Bescherung

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Sie führten ein langes Gespräch. Katsuki war völlig verwirrt und am Boden. Kam mit seinen Gefühlen nicht zurecht. Wirkte geradezu verängstigt. Izuku hörte ihm tapfer zu. Natürlich verstand er Kacchan, doch brannte auch seine Seele. Sein Herz hing an Shoto, hatte er erklärt. Es kam ihm vor, als würde er Shoto verraten. Aber dennoch hatte er diese Gefühle für ihn. Und er konnte sie nicht mehr länger verleugnen. Er gestand Izuku, dass es ihm wie Schicksal vorgekommen war, als er ihn vor Monaten auf der Straße gefunden hatte. Er hatte an jenem Tag dran gedacht sein Leben zu beenden. Doch dann war da jemand, der seine Hilfe brauchte. Jemand, den er nicht einfach ignorieren konnte. Es war etwas, dass er machen musste. Ein winziger Sinn im Leben, der in dem Moment kam, als er keinen mehr hatte.

Katsukis Zerrissenheit griff auf Izuku über und er fühlte sich schlechter denn je. Nicht alleine deswegen, weil sein Freund litt wie ein Hund. Er war irgendwie schuld an der Misere und konnte ihm noch nicht mal helfen.

Am Ende waren sie sich einig. Sie wollten sich eine Weile nicht sehen, um Klarheit in all die inneren Verwirrungen zu bringen. Erst an Weihnachten wollten sie sich bei Katsuki wieder treffen.

Es waren noch nicht einmal 14 Tage, aber jetzt wo Deku wusste, dass Kacchan etwas für ihn empfand, kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Izuku hatte sich verboten zu hoffen, doch das war einfach unmöglich. Er liebte ihn doch schon so lange. Aber was, wenn sich sein Freund gegen ihn entschied, weil er sich nicht bereit fühlte für eine neue Beziehung? Oder ihn doch nicht genug liebte. Das war wahrscheinlicher als alles andere. Die Gedanken kreisten und immer wieder kam er zu dem Entschluss, dass Kacchan noch nicht soweit war. Und wer wusste, ob er es je sein würde. Er saß auf dem Boden. Mit dem Rücken gegen sein Bett gelehnt. Die Beine an die Brust gezogen. Die Arme um die Knie geschlungen, wippte er hin und her. Sein Herz schien zu brennen. Das Atmen fiel ihm schwer. Er hielt es keinen Tag länger aus, aber wenn es Zeit war, die Kacchan brauchte, dann würde er sie ihm geben. Denn vor allem andern war Katsuki auch sein bester und ältester Freund. Und das durfte er nicht aufs Spiel setzten.

Weihnachten rückte näher. Und Izuku fragte sich, ob er Kacchan etwas schenken sollte. Sicher war er nicht der Typ, der unterm Weihnachtsbaum bunte Geschenkpäckchen auspackte und ‚Stille Nacht' sang. Aber etwas wollte er ihm geben. Schließlich war Weihnachten. Es sollt etwas sein, das sie verband. Nur was?

Izukus Mutter musste arbeiten, aber sie hatte für Katsuki noch eine Schachtel seiner Lieblingskekse gebacken, die jetzt im Rucksack steckten. Wie vor Wochen stand er wieder bebend und mit rasendem Herzen vor der Haustür und musste all seinen Mut zusammennehmen, um zu klingeln. Blut rauschte in seinen Ohren. Schluckte das Geräusch der Klingel. Katsuki öffnete die Tür, doch Deku sah ihn nicht an. Blickte ängstlich auf den Boden. Was, wenn jetzt all seine Hoffnung starb? Sein Freund griff wieder um sein Handgelenk, doch diesmal ganz vorsichtig, als würde er befürchten es zu brechen. Sachte zog er ihn über die Schwelle und schloss die Tür hinter ihnen. Izuku blickte immer noch nicht auf. Sein Herz überschlug sich. Wie hatte sich Katsuki entschieden? Gab es Hoffnung für sie? Oder würde sein Herz erneut in Stücke brechen? Er konnte nicht verhindern, dass er zitterte.

„Hey Deku, sieh mich an! Bitte." Seine Stimme war ein gerauntes Flüstern.

Kaum merklich schüttelte er den Kopf. Er hörte, wie Kacchan tief durchatmete. Dann legte er einen Finger unter sein Kinn und zwang ihn mit achtsamer Gewalt ihn anzusehen. Katsukis Züge waren weicher. Die Panik, die sich in Izukus Blick spiegelte, wich. Plötzlich, ohne Vorwarnung, küsste Katsuki ihn. So sanft und liebevoll, wie es Izuku seinem Freund gar nicht zugetraut hätte. Wie selbstverständlich öffnete er ein wenig den Mund und ihre Zungen berührten sich in einem liebkosenden Spiel. Dann löste sich Katsuki von ihm. Auf Izukus Wangen lag ein leichtes Rot, während sein Herz Purzelbäume schlug.

„Das hätte unser erster Kuss sein sollen", meinte er stirnrunzelnd und Tränen glitzerten in seinen Augen, die er schnell wegblinzelte. Dann schlang Katsuki die Arme um ihn und wollte ihn nicht mehr loslassen. „Ich hab dich vermisst", flüsterte er in sein Ohr.

„Ich hab dich auch vermisst, Kacchan." Sein Herz versetzte ihm vor Freude Stiche und seine Knie hätten nachgegeben, hätte er ihn nicht gehalten.

Er strich ihm über sein grünes Haar. „Komm erst mal rein!"

Izuku zog Schuhe und Jacke aus. Er hatte sein neues hellblaues Hoody angezogen und seine neuen grauen Jeans. Jetzt erst fiel ihm auf, das Katsuki ein hautenges dunkelblaues Shirt trug, das jeden seiner Muskeln abbildete. Darüber ein weißes Hemd mit roten und blauen Streifen, das ihm irre gut stand.

„Wollen wir uns einen Film ansehen?"

„Einen Weihnachtsfilm?", fragte er schüchtern. Bemüht seine Stimme nicht beben zu lassen. Sein Herz schlug im immer noch bis zum Hals, und er hatte das unbestimmte Gefühl, etwas würde ihm die Sprache rauben.

„Du machst Witze."

Sie setzten sich aufs Sofa und Katsuki griff nach der Fernbedienung. Auf dem Tisch lag ein SD-Film-Cover. Ein Klassiker aus einem anderen Zeitalter, würde Kacchan sagen - Kill Bill.

Anstatt den Fernseher anzuschalten, wandt er sich Izuku zu. „Mir ist etwas klar geworden. Man kann mehr als einen Menschen lieben. Ich liebe Shoto immer noch und das wird auch so bleiben. Dennoch habe ich mich in dich verliebt. Sein letzter Wunsch war, dass ich weitermache. Eine neue Liebe finde und ein schönes Leben führe. Und wenn er wüsste, dass du meine neue Liebe bist, würde er sich für uns freuen. Er mochte dich sehr, Deku. Und wahrscheinlich würde er sagen: Endlich haben sich die Zwei gefunden. Die haben sowieso schon immer irgendwie zusammengehört. Und er würde sagen: Der Typ ist ein guter Mensch, dem nicht nur dein Wohl am Herzen liegt, Katsuki. Also streng dich an. - Oh, und ich hab etwas für dich." Er grinste. „Sieh's als Weihnachtsgeschenk an." Er griff in seine Hosentasche und zog einen kleinen Zettel heraus.

Er nahm ihn. „Was ist das?"

„Meine Handynummer."

Augenblicklich rollten Tränen über sein Gesicht. Er presste den Zettel an seine Brust, als wäre es der größte Schatz. „Danke", schniefte er. „Ich habe auch etwas für dich." Er angelte nach seinem Rucksack. „Die hier soll ich dir von meiner Mutter geben. Sie wünscht dir eine frohe Weihnacht."

„Danke. Deine Mutter weiß von uns?"

Izuku nickte.

„Und es ist okay für sie?"

Nichtssagend zuckte er mit den Schultern. „Naja, wenn du nicht vor hast, mir das Herz zu brechen..."

„Ich habe vor dich glücklich zu machen, mein kleiner Superheld."

Ein Schauer lief ihm über seinen Rücken, hatte Kacchan das wirklich gesagt? Die Welt begann sich viel zu schnell zu drehen. Ihm schwindelte. Für einen Moment starrte er ihn hilflos an. Verlegen schluckte Izuku. „I... Ich hab noch was für dich. Es ist nichts Besonderes. Es ist noch nicht mal was Neues. Und verpackt habe ich es auch nicht." Er zog das Shogi aus dem Rucksack, das sie immer zusammen an der U.A. gespielt hatten.

Mit großen Augen sah Katsuki ihn an. „Du schenkst mir dein Shogi?"

„Du hast so oft gewonnen, es gehört quasi schon dir."

„Danke", sagte er und gab Izuku einen langen zärtlichen Kuss.

„Oh, da habe ich noch etwas für dich." Er griff in die Hosentasche. Zog ein Lederband heraus, an dessen Ende ein Haifischzahn hing. „Im Grunde ist es kein Geschenk, denn eigentlich hast du mir den Zahn mal geliehen. Kannst du dich noch erinnern? Als wir Kinder waren, hatten wir einen Ausflug an den Strand gemacht. Du hast ihn im Sand gefunden. Ich habe den ganzen restlichen Tag nach einem Zweiten gesucht, aber keinen entdeckt. Weil ich so traurig war, hast du gesagt, dass du mir ihn leihst, bis wir einen für mich finden würden. Ich hab einen Anhänger daraus machen lassen."

Er legte ihn in Katsukis Hand und der sah ihn stirnrunzelnd an. „Irgendwie hatte ich den größer in Erinnerung. Vielleicht lag es auch daran, dass wir noch so klein waren. Du hast den die ganze Zeit aufbewahrt?"

„Natürlich, er war von meinem besten Freund und ein großer Schatz. Und ich wusste, es würde der Tag kommen, an dem ich ihn dir zurückgeben kann. Jetzt musst du auf ihn aufpassen."

Kacchan nickte und legte das Schmuckstück an.

MY HERO IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt