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aber darüber werde ich nicht auch noch stumm diskutieren.
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Lilli

Mit einem dicken Grinsen im Gesicht stehe ich in der Haustür. Ich komme gerade von Frau. Rüther. Sie ist die alte Dame, bei der ich putzen gehe. Eine wirklich kratzbürstige Person. Zu mir ist sie eigentlich ganz nett. Jedes Mal wenn ich komme, sagt sie mir, dass sie es gut findet, dass ich nicht rede. So kann ich ihr wenigstens nicht auf die Nerven gehen. Tja, wohl war, Frau. Rüther.
Danach legt sie sich meistens in den Sessel und schläft, während ihre Katze mir immer folgt. Egal wo ich bin, dieses Fellding ist auch da. An manchen Tagen frage ich mich, ob das Vieh nicht doch eine Kamera ist, die die alte Dame vor Diebstahl schützen soll. So wie das Ding guckt, würde es mich auch nicht wundern, wenn Laser aus ihren Augen schießen würden.

Ich verdränge den Gedanken an Frau. Rüther's Katze und verfolge das heutige Streitthema meiner Mitbewohner. „Was ist dein Problem?", fragt Sophia. Ihre Stimme klingt für Fremde vielleicht ruhig, aber ich weiß es besser. Sie steht kurz vorm ausrasten. „Du bist gerade mein Problem!", schreit Emelie und deutet auf Sophia. „Kannst du nicht einmal deine Tasse wegräumen?", durch Emelie's Ton klingt es eher wie ein Vorwurf, als um eine Frage. Sophia verschränkt ihre Arme. „Es ist vierzehn Uhr und ich werde noch Kaffee trinken, deswegen steht meine Tasse noch da!", erklärt Sophia. Emelie drückt Sophia die Tasse in die Hand. „Außerdem, wenn ich in dein Zimmer gehe. Wie viele Tassen und Teller werde ich dann da finden?", fragt Sophia und lächelt siegessicher. „ Touché.", gibt Emelie zu. „Aber man sieht sie nicht, wenn man reinkommt.", fügt Emelie hinzu. Sophia überdreht ihre Augen, „Man riecht es aber irgendwann"
Emelie's Blick fällt auf mich. „Willst du nicht auch was dazu sagen?", fragt sie mich. Dann beginnt sie zu lachen. „Ach stimmt. Geht ja nicht!", lachend geht Emelie in ihr Zimmer.

Mein Blick fällt auf Sophia, die mich lächelnd ansieht. „Was würden wir nur ohne sie tun?", fragt sie grinsend und geht in die Küche. Zehn Minuten später kommt sie wieder, mit zwei Tassen in der Hand. „Der Dame darf nicht langweilig werden. Deswegen lassen wir beide unsere Tassen stehen", Sophia zwinkert mir zu. Ich lächle.
Es ist jeden Tag das selbe. Aber auch wenn man es nicht glauben mag, die beiden sind beste Freundinnen. Ohne einander können sie nicht.

Es ist wie jeden Tag. Die beiden streiten sich, Emelie verschwindet für ein paar Stunden in ihrem Zimmer, Sophia und ich sitzen auf der Couch. Sophia erzählt mir von ihrem Tag. Von den Fortschritten, die sie macht. Sophia hat ihren Bruder vor vier Jahren verloren und kam nie drüber hinweg. Sie sah zu, als er von dem Auto erfasst wurde. Seit dem plagen sie Albträume. Oft ist ihre gute Laune auch nur vorgespielt, weil sie immer das perfekte Mädchen sein wollte. Sie hat eine lange Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass sie in Depressionen gerutscht ist. Dazu kommt noch, dass ihr Perfektionismus und das Mobbing an der Schule sie in die Magersucht getrieben haben.
Es kommt oft vor, dass Emelie und ich nachts zu ihr gehen, weil sie wieder weint. Nachts weint sie viel, aber sie ist nicht mehr allein.

Bei Emelie ist das ganze ein wenig komplizierter. Emelie ist in einer Familie aufgewachsen, die nichts hatte. Der Vater ein Alkoholiker und die Mutter Drogenabhängig. Sie wurde geschlagen und bis heute weiß man nicht, ob sie missbraucht wurde oder nicht. Sie schweigt eisern über dieses Thema. Sie wurde von dem Krankenhaus in das Internat gesteckt. Sie hat versucht sich das Leben zu nehmen, als sie vierzehn war. Emelie war die längste Zeit von uns dreien im Internat. Emelie hat viel hinter sich und würde am liebsten alles verdrängen, was sich nicht in der Gegenwart abspielt. Sie sagt, dass die Vergangenheit keine Bedeutung hat, aber wir alle wissen, dass das gelogen ist.

„Ich habe es geschafft, drei Tassen Kaffee zu trinken, einen Apfel und eine kleine Portion Nudeln zu essen!", erzählt sie stolz. Ich lächle sie aufmunternd an. Tatsächlich hat Sophia ein paar Kilo zugenommen, seit ich sie kenne. Aber sie wiegt dennoch kaum was und ihr momentaner Zustand kann jederzeit lebensgefährlich werden. Aber sie arbeitet daran.

Noch bevor Sophia weiter reden kann, stürmt Emelie ins Zimmer. „Wir gehen morgen feiern!", ruft sie aus. Sophia und ich sehen uns eher geschockt an. Emelie ist von uns dreien der Draufgänger- Typ. Eine Party? Sie ist dabei
Alkohol? Sie kommt
Drogen? Sie schlägt dich mit ihren Fäusten zusammen. Ihre Mutter starb am Drogenkonsum. Der Grund, warum sie Alkohol trinkt ist der, dass sie für eine Nacht ihrer Vergangenheit vergisst. Aber entgegen ihres Vater's, kennt sie ihre Grenzen.

„Ach kommt schon. Wir wohnen seit fast zwei Monaten hier und wir haben bisher noch nichts unternommen. Außerdem werden wir heiß aussehen!", versucht sie uns zu überzeugen. „Ich weiß nicht.", sagt Sophia. Sie schaut auf ihre Beine und ich lege meine Hand auf ihrer, die sie auf ihre Oberschenkel angelegt hat. „Ich fühle mich nicht bereit dafür.", sagt Sophia schließlich. Und das ist okay. Stumm werde ich ihr die diese Worte zu.
Emelie würde sie nie zu etwas zwingen und nickt. Dann fällt ihr Blick auf mich. „Das wird witzig.", sagt sie.

Es hat eine halbe Stunde gedauert, in der Emelie auf mich eingeredet hat. Ich habe neunundzwanzig Minuten davon mit meinem Kopf geschüttelt, die letzte Minute dann aber genickt.
„Großartig!", sagt Emelie noch und verschwindet in ihrem Zimmer. Sophia sieht zu mir und legt ihren Kopf schief. „Und was ist mit dem Flohmarkt?", fragt sie. Ich seufze und nicke. Ich weiß nicht, wann sie etwas von einem Flohmarkt erwähnt hat, aber darüber werde ich nicht auch noch stumm diskutieren.
*
Ich hab meinen Führerschein bestanden🥳

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