ich dort tun werde, ist mir einen Plan der Hauptgebäude und Stadtmauern zu beschaffen. Ein Informant wartet Vorort auf meine Ankunft.
Wieder einmal hat sich gezeigt, wie käuflich einige Menschen sind, die glauben, in ihrem Besitz Freiheit und Glück zu finden.
Verabscheuungswürdige Kreaturen; Bereit ihre Treue für ein paar Münzen über Bord zu werfen.

Nemesis von Ephet,
als Mitglied der Vergessenen.

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10. August X742

Weiße Schwingen legten sich über die Welt und zerflossen wie Tinte; undurchlässig und deckend. Löschten jegliche Farben und Geräusche seiner Umwelt.
Eigentlich wurde weiß oft als Assoziation für das Licht, die Hoffnung oder alles was mit dem Leben zu tun hatte verwendet, doch in dieser Situation war es anders.

Leere, Verwirrung, das dumpfe Hämmern von Gedanken, die vergeblich seine Aufmerksamkeit ersuchten.

Man sagte oft, der Tod käme nachts, doch draußen strahlte noch immer die Himmelsscheibe -schien sich über seine Lage zu amüsieren- und der blaue Mond reflektierte ihr Licht ...
und dennoch drang nichts davon zu Auron durch.
Jegliche Eindrücke und Reize seiner Umwelt ließen ihn kalt.
Das einzige was er sah war die rote Lebensflüssigkeit, die sich über den Küchenboden verteilte. Kleine Rinnsale, den Flüssen der Umgebung ähnelnd, trennten sich von den tiefroten Pfützen, in die die umschlungenen Körper eingebettet waren.

Tränenspuren umspielten die Augen aus denen jeglicher Glanz verschwunden war.
Der Mund seiner Großmutter war weit aufgerissen; die Lachfalten seines Großvaters vollkommen verschwunden.

Es schien so, als wäre die Welt stehen geblieben, um ihm diesen Augenblick als Einzelbild vorzuhalten.
Seine Hände begannen zu zittern,
das kalte Nass bedeckte seinen Körper, dessen Farbe Sekunde für Sekunde erblasste.
Sein eigener Herzschlag hallte in seinen Ohren wieder.
Es war, als wäre der Himmel soeben entzwei gebrochen und über ihn gefallen.

»Nie mehr werde ich...«
»Sie werden nicht ...«
Sätze, die er nicht zu Ende führte, nahmen seine Gedanken ein und verschwanden genauso schnell wieder, wie sie gekommen waren.

»Wieso?«
»Wieso?!«
»WIESO?!«
»Wieso sie? Wieso sie und nicht ich?!«

Ein plötzlicher Druck machte sich in seiner Brust bemerkbar, erschwerte ihm das Atmen.
Es war ein Schmerz, wie er ihn noch nie zuvor gespürt hatte.
Er dachte, sein Brustkorb würde auseinandergerissen; als würde jemand Faser für Faser auf die langatmigste Art und Weise zertrennen, die ihm eingefallen war. Nein. Ein quetschen, bis die einzelnen Körperstrukturen dem Druck nicht mehr standhielten und von selbst auseinander gingen, wäre eine bessere Beschreibung.

Der Orden der Streuner  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt