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In weniger als zehn Minuten werde ich meinen Eltern gegenüber stehen. Und ich hoffe, dass es keine Vollkatastrophe wird.
*
Lilli

Zwei Wochen sind vergangen und seitdem habe ich nichts mehr von Markus gehört. Stattdessen habe ich mal Ben geschrieben. Er hat mich nach einem Treffen gefragt. Ich sagte ihm, dass ich nicht mehr in der Stadt bin. Aber wir telefonieren öfters. Ich genieße die Telefonate mit ihm. Er kennt Markus nur aus dem Krankenhaus und für ihn ist es kein Thema, dass er anspricht. Ich vermute, dass er ihn bereits vergessen hat.
Ich habe auch den Kontakt zu den wilden Kerlen erhalten. Wir haben eine WhatsApp Gruppe, in der wir eigentlich täglich schreiben. Es ist aber immer das selbe Thema. Irgendwie ist Markus immer präsent.

Irgendwann wird es vielleicht eine Zukunft für ihn und für mich geben, aber bis dahin will ich nicht darüber nachdenken. Ich will nicht zu viele Hoffnungen haben. Wer weiß, was in ein paar Jahren sein wird. Vielleicht liebt Markus mich bis dahin nicht mehr, vielleicht liebe ich ihn nicht mehr. Ich kann nicht in die Zukunft sehen und zurzeit habe ich keine Zeit, um mich über die Zukunft zu sorgen.
Ich muss einen Job finden. In den letzten zwei Wochen habe ich mehrere Bewerbungen geschrieben, auf die meisten habe ich keine Antwort erhalten und auch die Bewerbungsgespräche waren nicht gut genug. Ich trage weiterhin Zeitungen aus und auch bei der alten Dame habe ich meinen Job wieder, aber das Geld reicht nicht. Ich brauche einen festen Arbeitsvertrag und allmählich verzweifle ich an der Jobsuche.

Sophia und Emelie sind die meiste Zeit nicht da. Ich sitze den ganzen Tag vor dem Laptop und durchforste das Internet nach Jobangeboten. Es ist nichts dabei, was ich mir vorstellen kann und das ist frustrierend. Es muss einfach etwas geben, was ich gerne mache und was ich kann, aber ich finde nichts. Jedesmal wenn ich mir Jobs genauer anschaue, finde ich etwas, was mir nicht gefällt.
Auch jetzt bin ich am Laptop und suche nach einem passenden Job. Um ehrlich zu sein steht der Laptop nur noch vor mir und ich trinke Kaffee. Auch heute sitze ich bereits seit zwei Stunden hier und finde nichts.

Mein Handy vibriert. Als ich auf die Nachricht gucke, sehe ich Leon's Nummer. ‚Wir sind wieder in deiner Stadt. Komm runter;)'
Ich lasse sofort alles stehen und liegen, trinke den letzten Schluck Kaffee und laufe mit meiner Tasche die Treppen runter. Auf dem Weg schreibe ich Emelie, du bald zurück sein müsste, dass ich unterwegs bin.
Draußen sehe ich auch schon das Auto von Juli. „Hallo.", begrüße ich alle, als ich einsteige. Juli, der hinter dem Lenkrad sitzt, dreht sich zu mir um. Er zwinkert mir zu und grinst verschwörerisch. Fragend sehe ich ihn an. Leon, der neben ihm sitzt, beginnt zu lachen. „Was habt ihr vor?", frage ich sie. Ich sehe zu Vanessa, die neben mir sitzt. „Wir fahren nach Grünwald.", erklärt sie und bevor ich etwas erwidern kann, fährt Juli los.

Ich weiß was sie vorhaben und ich bin verdammt sauer. Ich rede kein Wort, sondern starre einfach nach draußen. Wir fahren durch. Wahrscheinlich haben sie Angst, dass ich mich in den nächstbesten Zug setzen würde, den ich finde. Ich würde es tun, auch wenn ich die Fahrt nicht bezahlen könnte. Ich würde lieber das Strafgeld fürs Schwarzfahren bezahlen, als nach Grünwald zu fahren. Ich würde lieber bei einem Fremden einsteigen, als hier in diesem Auto zu sitzen.
Grünwald ist schon immer meine persönliche Hölle gewesen und das hat sich bis heute nicht geändert.

Seufzend lasse ich mich zurückfallen. Ich habe die Arme vor der Brust verschränkt. Wir haben das Ortsschild passiert. Ich kenne den Weg. Es ist der selbe weg, wie damals, als ich hier her zog. Ich habe mir mehrfach den Weg im Internet angeschaut, um zu wissen, dass wir die nächste rechts müssen. Stattdessen fahren wir links. Verwirrt sehe ich mich um. Juli hält den Wagen und steigt aus. Leon folgt ihm. „Kommst du?", fragt Vanessa, die bereits ausgestiegen ist. Ich schnalle mich ab und steige aus.
Wir laufen über eine kleine Brücke. Als ich den Hügel sehe, kann ich mir kein Lächeln verkneifen.

„Euer Stadion.", sage ich und blicke in den Teufelstopf. Leon ist der erste, der sich in Bewegung setzt. Juli legt seinen Arm um meine Schulter und führt mich so in den Teufelstopf. „He Willi. Bist du da?", ruft Leon und dreht sich um sich selbst. In dem alten Wohnwagen hört man, wie etwas klappernd zu Boden fällt. Dir Tür wird geöffnet und Willi kommt heraus gestolpert. Hinter ihm fällt eine Dose aus dem Wohnwagen. Er bückt sich danach und wirft sie wieder in den Wohnwagen herein und wirft die Tür wieder zu. „Das ich das nochmal erleben darf. Die wilden Kerle sind nach Hause gekommen!", sagt er verwundet und stemmt seine Hände in die Hüften. Lächelnd schüttelt Leon seinen Kopf. „Die wilden Kerle gibt es nicht mehr, Willi. Wir werden nicht bleiben.", erklärt Leon. Willi kratzt sich am Kopf und sieht uns vier an. „Ja ja.", sagt er. „Ihr seid nur vier und du spielst kein Fußball, oder hat sich das geändert?", fragt er mich. Ich schüttele meinen Kopf. „Ich bin noch immer so unsportlich und tollpatschig wie eh und je.", sage ich. Willi nickt wieder und lächelt. „Aber ihr seid da. Was führt euch her?", fragt er. „Wir wollten einen alten Freund besuchen!", sagt Leon grinsend.

Als ich Willi genauer ansehe, wird mir klar, dass auch hier die Zeit nicht stehen geblieben ist. Willi's Haar ist weiter ergraut und als er auf uns zukommt, scheint es so, als wäre seine Seekraft auch nicht mehr die beste. Er stolpert zu Leon und umarmt ihn. Danach Juli und Vanessa und selbst mich umarmt er. „Kommt. Die Limonade geht aufs Haus!", sagt er grinsend.
Wir sitzen auf alten Klappstühlen im Kreis. Juli hilft Willi die Flaschen zu verteilen und setzt sich anschließend auf einen Schaukelstuhl. Er wippt leicht hin und her. „Irgendwas sagt mir, dass ihr nicht wegen mir gekommen seid.", sagt Willi. Er sieht in die Runde und bleibt bei mir hängen. „Wo ist eigentlich Markus?", fragt er schließlich. Ich schlucke und trinke einen Schluck, bevor ich antworten kann. „Er lebt in Ludwigslust.", sagt Vanessa dann. Willi hebt seine Augenbraue und sieht verwundert zu mir. „Und du bei ihm?".
„Nein. Ich wohne in der Nähe von Köln.", erkläre ich. „Köln.", wiederholt er leise und scheint zu überlegen. „Ich habe von dem Feuer gehört. Ihr seid ganz schön feige, wisst ihr das?", sagt er dann und sieht zu den anderen. Leon und Vanessa sehen auf ihre Flaschen. Juli sieht zu mir. Sein Blick fällt auf meine freien Arme. Ich fange seinen Blick auf und lächle ihm zu. „Es war anders, als du gehört hast.", erkläre ich. Willi seufzt. „Das habe ich mir schon gedacht. Ich habe Gonzo getroffen, der mit einem Mädchen hier vorbei kam.", sagt Willi.

Seufzend erinnere ich mich an Stella zurück. Sie hat ihre Schwester verloren. Ich habe nie was von ihr gehört und erst jetzt realisiere ich, wie sehr ich sie vermisse. „Wohnen sie noch hier?", frage ich. Willi zuckt mit den Schultern. „Sie sind im Wald verschwunden. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.", erzählt Willi.
In meinem Gedanken frage ich Stella, ob sie mich hört. Es ist ein verzweifelter Versuch, sie zu erreichen. Ich möchte wissen, ob es ihr gut geht, aber sie antwortet nicht. Wahrscheinlich ist sie zu weit weg. Ich gebe es auf.

„Wir müssen los, Willi. Wir haben noch was vor.", verabschiedet sich Leon und steht auf. Juli reicht mir seine Hand, die ich annehme. Ich sehe, wie Willi uns amüsiert ansieht. Verwirrt sehe ich zu ihm, was ihn leise zum Lachen bringt. Juli legt wieder seinen Arm um mich und führt mich zum Auto.
Erst als der Motor startet, kommt das ungute Gefühl wieder. Juli fährt los und ich schließe meine Augen. In weniger als zehn Minuten werde ich meinen Eltern gegenüber stehen. Und ich hoffe, dass es keine Vollkatastrophe wird.

*
Ich könnte kotzen. Wenn ich noch einmal auf irgendeiner Plattform wie Instagram, TikTok(besonders TikTok) und co lese, dass eine Frau unhygienisch ist, weil sie sich nicht rasiert, kotze ich.
Und das ist nicht das einzige. Lese ich einen Kommentar „Wenn ich es schaffe mich zu rasieren, kann ich das von meiner Freundin auch erwarten." nein Harald kannst du nicht. Wenn es dich stört ist das ok. Dann mach aber nicht das Selbstbewusstsein von jemanden kaputt weil du deine „MeInUnG" unbedingt kundgeben musst. Such dir eine Freundin, die es von sich aus und für sich macht. Aber erwarte das nicht von anderen.
Nein Harald und Sibille, Körperbehaarung hat nichts mit Hygiene zu tun. Nein, ihr müsst nicht zu allem eure Meinung sagen. Nein, ihr braucht nicht zu sagen, dass es unhygienisch ist. Denn selbst wenn es so wäre (was es nicht ist), ginge es euch und mich einen puren scheiß Dreck an. Ihr nervt und seid absolut nicht hilfreich. Danke für eure Aufmerksamkeit.

Ich könnte Kapitel schreiben, wie sehr mir manche Menschen auf den Geist gehen und wie sehr es mich aufregt.

If love could feelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt