Kapitel 15

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Lilian

Ich wurde unsanft durch die Hand meiner besten Freundin geweckt, die mir einfach so ins Gesicht schlug. Noch im Halbschlaf griff ich nach meinem Handy und checkte, ob ich Nachrichten bekommen hatte. Auch wenn das eine Seltenheit war, vor allem wenn die einzige Person mit der ich wirklich schrieb leise schnarchend neben mir lag. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich nur geträumt hatte, das Hunters Familie in die Stadt gezogen war. Als ich allerdings aufstand, um mein Fenster zu öffnen stand da unten vor dem Nachbarhaus wirklich ein Umzugswagen. Kein Traum also, schlussfolgerte ich höchst intelligent, wie sonst auch. Da Harper nicht so aussah, als würde sie bald aufwachen, schnappte ich mir mein Handy und lief die Treppen runter in die Küche. Meine Mutter saß schon, Kopfhörer in den Ohren, hellwach und fertiggemacht an der Theke. Vor ihr ihr Laptop. Vermutlich arbeitete sie mal wieder. Als ich mich neben sie auf den Hocker fallen ließ zuckte sie kurz zusammen. „Ich muss aufhören. Bis dann", verabschiedete meine Mutter sich kurz darauf. Sie hatte also telefoniert. Kurz darauf klappte sie auch ihren Laptop zu.

„Guten Morgen Schatz, soll ich Frühstück machen?" Ich musste nicht lange überlegen. „Oh ja bitte, ich gehe Harper wecken." Heute hatte ich verdammt gute Laune also schwang ich mich höchst motiviert vom Barhocker und lief die Treppen wieder hoch in mein Zimmer. „Aufgewacht", rief ich während ich die Zimmertür aufriss und keine zwei Sekunden später flog mir eins meiner Flauschkissen ins Gesicht. Harper grummelte etwas unverständliches, aber ich lies mich definitiv nicht abhalten. Sonst war sie es schließlich, die mich so liebevoll weckte. Nachdem ich ihr die Decke und ihr Kopfkissen weggezogen hatte, kapitulierte Harper dann und stand endlich auf.

Nach dem Frühstück machte Harper sich auf den Weg nach Hause. Während meine Mum die Küche aufräumte und dann anfing Kuchen für heute Nachmittag zu backen, erledigte ich in meinem Zimmer die Hausaufgaben, die ich die letzten Tage ignoriert hatte. Mein Handy klingelte und riss mich aus den Gedanken. „Harper", fragte ich als ich abgenommen hatte. „Äh nein, ich bin's Caleb. Hi." Einen Moment lang war ich schockiert, dann fasste ich mich und begrüßte ihn ebenfalls: „Hi, was gibt's?" „Darf ich nicht einfach so mal anrufen", scherzte Caleb und ich spürte einen einzelnen Schmetterling in meinem Bauch. Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr Caleb fort. „Ich wollte tatsächlich etwas von dir und zwar wissen, ob du heute Abend Zeit hast, wir sind nämlich früher wieder zu Hause als gedacht." Fragte er mich gerade tatsächlich nach einem zweiten Date? Davon musste ich Harper unbedingt erzählen. Gerade als ich ja sagen wollte, fiel mir wieder ein, dass Hunter und seine Familie später noch vorbeikommen wollten. „Tut mir leid, wir haben nachher Besuch und ich weiß nicht, wie lange. Wenn du magst können wir aber morgen Abend was machen", schlug ich vor. „Okay, klingt gut. Ich freue mich." Schon hatte Caleb aufgelegt.

„Harper!", schrie ich den Namen meiner besten Freundin ins Telefon, sobald sie drangegangen war. „Lilian!", äffte sie mich darauf hin nach. „Rate, wer morgen ein zweites Date mit Caleb Summers hat. Spoiler: Ich." Meine beste Freundin sagte nichts. Dass sie sprachlos war, kam selten vor. Ich hatte es in all den Jahren die ich sie kannte vielleicht zwei- oder dreimal erlebt. „Oh mein Gott. Das gibt's nicht. Wie mega ist das denn bitte", flippte Harper dann auf und sofort glich sie wieder meiner besten Freundin. Die nächste halbe Stunde schwieg ich das Telefon an, während Harper mir einen Monolog hielt, was ich anziehen sollte und so weiter und sofort. Ich wimmelte sie erst ab, als ich sah, dass unser Besuch in einer Stunde kommen sollte. „Okay bye Harper, wir reden später oder morgen. Ich muss mich jetzt erstmal fertig machen."

Kurz darauf stand ich unter der Dusche und dachte darüber nach, wie perfekt mein Leben gerade war. Ich hatte jetzt schon das zweite Date mit meinem Schwarm, Harper war eine fantastische beste Freundin und Hunter war nebenan eingezogen. Besser ging es doch eigentlich gar nicht.

„Huch, wer bist du denn?", fragte ich das kleine Mädchen, dass mit ihren Eltern und Hunter vor unserer Haustür stand. Natürlich wusste ich, dass Hunter eine kleine Schwester hatte, trotzdem hatte ich sie nie wirklich kennengelernt, das sie bei unserem Umzug kein Jahr altgewesen war. „Amelia", sagte sie bloß und streckte mir ihre Hand hin, „du bist bestimmt Lilian." Ach Gott, sie war wirklich zuckersüß. Ich führte unsere Gäste zum Esstisch, der über 90 Prozent der Zeit eigentlich nicht benutzt wurde. Heute war er ausnahmsweise mal gedeckt. Die ganze Situation kam mir immer noch seltsam war. Ich würde mich wahrscheinlich nicht so schnell dran gewöhnen.

Jedenfalls saß ich jetzt neben Hunter am Tisch und wir durften uns Geschichten aus der wilden Jugend unserer Mütter anhören. Natürlich blieb alles jugendfrei, da Amelia mit ihren zehn Jahren nicht direkt traumatisiert werden sollte, aber den Rest konnte man sich zusammenreimen, denn wenn unsere Mütter zusammen waren, verhielten sie sich wie Teenager. Zumindest war das früher so gewesen. Erst als ich meinen Namen aufschnappte, hörte ich der Unterhaltung wieder richtig zu, bereute es aber sofort, da sie die peinliche Geschichte erzählte, wie mein erster Kuss abgelaufen war. Ich wollte definitiv nicht, dass sie noch weiter ins Detail ging, also schaute ich sie mahnend an und grummelte ein „Mum".

Zum Glück stand plötzlich meine beste Freundin bei uns im Wohnzimmer, als hätte sie geahnt, dass ich gerettet werden musste. Nachdem sie sich angemessen vorgestellt hatte griff sie nach meinem Handgelenk und zog mich praktisch vom Stuhl. „Wenn ihr uns entschuldigt, wir haben noch was zu erledigen." Bevor wir die Treppe erreicht hatten war klar, dass auch Hunter und Amelia mit hochkommen würden, da unsere Eltern jetzt „unter Erwachsenen" sein wollten.

„Ich liebe es, wenn du uns so überfällst", scherzte ich, als wir in meinem Zimmer waren und Harper zuckte mit den Schultern. „Wenn ihr mir einen eigenen Schlüssel gebt seid ihr selbst schuld." Irgendwo hatte sie da natürlich recht. „Interessante Freundschaft", murmelte Hunter und kassierte daraufhin einen bösen Blick von Harper und mir. „Naja, jedenfalls bin ich jetzt hier, damit wir uns ein Outfit für dein Date morgen aussuchen können." Hätte ich mir eigentlich schon denken können. „Oh Gott, das ist ja klischeehafter in einen Film", lachte Hunter. „Hey ich lasse dich hier in mein heiliges Reich, spar dir solche Kommentare", meckerte ich ihn belustigt an. Wissend, dass er bloß scherzte. Die nächste halbe Stunde wühlte Harper sich durch meinen Kleiderschrank, Amelia half ihr bei der Zusammenstellung meines Outfits und Hunter schaute dem Spektakel belustigt zu. Zwischendurch gab er sogar ziemlich gute Kritik ab, das musste ich ihm lassen.

Ich hätte echt nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde, aber es fühlte sich fast komplett normal an, Hunter wiederzuhaben. Daran konnte man wohl erkennen, wie stark unsere Freundschaft gewesen war.

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