Emma saß lustlos unter einem Baum.
Es war der Baum, unter dem Ray ständig gelesen hatte, als sie mit Norman und den anderen Kindern Fangen spielte.
Doch nun war Norman weg. Er wurde den Monstern ausgeliefert, und Emma konnte nichts dagegen tun.
Ein Blatt löste sich vom Ast und schwebte elegant zu Boden, landete auf den orangenen Locken des Mädchens.
Ihr Bein schmerzte noch immer. Isabella, ihre Mama, hatte ihr es brutal verdreht. Alles nur für Norman."Emma?", fragte Phil traurig. Der kleine Junge sah sie aus seinen blauen Augen an, versuchte, sie aufzumuntern. Vergeblich.
Bis zum Abend saß sie da, starrte das Gras an, auf dem sich bunte Blätter sammelten, ihre Krücken neben ihr am Baumstamm gelehnt.
Isabella trat aus dem Gebäude, schritt auf die Kinder zu. Ahnungslos waren sie, unschuldig, so wie sie sich um die Frau sammelten und sich freuten.
"Komm, ich helfe dir."
Gilda hielt ihr hilfsbereit die Hand hin, wollte Emma auf die Beine helfen.
Mit schlaffer Hand griff Emma zu, ließ sich die Krücken reichen und hinkte in Richtung des Hauses. Das Haus, was sie elf, fast schon zwölf Jahre lang ihr Zuhause genannt hat.Wie jeden Tag gab es dieselbe Routine.
Das Abendessen, welches ihr nicht mehr schmeckte, gute Nacht sagen, so gespielt fröhlich wie es nur ging, und sich traurig im Bett wälzen. Sie durfte nicht einmal bei den anderen Mädchen im selben Raum schlafen, sie musste im separaten Krankenzimmer übernachten.
Emma wusste, dass es Ray nicht anders ging. Auch er ließ sich viel seltener blicken als sonst, blätterte nur lustlos in irgendwelchen Büchern herum. Sein Plan, den er sich über Jahre hinweg vorbereitet hat, wurde zunichte gemacht.
Doch noch hat er nicht aufgegeben. Ein letztes Ass hatte er im Ärmel, und er würde es nutzen, um im besten Moment zu trumpfen.Emma lag im Bett, lustlos spielte sie mit dem weißen Stoff des Bettlakens herum. Heute war ihr nicht nach frischer Luft, und mit den Kindern konnte sie auch nicht spielen, ihr Bein war noch immer verletzt.
Knarzend öffnete sich die Tür, doch Emma hatte keine Energie um sich umzudrehen und nachzuschauen. Egal wer den Raum gerade betrat, ihre Laune würde dies nicht verbessern.
"Ich weiß, dass du mich wahrscheinlich hasst", sprach Isabella im sanften Ton.
"Aber ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen."
Wie erwartet regte Emma sich nicht ein bisschen, sie starrte schweigend das vergitterte Fenster an. Isabella trat näher, sie setzte sich ans Fußende des Bettes.
"Du musst mich nicht ansehen, nur mir zuhören."
Eine kleine, salzige Träne rollte langsam ihr Gesicht herunter, und wurde schlussendlich vom weißen Laken aufgenommen.
"Ich kann nicht jeden von euch retten, aber ich möchte, dass zumindest du überlebst", erklärte sie Frau, weiterhin klang sie sanft und liebevoll.
"Ich habe dich als Mama empfohlen. Leider ist das der einzige Weg, um dich so lange wie möglich leben zu lassen."
Emma kniff ihre Augen zusammen und biss sich auf die Unterlippe, um ein lautes Schluchzen zu verkneifen.
Sie wollte das nicht. Sie wollte nicht länger leben als die anderen, sie wollte mit den anderen leben. Und wenn sie zur Mama werden würde, musste sie zusehen, wie kleine Kinder ahnungslos in den Tod liefen.
Wie sollte sie das jemals aushalten?"Außerdem... Du müsstest dann als erstes 'adoptiert' werden, und Ray's Termin müsste nach hinten verschoben werden."
Nun wurde das Mädchen jedoch hellhörig. Sie würde also Ray mehr Zeit verschaffen.
"Also, was sagst du dazu?"
Emma blieb still, ihr Gehirn dagegen arbeitete hart. Was sollte sie tun? Wenn Ray mehr Zeit hätte, könnte er alle Kinder zusammen mit Gilda und Don retten. Wenn sie sich allerdings dagegen entschied, müsste ihr Bein zuerst verheilen, und dann könnte es bereits zu spät sein.
"Ich...", murmelte Emma leise.
"Ich nehme die Empfehlung an."
Isabella strich ihr durch die orangenen Locken.
"Sehr gut, meine Kleine", sprach die Frau und beugte sich zu ihrem Ohr hinunter.
"Ich weiß, dass du nur versuchst, Ray mehr Zeit zu verschaffen. Du gibt's nicht so leicht auf, das weiß ich."•••
Emma setzte sich einen Hut auf, dann nahm sie sich den leeren Koffer. Sie hatte nichts, was sie hätte mitnehmen können, aber andererseits war ihr bewusst, dass sie noch nicht sterben würde.
"Emma!", rief Phil weinend und versuchte, auf ihren Arm zu springen.
"Ich will nicht, dass du gehst", jammerte er.
Gilda stand im Türrahmen, auch sie versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Don dagegen gab sein Bestes, um gute Laune zu verbreiten, er hatte vollständig verstanden, dass Emma nicht sterben würde.
Emma kniete sich zu Phil auf den Boden und umarmte ihn kräftig."Es ist Zeit", meinte Gilda traurig und lief voran zur Treppe. Emma folgte ihr, bis sie plötzlich von einer Welle der Traurigkeit erfasst wurde. Sie hatte Ray schon länger nicht gesehen, dabei wollte sie sich mindestens von ihm verabschieden.
Isabella wartete schon an der großen Eingangstür des Waisenhauses.
Schnell stellte sie sich direkt neben die Frau und wurde ebenso schnell von einer Traube Kindern umringt. Unter den vielen Gesichtern erkannte sie schließlich auf Ray, er schien garnicht gewusst zu haben, wer ausgeliefert wurde.
Erschrocken sah der Schwarzhaarige zu Emma, man sah ihm an, wie er sich die Tränen zurückhalten musste. Mit großen Schritten ging er auf das Mädchen zu und gab ihr eine ordentliche Backpfeife.
"Wie kannst du es wagen", knurrte er sie aus zusammengebissenen Zähnen an.
"Don und Gilda erklären dir alles", meinte sie und versuchte, ihr Lächeln zu behalten.Vielleicht war dies das letzte Mal, dass sie Ray jemals wieder sehen würde.
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Can you kill a Secret? | The Promised Neverland Fanfic
FanficEmma setzte alles daran, mit jedem zu fliehen. Doch was ist, wenn gerade sie es nicht schafft?