Das Ende einer Ära

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Das Paranormale war alltäglich. Träume waren wahrgeworden. 80 Prozent der Erdbevölkerung besaß irgendein Quirk. Superhelden standen im Rampenlicht. Brachten Ordnung in das Chaos. Izuku war auf dem Weg, der größte Superheld zu werden, den es je gegeben hatte. Doch dann kam alles anders, als er es sich je vorgestellt hatte.

Der Staub in der Luft erschwerte das Atmen. Verfinsterte den Himmel über der City. Izuku rannte durch die Straßen Tokios. Ein Labyrinth aus Trümmern und Autowracks. Die Großstadt schien ausgestorben. Dennoch gab es zwischen all den Ruinen und der Zerstörung noch Menschen, die auf Hilfe warteten. Eine unheimliche Stille lag zwischen den Gebäuden, die sich wie abgebrochene Zähne gespenstig gen Himmel streckten. Ab und zu war in der Ferne eine Polizeisirene oder ein Krankenwagen zu hören. Izuku war seit 48 Stunden auf den Beinen und völlig erschöpft.

Vorsichtig räumte er einige Steinbrocken vor einer Tiefgarage beiseite. „Hallo? Ist hier jemand?" Dunkelheit atmete ihm entgegen. Seine Stimme echote beklemmend. Hatte er da ein Husten gehört? Er schaltete die Taschenlampe an. Vorsichtig kletterte er weiter in die Schwärze. „Hallo?"

Jemand trat in den Schein der Lampe. Vor Schreck hätte er sie beinah fallen lassen. Eine Frau mit Kind. Restlos mit gräulichem Staub überzogen, sahen die zwei aus wie Zombies. „Geht es Ihnen gut?" Die Frau nickte. „Kommen Sie, ich bringe Sie hier heraus!" Zuerst half er dem Kleinen über die Trümmer zu klettern. „Alles wird gut", versuchte er ihn zu trösten.

Der Junge lächelte Izuku an. „Ich kenn dich. Du bist Deku von der U.A.!"

„Ja, stimmt genau!"

„Vielen Dank! Wir warten schon seit zwei Tagen auf Hilfe. Da drin ist noch jemand. Ein Mann, er ist eingeklemmt. Bitte hilf ihm!" Die Frau schlug sich die Hand vor den Mund, als sie das Ausmaß der Zerstörung erfasste. Als wäre eine überdimensionale Abrissbirne mehrmals durch das Herz der Stadt gerast.

„Das werde ich. Bitte gehen Sie sich Richtung Süden. Dort treffen Sie auf die nächsten Rettungskräfte", sagte er und kletterte wieder in die Tiefgarage.

„Hallo? Wo sind Sie?" Er lauschte in die Dunkelheit.

„Hilfe! Ich brauche Hilfe!"

Er folgte der Stimme. Versuchte zwischen Steinbrocken und Autowracks etwas zu erkennen. Der Mann hob die Hand. Schirmte sich gegen den plötzlichen hellen Lichtstahl ab. „Desutegoro! Bist du verletzt?"

„Ich glaube nicht. Aber mein Bein ist eingeklemmt und mein Quirk funktioniert nicht. Ich war dabei die Eingeschlossenen zu evakuieren, als eine erneute Erschütterung die Platte von der Decke stürzen ließ und mich einklemmte. Das war vor zwei Tagen, als der Schurken-Terror auf der ganzen Welt eskalierte. Seit dem sind alle meine Kräfte verschwunden. Was ist da nur geschehen?"

Izuku hob die Platte an und befreite ihn. „So genau weiß ich das auch nicht. Es muss ein Art Vergeltungsanschlag auf den Schurken-Terror gewesen sein. Vermutlich. Ein biologischer Kampfstoff wurde in der Atmosphäre ausgesetzt. Nahezu alle Quirks von Helden und Schurken wurden unwiederbringlich ausgelöscht. Ich bin einer der wenigen, die nicht betroffen sind. Aber niemand der älter als 18, 19 Jahre ist, wurde verschont. Hab ich gehört. Es gab auch Tote unter den Superhelden und Schurken. Jeder, der ein sehr spezielles Quirk besaß, hat es nicht überlebt." Helden wie Endeavor, Kamui Wood, und viele andere sind bei dem Anschlag auf ihre Spezialitäten gestorben. Es ist schrecklich. Die Welt, wie wir sie kannten, wurde in einem Tag ausgelöscht."

Seine Augen weiteten sich. „Oh mein Gott! Das... das darf einfach nicht sein! W... Wer ist für all das verantwortlich?"

„Niemand weiß das. Die Japaner geben den Amerikanern die Schuld. Die wiederum den Russen und die den Chinesen. Die sind davon überzeugt, dass das Ganze von Japan ausging. Niemand weiß, wie es jetzt weitergehen soll. Der Fuß scheint nicht gebrochen. Kannst du aufstehen?"

„Ja, das sollte gehen. Sind der Junge und seine Mutter in Sicherheit?"

„Ich konnte sie unverletzt befreien. Sind hier noch mehr Menschen?"

„Hier ist niemand mehr." Er stand auf und kletterte ins Freie. „Ich komme klar. Wie sieht es bei dir aus, Junge?" Er hörte die Sorge in seiner Stimme.

Izuku atmete tief durch. Er konnte sich jetzt keine Zweifel oder Schwächen erlauben. Er musste all den Schmerz tief in sich vergraben und zu dem Superhelden werden, den er schon immer sein wollte. „Alles bestens."

„Gut, dann solltest du dir das nächste Haus vornehmen."

Izuku suchte weiter nach Überlebenden. Doch meistens fand ich nur noch Leichen. Oder Leichenteile. Darunter auch immer wieder Helden. Er hatte sich so oft übergeben, dass er nur noch bittere Galle spuckte. Er markierte mit einer Sprühflasche die Häuser entsprechend für die Rettungstruppen. Erschöpft zwang er sich weiter. Irgendwann war er mental und körperlich so am Ende, dass er an einer Hauswand zusammensank und einfach liegen blieb. Außerstande, sich nur noch einen Schritt weiter zu bewegen. Es wurde bereits hell, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte.

„Deku? Alles klar mit dir? Wehe du krepierst hier!" Er konnte die Augen nicht öffnen, aber er erkannte Katsukis Stimme. „Wirst doch hier nicht einen auf scheiß sterbenden Schwan machen. Mann, wie nervig."

Er spürte, dass er hochgehoben wurde. Sein Kopf fiel kraftlos an Katsukis Brust.

„Wie kann man denn nur so verrückt sein und bis zur totalen Erschöpfung arbeiten. Willst du sterben, du idiotischer Super-Nerd? Ich bringe dich zur U.A.. Ich hab gehört, dort wurden ein provisorisches Hauptquartier und ein Lazarett eingerichtet." Seine Stimme klang wie aus weiter Ferne, aber er war selten so froh gewesen sie zu hören. Dann wurde er wieder in tiefste Dunkelheit gesogen.

Als er zu sich kam und die Augen aufschlug, lag er in seinem Zimmer im Wohnheim der U.A. Oberschule. Er hing an einem Tropf. Langsam setzte er sich auf.

„Ah, Dornröschen ist aufgewacht. Wird aber auch Zeit! Hab ja nicht ewig Lust hier den scheiß Babysitter zu spielen." Katsuki saß neben dem Bett auf einem Stuhl. Er sah ungewöhnlich blass und mager aus. Unter den Augen lagen dunkle Schatten.

„Kacchan, du bist zurück. Dann war das doch kein Traum?" Er entfernte die Nadel aus seinem Arm, schlug die Decke zur Seite und wollte aufstehen.

„Was wird das denn?" Katsuki stand auf und setzte sich auf das Bett. Drückte ihn unwirsch zurück auf die Matratze. „Du bleibst liegen! Du wärst beinahe vor Erschöpfung gestorben. Also halt die Füße still, du dämlicher Idiot!"

„Aber da draußen sind immer noch Menschen zu retten."

„Glaubst du tatsächlich, dass du in deinem Zustand für irgendjemanden eine Hilfe wärst? Du hast genug getan. Jetzt sind andere dran."

„Aber die Helden, sie sind alle..."

„Sie sind immer noch Helden, auch ohne ihre Quirks. Hab ein bisschen Vertrauen. Warst du nicht auch mal ein Held ohne Spezialität?"

Izuku gab seinen schwächlichen Widerstand auf und ließ sich zurück auf sein Kissen sinken. „Du hast mich gerettet. Danke Kacchan."

„Halt die Klappe, Deku! Glaub nicht, dass ich das noch mal mache." Seine granatroten Augen funkelten wütend.

„Wo warst du nur, die letzten Wochen?"

Katsuki senkte den Blick, gab aber keine Antwort.

In Izukus Augen sammelten sich Tränen, die er vergeblich versuchte wegzublinzeln. „Das mit Shoto tut mir so leid. Ich kann mir noch nicht mal ansatzweiße vorstellen, wie es dir geht. Aber ich bin immer für dich da, wenn du einen Freund zum Reden brauchst."

Katsuki sagte nichts.

„Ich weiß, das hilft dir jetzt nicht viel, da dein Schmerz gerade unerträglich sein muss, aber irgendwann wird es langsam besser werden." Katsuki zeigte immer noch keine Reaktion, also redete Izuku weiter. „Ich hatte mich so für euch zwei gefreut. Dich so glücklich zu sehen, hat mich sogar meine Eifersucht vergessen lassen." Er setzte sich wieder auf und griff nach der Hand seines Freundes. „Kacchan, ich bin für dich da."

Unvermittelt schlang Katsuki die Arme um ihn und vergrub sein Gesicht an seiner Schulter. Er spürte das Beben seines Körpers und wie stumme Tränen sein Shirt durchdrangen. Für einen Moment war er wie erstarrt. Überrascht von seiner Nähe. Doch dann legte er eine Hand auf seinen Rücken und fuhr beruhigend darüber. Nach einer Weile löste Katsuki sich von ihm.

„Es war die Schurkenliga. Sie sind schuld an Shotos Tod. Ich wollte sie umbringen. Einen nach dem anderen. Mich rächen, für das was sie Shoto, was sie mir angetan haben. Doch jetzt...", Katsuki schluckte und wischte sich die Tränen aus den Augen. „...jetzt hat diese Seuche sie fast alle getötet und mir selbst das genommen. Ich kann noch nicht mal mehr seinen Vater hassen, der schuld an Shotos Misere war, weil auch der gestorben ist. Sag mir Deku, was kann ich jetzt noch tun? Mein Leben hat jeglichen Sinn verloren."

Izuku wich erschüttert ein Stück zurück, so dass er ihm in die Augen sehen konnte. „Du wolltest zum Mörder werden? Kacchan, glaubst du wirklich, Shoto hätte das gewollt? So kannst du sein Andenken nicht ehren. Shoto war einer der Guten. Ein Held vom Grunde seines Herzens. Er hätte solche Taten verabscheut." Er zog ihn wieder in eine Umarmung. „Versprich mir, dass du diesen Plan aufgeben wirst. Da draußen sind Menschen in Sicherheit zu bringen. Todoroki hätte alles getan um sie zu retten. Wir werden sie gemeinsam für ihn retten, verstanden. Wir werden helfen, wo wir können."

Er spürte Katsukis Nicken und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er würde für seinen Kameraden da sein. Sein Licht in der Dunkelheit. Seine Orientierung. Er würde ihm den Halt zurückgeben, den er verloren hatte. Das Leuchten in seine Augen zurückbringen. Er würde die Finsternis von seinem Herzen fernhalten. Verhindern, dass sie sich in ihm manifestierte und ihn vergiftete. Ein Freund sein, wenn er einen brauchte und er würde ihn heimlich lieben, wie er es schon immer getan hatte.

MY HERO IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt