Kapitel 11

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Lilian

Die Situation zu beschreiben war schwer. Ich stand in der Küche und kochte Nudeln, während Kayla an der Theke saß und sich mit mir unterhielt. Ihr Redeanteil lag dabei allerdings bei 90%. Wenn ich nicht immer das Gefühl gehabt hätte Kayla würde mich hassen, könnte das hier schon fast wie bei Harper und mir sein. Das machte mir Angst, schließlich war ich eine nette Kayla nicht gewohnt. Wir hatten uns schon auf der Autofahrt geeinigt, dass wir erst noch essen und dann mit dem Projekt anfangen würden. Eine Frage lag mir schon die ganze Zeit auf der Zunge, aber ich traute mich nicht, sie zu fragen.

Mein klingelndes Handy riss mich aus meinen Gedanken und als ich auf dem Display sah, wer da anrief, konnte ich ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Pünktlich wie immer", begrüßte ich meine beste Freundin am anderen Ende. Selbst heute rief sie an, obwohl sie wusste, dass Kayla da war. „Hör zu, wenn das mit Kayla zu schlimm wird brauchst du nur anrufen oder schreiben, dann denke ich mir irgendwas aus um dich zu retten", als Harper das so sagte konnte ich nicht anders als zu kichern, was mir einen seltsamen Blick von Kayla einbrachte. Ich redete nur noch ganz kurz mit Harper und wimmelte sie dann ab, weil das Essen fertig war.

Während Kayla und ich aßen redete keiner von uns, aber als ich dann die Spülmaschine einräumte konnte ich nicht mehr anders, als sie endlich zu fragen. „Ich bin auf das hier nur eingegangen, weil wir einen Deal hatten. Jetzt bist du dran, was für ein Problem hast du mit mir." Kayla schaute mich einige Sekunden lang an, bevor sie anfing: „Ich habe kein Problem mit dir." Ich hatte ja mit allem möglichen gerechnet, aber ganz sicher nicht damit. „Und warum verhältst du dich mir gegenüber dann so?", platze es aus mir heraus, etwas lauter als beabsichtigt. Kayla zuckte bloß mit den Schultern: „Das ist wohl einfach meine Art. Manche kommen damit klar, andere nicht. Damit habe ich mich abgefunden. Klar weiß ich, wie unangenehm das für andere sein kann, aber so fühle ich mich sicherer und generell wohl. Ich bin früher oft umgezogen und da hat sich das so entwickelt, wenn man immer wieder Freunde verliert und neue finden muss." Ich hatte irgendwie gehofft, es gäbe einen Grund aber so eine ehrliche und menschliche Antwort hatte ich absolut nicht erwartet.  Für mich war das Thema damit gegessen. Auch wenn uns das Thema irgendwie verband, würden wir uns sicher trotzdem nicht anfreunden.

„Okay, das reicht mir. Dann können wir ja jetzt mit dem Projekt anfangen. Ich möchte schließlich auch eine gute Note." Meine Schüchternheit hatte ich für einen kleinen Augenblick vergessen, vielleicht weil ich so wütend war. Jedenfalls brachte allein der Gedanke daran, vor dem gesamten Kurs singen zu müssen, meine gesamte Schüchternheit zurück und ich räusperte mich. „Also..., du kannst gerne das Singen übernehmen", schlug ich vor, doch Kayla erinnerte mich keine Sekunde später mit ihrer rauen Art daran, dass es ein. Duett sein musste. Ja, ich war die Königin der Verdrängung.

„Da du ja nicht die größte Rednerin bist, fange ich einfach mal an", erwiderte Kayla bloß auf mein Schwiegen, „mir ist egal, was für ein Song das wird. Hauptsache wir bekommen eine gute Note. Da wir morgen allerdings schon eine Idee präsentieren sollen, wäre es gut, wenn wir uns da schon einigen könnten. Ich muss aber gestehen mir fällt so spontan kein Thema ein." Ich nickte bloß, klang schließlich logisch. Meine Lust mit Kayla einen Love Song zu schreiben, was mir ja eigentlich am einfachsten fiel, war allerdings sehr gering. Ich hatte allerdings schon eine andere Idee. „Wir könnten ja vielleicht was über verlorene Freundschaften oder so schreiben", schlug ich vorsichtig vor und erklärte dann, „ich bin ja auch schon mal umgezogen, dann passt das zu uns beiden." Nachdem ich meinen Vorschlag gemacht hatte, bereute ich es schon wieder und wartete nur auf eine miese Reaktion von Kayla. Die blieb allerdings aus. „Warum nicht, ist gar keine schlechte Idee", Kayla zuckte mit den Schultern.

Die nächsten Stunden verbrachten wir dann damit uns erstmal eine grobe Melodie zu überlegen und wenigstens schon einen Refrain zu schreiben. So hätten wir morgen dann auf jeden Fall etwas, dass wir präsentieren können. Als ich sah wie spät es schon war, unterbrach ich Kayla. „ich muss gleich meine Mutter vom Flughafen abholen, wenn du magst kann ich dich schnell vorher zuhause absetzen, dann musst du nicht den Bus nehmen. Kayla nahm das Angebot dankend an. Der Nachmittag war definitiv nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte. Wir waren wirklich produktiv und das war die Hauptsache. Trotzdem unterhielten wir uns nicht mehr als notwendig. Wie gesagt, wir werden sicher keine Freunde.

Mum und ich saßen auf der Couch und genossen unsere Asianudeln. Schon auf der Autofahrt hatten wir uns aufs Essen bestellen geeinigt, schließlich gab es ganz viel zu erzählen, da hatte keiner wirklich Lust zu kochen. Meine Mum schwärmte von New York und ich hatte das Gefühl, es lag nicht nur an der Stadt, aber so tief ich auch bohrte, ich bekam nichts aus ihr raus. Selbst als ich ihr drohte nichts von meinem Date zu erzählen, schwieg sie wie ein Grab. Entweder ich bildete mir hier etwas ein, was es gar nicht gab oder meine Mutter hatte wirklich jemanden kennen gelernt und wollte das unter allen Umständen geheim halten. Natürlich machte ich meine Drohung nicht ernst, sondern erzählte ihr alles über mein Date mit Caleb und schwärmte immer noch genauso davon, wie Mittwoch.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht schlief ich ein, denn Caleb hatte mir, wie gestern auch, eine Gute-Nacht-Nachricht geschickt.

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