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🎵 Everybody but me - Nick Wilson

MARK

Meine Hand liegt auf der Türklinke, aber ich drücke sie nicht herunter. Die harmonische Atmosphäre im Inneren des Raums strömt mir förmlich entgegen. Sie spiegelt das genaue Gegenteil meiner eigenen Stimmung wieder. An normalen Tagen hätte ich jetzt zu keiner Sekunde gezögert und säße wahrscheinlich auch schon längst mit einem Bier in der Hand daneben. Aber was ist schon noch normal. Im Moment frage ich mich, ob es überhaupt noch ein Normal gibt. Seufzend lasse ich meine Hand wieder sinken.

Die ganze Wut und der ganze Frust, die sich die letzten Tage in mir gesammelt haben, kommen in mir hoch. Am liebsten will ich alles einmal komplett herauslassen, herausschreien. Will mit aller Kraft gegen die Wand schlagen oder gar die Tür eintreten. Wahrscheinlich würde ich letzteres gerade sogar zustande bringen. Die Stimmen am anderen Ende der Wand hindern mich daran. Stattdessen balle ich meine Hände so fest zu Fäusten, dass sich meine Fingerknöchel deutlich hervorheben. Schnell entferne mich von der Tür.

Meine Beine tragen mich den Flur entlang, weit weg von allen Garderoben und Türen, hinter denen noch vereinzelt Mitarbeiter zu sehen sind. Ich merke wie jeder Schritt mühsamer wird. Irgendwann sind meine Beine so schwer, dass ich mich mit letzter Kraft auf den Boden sinken lasse. Erschöpft lehne ich meinen Kopf gegen die Wand, schließe die Augen und atme tief durch. Versuche zu ignorieren, dass mich gerade jeder beobachten kann.

Mir fällt kaum auf, dass ich meine Hände noch immer geballt halte. Erst als sich meine Finger langsam darin verkrampfen strecke ich sie wieder aus. Wie gerne würde ich jetzt irgendwas kaputt machen. Egal wie, egal was. Hauptsache kaputt. Stattdessen ist es nur die Wand hinter mir, gegen die ich meine flachen Hände schlage. Es ist nicht ansatzweise befriedigend.

Normal bin ich überhaupt nicht der Typ für Gefühlsausbrüche. Aber jetzt wäre der richtige Moment, um einmal alles herauszulassen. Ich muss meine Lippen fest aufeinander pressen, um nicht laut zu schreien. Atmen Mark, atmen.

Frustriert lehne ich mich nach hinten. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich jemals so hilflos gefühlt habe wie in diesem Augenblick.

Es passiert wirklich selten. Momente, in denen ich mich so fühle. Um ehrlich zu sein passiert es nie. Ich bin der Typ, der sein ganzes Leben unter Kontrolle hat. Der am besten direkt für jedes Problem eine Lösung parat hat. Es gibt nichts schlimmeres als Situationen nicht selbst im Griff zu haben. Aber genau das ist eingetreten und ich hasse es. Ich hasse es, weil ich nicht der bin, der die Situation kontrollieren kann. Und erst recht kann ich sie nicht lösen. Das kann nur sie.

Nur Steff. Ich fasse es nicht, dass ausgerechnet Steff gerade mein Leben dominiert. Wie absurd das klingt. Aber es ist so. Sie hat die Kontrolle. Ja verdammt, nur sie. Nur Steff. Hätte mir das vor einer Woche jemand gesagt, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt.

Das haben bisher nicht einmal meine Ex-Lebenspartnerinnen geschafft. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Tatsache gut finden soll oder nicht. Eher nicht. Um ehrlich zu sein ist es ziemlich beunruhigend.

Nichts um alles in der Welt hätte mich sonst vorher auf den Boden dieses Flurs gebracht. Erst jetzt werde ich mir meiner Situation bewusst. Gott, ich sitze gerade wirklich hier. Mitten auf dem Flur. Auf dem Flur eines Studios, in dem eine der größten Shows Deutschlands produziert wird. Auf dem mich reintheoretisch gerade jeder der über einhundert Mitarbeiter bei meinem Gefühlszusammenbruch beobachten kann. Währenddessen ich mir über ein einfaches "nein" meiner Kollegin Gedanken mache.

Und diese Kollegin - wobei das Wort Kollegin nicht die richtige Bezeichnung ist, Freundin, nein beste Freundin, trifft es eher - ist Steff. Alleine sie hat mich in diese absurde, unwirkliche Situation gebracht. Kopfschüttelnd entweicht mir ein Lachen. Es klingt nicht nur absurd, es ist absurd. Mark hast ein Problem. Ein verdammt großes.

Ich halt' dich fest - [Steff × Mark]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt