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Die Erkenntnis, dass Markus nie wieder da sein wird, um mich zu retten, versetzt mir einen Stich direkt ins Herz.
*
Lilli

Am nächsten Morgen werde ich von Sophia geweckt. Stöhnend richtige ich mich auf und sehe auf die Uhr. „Was willst du? Es ist erst acht Uhr.", gebe ich müde von mir. Ich strecke mich und gähne.
„Du musst morgen fantastisch aussehen. Dafür musst du jetzt aufstehen!", erklärt Sophia und zieht mich aus dem Bett. „Wenn du fantastisch im Sinne von Zombie meinst, dann leistet ihr klasse Arbeit.", meine ich. Ich lasse mich von Sophia ins Wohnzimmer ziehen, in dem Emelie bereits wartet.

„Wir haben dir ein Bad eingelassen. Du wirst dir jetzt Zeit lassen und dich entspannen. Heute lässt du dich von uns richtig verwöhnen lassen.", grinst Emelie.
Im Bad schließe ich die Tür nicht ab. Ich sehe mich um. Vor mir steht eine Wanne. Grinsend lasse ich meine Hand durch den Schaum ins heiße Wasser sinken. Auf der Fensterbank haben die beiden Kerzen angezündet, die den ganzen Raum mit einem sanften Rosenduft erfüllt. Auf der Anrichte der Badewanne stehen Schampo und Duschgel. Grinsend lese ich Kokosnuss auf den Flaschen.
Auf der Heizung liegen frische Klamotten. Aus einer Bluetoothbox dringt leise Musik.

Ich entledige mich meiner Klamotten und steige ich die Wanne. Das heiße Wasser fühlt sich gut an und ich merke sofort, wie sich meine Muskeln entspannen. Ich schließe meine Augen und lasse mich tiefer ins Wasser sinken.
„Und vergiss nicht, dich zu rasieren!", ruft Emelie durch die Tür. Lachend tauche ich ins Wasser ein. Für ein paar Sekunden bleibe ich Unterwasser. Meine Augen lasse ich geschlossen.
Es tauchen Bilder von dem zugefrorenen See auf. In der ersten Zeit, nachdem Markus mich verlassen hat, hatte ich Albträume von diesem Tag. Ich bin eingebrochen, aber Markus kam nie, um mich zu retten. Als ich es nicht mehr aushalte, tauche ich wieder auf. Die Erkenntnis, dass Markus nie wieder da sein wird, um mich zu retten, versetzt mir einen Stich direkt ins Herz.

Ich wasche mich und schäume meine Haare ein. Eine Stunde später, trockne ich meine schrumplige Haut ab und Creme mich ein. Nachdem ich mich angezogen habe, wickle ich meine Haare wieder in ein Handtuch und puste die Kerzen aus.
Ich verlasse das Badezimmer und werde sofort von Sophia und Emelie empfangen. Lächelnd ziehen sie mich auf die Couch.

Als ich mich setze, trägt mir Sophia eine Maske auf. Emelie zieht meine Hand auf ihren Schoß und beginnt zu feilen. Mit meiner freien Hand schalte ich den Fernseher ein und schalte durch. Am Ende nimmt Sophia mir die Fernbedienung aus der Hand. Im Fernseher läuft nun two broke girls. Sophia kümmert sich um meine andere Hand. „Welche Farbe?", fragt Emelie und hält mir eine Box hin, in der verschiedene Nagellacke sind. „Dafür habt ihr keinen Plan?", frage ich lachend. Emelie grinst. „Ich fand schwarz cool, aber Sophia ist für rot.", sagt sie. „Rot klingt gut.", sage ich und lächle Emelie entschuldigend an. Emelie lackiert meine Nägel in einem Kirschrot und als sie fertig ist, reicht sie Sophia den Nagellack.

„Welche Schuhe willst du tragen?", fragt Emelie. Ich lache, „Welche habt ihr den eingepackt?"
„Die weißen Vans, die braunen Sandalen und das einzig hochhackige Paar, welches du besitzt.", erklärt sie. Die einzigen High Heels die ich besitze, sind schlichte, rote High Heels, die zufälligerweise perfekt zu dem Nagellack passen. „Du hast dich schon für Schuhe entschieden.", sage ich und überdrehe lächelnd meine Augen. Sie nickt. „Und sie sind vorne offen. Das heißt, deine Fußnägel müssen auch lackiert werden.", erklärt sie stolz.
„Das kann ich später übernehmen.", sage ich.
Sophia ist auch mit meiner zweiten Hand fertig. Sophia holt einen Waschlappen und entfernt die Maske aus meinem Gesicht.

„Wir sollten deine Haare nachfärben.", meint Emelie, als sie das Handtuch abwickelt. Es sind ein paar Stunden vergangen. Nicht nur meine Fingernägel sind frisch lackiert, auch meine Fußnägel erstrahlen in einem Kirschrot.
Meine Haare sind trocken und Emelie beginnt bereits die Couch mit Handtüchern abzudecken. „Hätte und das nicht früher einfallen können?", frage ich lachend, als Emelie beginnt die Farbe auf meinen Ansatz zu verteilen. „Ist doch egal. Dann waschen wir deine Haare eben noch einmal.", sagt sie.

Als die Farbe eingewirkt ist, lehne ich mich mit dem Rücken an die Badewanne. Sophia lässt sich Zeit, um die Farbe auszuwaschen und das Schampo massiert sie in meine Kopfhaut. Es fühlt sich gut an, so verwöhnt zu werden.
„Daran könnte ich mich gewöhnen.", sage ich und atme tiefen entspannt aus. Sophia drückt meine Haare aus und wickelt sie in ein frisches Handtuch. „Wenn wir das öfters machen, fallen deine Haare von der ganzen Farbe aus.", gibt Sophia lachend von sich.

Ich sitze erneut auf der Couch, während meine Haare in ein Handtuch gewickelt sind. Im Fernseher läuft noch immer Pro 7. Aber mittlerweile läuft die Simpsons. „Das ist dämlich.", meint Emelie und schaltet um. Es läuft nichts gutes im Fernseher, also schaltet sie wieder auf Pro 7. Emelie rutscht weiter runter und sieht nicht besonders begeistert in den Fernseher.

Mir ist es völlig egal, was im Fernseher läuft. Ich denke ständig an morgen. Morgen werde ich Miriam und Markus Wiedersehen und auch wenn ich gedacht habe, dass ich das schaffe könnte, werde ich gerade eines besseren belehrt.
Ich bin aufgeregt, weil ich nicht weiß, was passieren kann. Das ganze kann in eine totale Katastrophe enden. Und egal welche Katastrophe es sein wird, es wird mich verletzen.

Unruhig sehe ich auf die Uhr. Mittlerweile ist es acht Uhr. Ich atme tief durch. Noch gibt es keinen Grund panisch zu werden. Das Essen morgen beginnt erst um zehn. Dementsprechend ist noch genug Zeit.
Hilfreich jedoch wäre es, wenn ich wüsste, wie ich mich verhalten soll. Wenn die Eltern da sein werden, wissen sie das Markus mein angeblicher Cousin ist?
Wie soll ich sonst die Lüge aufrechterhalten?

Ich beruhige mich selbst, indem ich mir sage, dass es nicht mein Problem ist. Sollte die Lüge morgen auffliegen, hat Markus das Problem nicht ich.
Und damit hätten wir eine Katastrophe, die nicht nur mir Schaden würde.
„Okay.", reißt mich Emelie aus meinen Gedanken. Sophia und ich sehen Sie erwartungsvoll an, während sie noch auf der Pizza kaut, die sie aus meinem Karton genommen hat. „Glaubst du das mit den Vampiren?", fragt sie mich.

Einen Moment bleibe ich still. Natürlich glaube ich daran. Ich habe übernatürliche Kräfte live miterlebt. Verdammt, tief in mir steckt so eine Kraft, aber ich kann und will es ihnen nicht sagen. Vermutlich würden mich die beiden für verrückt halten und wieder einweisen lassen. Aber ich will sie auch nicht anlügen. Deswegen zucke ich mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich meine, wie viel haben wir von der Welt erforscht. Vielleicht gibt es sie, vielleicht nicht.", sage ich. Emelie richtet sich auf. Innerlich macht sie sich bereit mit mir zu diskutieren. Das sehe ich ihr an. „Auf diesen Moment habe ich zwei lange Jahre gewartet.", sagt sie.

„Vampire gibt es in Märchen. Sowas kann ich real sein. Keiner glaubt an den Froschkönig, oder siehst du Leute die Frösche küssen?", beginnt sie die Diskussion. „Einmal habe ich einen Mann gesehen, der eine Ratte geküsst hat.", entgegnet Sophia. Emelie schnaubt, „Der Mann stand wahrscheinlich unter Drogen. Das zählt nicht, außerdem geht es um Frösche.". Lachend schüttelt Sophia ihren Kopf. „Eigentlich geht es um Vampire.", erinnere ich sie. Schmunzelnd nickt sie. „Außerdem gibt es Giraffen, wie unwahrscheinlich ist es dann, dass es Vampire gibt?", frage ich sie. Lachend beißt sie von der Pizza ab. „Okay, Giraffen sind ziemlich suspekt, aber deren Existenz ist bewiesen. Wir müssten nur eben mal den Zoo besuchen und wir würden welche sehen. Aber keiner kann die Existenz der Vampire nachweisen.", erklärt sie. Naja, die wilden Kerle haben sie gesehen. Einige von denen führen eine Beziehung mit ehemaligen Vampiren. Aber das würde Emelie nicht gelten lassen. Außerdem will ich nicht, dass sie die Kerle als verrückt abstempelt.

Nach einer Stunde gebe ich mich geschlagen und gebe ihr recht, im Wissen, dass sie im Unrecht liegt. „Gegen mich kann man nicht gewinnen.", sagt sie stolz. Ich klopfe ihr auf die Schulter und stehe dann auf. „Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.", verabschiede ich mich und verschwinde in meinem Zimmer.
*
Im laufe des Tages werde ich das Buch veröffentlichen, von dem ich gestern geredet habe:)

If love could feelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt