Kapitel 11

797 38 0
                                    

Jon

Meine Eltern standen vor der kleinen Bühne, neben einem großen Tisch, der mit einer weißen Decke hergerichtet war. Ich trat neben meinen Vater, ließ aber die Hand meiner Beta nicht los. Sie gab mir einfach zu viel Sicherheit, die ich gerade wirklich dringend benötigte.

Ich war wie im Rausch, ich hörte zwar, dass meine Eltern noch einige Worte zu unseren Gästen sagten, doch vom Inhalt bekam ich nichts mit, bis mich ein Ellbogen in die Rippen stieß. Ich sah hinunter auf Lucia, doch die nickte nur an mir vorbei in Richtung meiner Eltern. Mein Vater hielt mir mit einem aufmunternden Lächeln das Mikrofon hin. Ich wusste, was ich sagen sollte, schließlich war ich die Worte mit meiner Mutter unendlich oft durchgegangen.

"Ähm, ja, vielen Dank, dass ihr alle gekommen seit. Es ist mir eine große Ehre, euer Gastgeber sein zu dürfen.", räusperte ich mich. Ich sollte noch weiter sprechen, doch mir blieben die Worte im Hals stecken. Ich war meinen Schwestern mehr als dankbar, als sie anfingen, zu klatschen. Sie kamen zu uns nach vorne und fielen mir um den Hals, bevor Jovana mir ein kleines Paket mit einer grünen Schnur drum in die Hand drückte. Ich bedankte mich flüsternd bei ihnen, bevor ich das Päckchen auf den Beistelltisch legte. 

Nach und nach kamen nun auch alle anderen Gäste nach vorne, umarmten mich leicht oder schüttelten mir die Hand und wünschten mir alles Gute. Die Geschenke auf dem kleinen Tisch häuften sich. Bücher, Blumen, etwas zum Essen - es war echt alles dabei. 

Ich wurde zunehmend nervöser, denn ich wusste, dass auch Nicholas gleich zu mir kommen würde. Ich wagte jedoch keinen Blick in die immer kürzer werdende Schlange - bis plötzlich sein Vater vor mir stand. Dann konnte auch mein Mate nicht weit sein. Und nachdem der Alpha mir die üblichen Glückwünsche überbracht hatte, trat er zur Seite und gab seinen wunderbaren Sohn frei, der etwas versteckt hinter seiner Schulter gestanden hatte.

Nicholas reichte mir die Hand, welche ich leicht zitternd ergriff. Meine Fingerspitzen kribbelten, doch sobald sich unsere Handflächen berührten, durchzog mich ein wahrliches Feuerwerk und ich musste vor Überwältigung kurz die Augen schließen. Währenddessen fing Nicholas an zu sprechen.

"Hi, ich wünsche dir alles Gute zu deinem Geburtstag. Ich bin Nicholas, ich weiß nicht, ob du mich kennst, wir gehen in die gleiche Stufe und hatten letztens ja diese kleine... Begegnung. Ich hoffe, dass wir in Zukunft gut miteinander auskommen werden.", lächelte er mich an. Er war auch in seiner menschlichen Gestalt einen Hauch kleiner als ich. Während seiner kurzen Ansprache hatte ich seine Hand nicht losgelassen, entzog sie ihm aber sofort, als ich mir dessen bewusst wurde.

Ich nickte und murmelte mit kratziger Stimme ein leises Danke.  Ich senkte den Blick kurz, um mich zu sammeln, und als ich aufsah, war Nicholas auch schon wieder verschwunden. Ich ließ den Rest der Glückwünsche über mich ergehen, bevor ich endlich erlöst war. Vorerst.

-

Das Buffett war mittlerweile fast restlos leer gegessen. Der offizielle Teil der Feier war längst vorbei, doch ich saß immer noch mit hängenden Schultern am Tisch. Meine Familie befand sich längst auf der Tanzfläche, doch mir fehlte einfach der Mut. Ich wollte Nicholas nicht gegenüber stehen, zumindest nicht in der Anwesenheit aller Partygäste. Und ich war verdammt froh, dass mich noch niemand gefragt hatte, wer denn nun mein Mate sei.

Während ich in meinem Selbstmitleid ertrank, spürte ich eine Hand an meinem Arm. Als ich aufsah, grinste mich meine kleine Schwester an. 

"Komm, Jon, tanz mit uns! Es ist dein großer Tag, da wirst du ja wohl deinen Arsch hochbekommen." Ich zog ungläubig eine Augenbraue hoch, normalerweise würde Josie solche Wörter nicht in meiner Gegenwart in den Mund nehmen, doch jetzt kicherte sie nur.

Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal und folgte meiner Schwester in die Richtung der tanzenden Menge. Sie ließ meine Hand nicht los, und kurze Zeit später spürte ich an meiner anderen Hand Jovana. Die Beiden hatten sich scheinbar abgesprochen. Ich schloss meine Augen und ließ meinen Körper zur Musik gehen. 

Ich wusste nicht, wie lange ich bereits auf der Tanzfläche stand, doch irgendwann drückte mir jemand einen Drink in die Hand. Als ich die Augen öffnete, sah ich meine Beta, welche eindeutig schon einen höheren Promillewert im Blut hatte als ich. Allerdings war sie auch eher an den Alkoholkonsum gewöhnt, sodass es bei ihr kaum Auswirkungen zeigte.

Ich nippte vorsichtig an meinem Getränk. Ich hatte erwartet, dass es in meiner Kehle brannte, doch das tat es nicht. Es schmeckte zwar ein wenig sauer, aber irgendwie mochte ich das. Ich trank das Glas beinahe in einem Zug leer, und deutete Lucia, dass ich Nachschub wollte. Diese drehte sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht um und verschwand mit meinem leeren Glas in der Hand.

Ich merkte bereits jetzt, wie der Alkohol seine Wirkung entfaltete. Die Musik verschwamm in meinen Ohren und wären da nicht immer noch meine Schwestern neben mir, wäre auch die Tanzfläche nicht mehr klar für mich zu sehen.

Lucia kam mit den Drinks zurück und diesmal nahm ich mir mehr Zeit beim Trinken. Ich wollte mir schließlich nicht die Blamage geben und mich auf meiner eigenen Party bis zur Besinnungslosigkeit saufen. 

Die Zwillinge waren mittlerweile wieder von der Tanzfläche verschwunden und ich tanzte eng mit meiner besten Freundin. Normalerweise würde ich mich nie trauen, sie in der Öffentlichkeit so anzufassen, doch der Alkohol tat bei uns beiden sein Übriges.

"Ich glaube, ich gehe jetzt zu ihm und sage es ihm.", brüllte ich über die Musik ins Ohr von Lucia. Diese drehte sich zu mir, sie hatte grade noch mit ihrem Hintern an meinem Schritt getanzt, doch dies ließ mich völlig kalt.

"Bist du dir sicher? Vielleicht solltest du nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Schließlich tickt er ganz anders als du." Ich war Lucia sehr dankbar, dass sie seinen Namen nicht benutzte. Man konnte nie wissen, wer einem hier so zuhörte, und ich wollte nicht, dass Nicholas von jemand anderem erfuhr, dass wir Mates waren.

Ich nickte jedoch nur, stellte mein leeres Glas auf einen Tisch und begab mich auf die Suche. Ich brauchte meine Nase nicht einmal sonderlich anzustrengen, bis ich wusste, wo er war.

Ich öffnete die Tür nach draußen und sah Nicholas ans Geländer gelehnt dastehen. Vor ihm ein Junge, welcher ihn offensichtlich anhimmelte. Ich sah einen glühenden Zigarettenstummel in Nicholas' Hand. Er rauchte?

"Du rauchst?" Meine Zunge war schneller als mein Hirn. Ich schlenderte auf die beiden zu, den fremden Jungen kaum beachtend. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht gleich über ihn herzufallen, doch ich wollte versuchen, ihn so auf meine Seite zu ziehen. Ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.

"Mhm. Aber nur wenn ich getrunken habe.", brummte er und zog an der Zigarette. Seine Begleitung war indes verschwunden. Scheinbar war ihm die Präsenz von zwei Alphas zu viel.

"Kommst du mit rein? Ich will tanzen.", fragte ich ihn. "Wieso solltest du ausgerechnet mit mir tanzen wollen?" Nicholas zog fragend eine Augenbraue hoch.

Ich zuckte nur mit den Schultern. "Ich möchte dich gerne kennenlernen, wenn wir bald näher zusammenarbeiten, kann das nicht schaden." Ich war erleichtert, dass ich ihm so eine simple Ausrede auftischen konnte, denn er trat seine Zigarette aus und warf sie danach sogar in den Mülleimer.

Seite an Seite gingen wir schließlich wieder rein und ich zog ihn gleich mit mir auf die Tanzfläche.

Alpha Loverboy?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt