Kapitel 7

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Lilian

Es war früh. Sehr früh. Um noch genauer zu sein, viel zu früh für einen Sonntagmorgen. Meine beste Freundin schlief noch seelenruhig neben mir, aber ich war vor einer halben Stunde einfach so aufgewacht und konnte jetzt nicht wieder einschlafen. Langsam bekam ich Langeweile, mein Instagram schlug teilte mir mit, dass ich alle neuen Beiträge gesehen hatte und eine Serie schauen konnte ich auch nicht, da ich Harper nicht wecken wollte. Meine Kopfhörer waren in meiner Jacke, die unten an der Garderobe hing, also war das auch keine wirkliche Option für mich. Deshalb lag ich einfach in meinem Bett, ohne irgendetwas zu tun. Als es mir irgendwann doch zu viel wurde, entschied ich mich Harper jetzt einfach zu wecken. Meine beste Freundin murrte nur kurz und drehte sich dann einfach auf die andere Seite um weiterzuschlafen. Ich wusste haargenau, dass ich mir von Harper den ganzen Tag Gequengel anhören durfte, wenn ich sie jetzt nicht schlafen lies. War auch verständlich, immerhin war es gerade mal sieben Uhr und das Sonntags.

Da ich diese Langeweile allerdings nicht mehr länger ertragen konnte, entschied ich mich kurzfristig laufen zu gehen. Eigentlich war ich kein sportliebender Mensch, surfen ausgenommen, aber in letzter Zeit war ich erstaunlicherweise sogar motiviert, etwas zu tun. Ich kroch also unter der Bettdecke hervor, schnappte mir ein paar Sportklamotten und ging ins Bad, um mich umzuziehen und machte mir dann einen Zopf. Unten im Flur holte ich noch meine Kopfhörer aus meiner Jeansjacke und schnappte mir den Haustürschlüssel, der immer in der Schale auf dem kleinen Schränkchen lag. Draußen war es angenehm warm und die Sonne war gerade aufgegangen. Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren, startetet meine Playlist und mein Workout, dann lief ich los.

Ich hatte das Joggen erst vor kurzem für mich entdeckt, aber ich genoss es sehr. Es gefiel mir, dass ich mich ganz auf mich konzentrieren konnte und irgendwie fühlte ich mich während ich joggte vollkommen frei. Die Stille tat wirklich gut, genauso wie die frische Luft. Da ich noch nicht allzu trainiert war und generell kaum Ausdauer hatte, hatte ich mich für eine eher kurze Strecke von fünf Kilometern entschieden. Wenn ich zwischendurch nicht mehr konnte, lief ich einfach ein kurzes Stückchen langsamer, auch wenn ich mir dabei manchmal etwas dämlich vorkam.

Als ich nach Hause kam, duftete es wunderbar nach Pancakes. Meine Mutter war inzwischen also auch schon wach und stand am Herd. Auch wenn ich eigentlich ziemlich fertig war, sprintete ich die Treppe hoch und sprang unter die Dusche, schließlich wollte ich die Pancakes ja warm essen. Nach dem Duschen schlüpfte ich in eine Leggings und einen Oversized-Pulli. In meinem Zimmer warf ich mich einfach so auf Harper drauf, die inzwischen nicht mehr schlief, sondern mit ihrem Handy beschäftigt war. Manchmal war ich ein echt hyperaktiver Mensch, aber nur bei den Menschen, denen ich wirklich vertraute. Eigentlich waren das nur meine Mutter und Harper. Als ich mit meinem vollen Gewicht auf Harper landete schrie sie kurz. „Bist du verrückt?", fragte sie und versuchte dabei sauer auszusehen, aber da ich schon längst einen Lachanfall hatte, konnte sie sich auch nicht lange zurückhalten und fing ebenfalls an zu lachen. „Es gibt Früüüühstück", rief ich und zog das ü dabei extra lang. Harper meinte darauf hin kopfschüttelnd, aber immer noch lachend: „Willst du jetzt auch noch mein Trommelfell zum Platzen bringen?" Ich zuckte bloß mit den Schultern und zog Harper aus dem Bett. Wenig später saßen wir dann beim Frühstück.

„Ich bin ab morgen bis Donnerstag auf Geschäftsreise in New York, das heißt, du wärst dann alleine zuhause. Mein Flieger geht um halb fünf nachmittags, wenn du mich zum Flughafen bringst, kannst du das Auto für die Zeit haben", informierte meine Mum mich. Ich nickte bloß, während ich genüsslich meinen Pancake kaute. „Uh, ich glaube du wirst mich die nächsten Tage nicht los Schätzchen", lachte Harper zwischen zwei Bissen. Wir frühstückten zu Ende und redeten dann noch ein bisschen mit meiner Mum. Ich war echt froh, dass unsere Beziehung so gut war. Mir war durchaus bewusst, dass das keine Selbstverständlichkeit war.

Harper und ich gingen dann irgendwann wieder hoch und setzten uns mit meinem Laptop auf meine Couch. Meine beste Freundin öffnete gerade Pinterest, als ich ganz laut „Oh mein Gott" schrie. Harper zuckte heftig zusammen und fast wäre mein Laptop auf den Boden gefallen, aber sie hielt ihn gerade noch so fest. Da ich keine Anstalten machte, meine Geschreie zu begründen, riss Harper mir kurzerhand einfach mein Handy aus der Hand, dass der Auslöser war. „NICHT. DEIN. ERNST." Harper war kurz sprachlos und dann sprang sie auf und tanzte durch mein Zimmer, während sie sang „Caleb Summers hat dir eine Guten-Morgen-Nachricht geschrieben". Ich brauchte wohl kaum zu erwähnen, dass ich eh schon für ihn schwärmte und ausgeflippt war, als er mich auf ein Date eingeladen hatte. Diese Guten-Morgen-Nachricht toppte das Ganze nochmal für mich, schließlich war unser Date noch gar nicht gewesen. Ich löste mich aus meiner Schockstarre, als Harper mich hochzog und wir jetzt beide durch mein Zimmer tanzten.

Wir durften so echt nicht in der Öffentlichkeit gesehen werden, man würde uns glatt für verrückt erklären und einweisen lassen. Das bestätigte auch meiner Mutter, als sie wenig später, durch meinen Schrei aufgeschreckt in der Tür stand. Sie schüttelte bloß lächelnd den Kopf und murmelte ein: „ihr seid verrückt", bevor sie wieder ging. Man durfte nicht vergessen, sie war uns so gewohnt und fand uns trotzdem noch verrückt.

Nachdem wir uns einigermaßen beruhigt hatten, analysierten Harper und ich die Nachricht und alle Antwortmöglichkeiten, bevor ich ihm letztendlich zurückschrieb. Dann legte ich allerdings mein Handy weg, da Harper und ich uns eigentlich ein Projekt vorgenommen hatten, dass in die Tat umgesetzt werden wollte. Also entsperrte Harper wieder meinen Laptop, auf dem Pinterest ja noch geöffnet war und die nächsten vier Stunden verbrachten wir damit, nach Zimmer-Inspos und Deko zu suchen. Meine Mutter brachte uns zwischendurch Saft und ein paar Snacks, was für uns eine kurze Pause bedeutete, aber sonst ließen wir uns nicht unterbrechen. Um halb drei verabschiedete Harper sich dann, nachdem wir einiges bestellt und geklärt hatten, dass wir nächstes Wochenende dem Room-Makeover von Harpers Zimmer widmen würden. Natürlich erst nach meinem Date mit Caleb.

Den Rest des Tages verbrachte ich mit meiner Mum vor dem Fernseher. Zwischendurch schrieb ich ein bisschen mit Caleb und konnte es immer noch nicht glauben, dass ich mich das traute, obwohl Harper nicht dabei war. Jedenfalls hatte er nochmal gemeint, dass das Surfen gestern echt gut war und dass wir das unbedingt nochmal machen mussten. Meine Mutter merkte natürlich auch, dass ich dauernd wenn ich auf mein Handy starrte wie ein Honigkuchenpferd strahlte, aber sie sprach mich nicht drauf an. Während meine Mutter sich um den Nudelauflauf kümmerte, den es gleich zum Abendessen geben sollte, telefonierte ich mit Harper und erzählte ihr natürlich noch von meinem restlichen Chat mit Caleb.

Kurz bevor ich schlafen ging, rief ich meine beste Freundin nochmal an, denn ich wusste ganz genau, dass sie mich umbringen würde, wenn sie erst morgen erfuhr, dass ich eine Gute-Nacht-Nachricht von Caleb bekommen hatte. 

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