Danach fiel die Tür wieder ins Schloss und in Ashleys Augen brannten erneut Tränen. Was in aller Welt war denn nur los mit ihr, dass sie bei jeder Kleinigkeit zu heulen anfing? Lag es an der Trauer wegen Liv? Aber... trauerte sie überhaupt? Durfte sie deswegen trauern?
Sie wusste es nicht, doch sich weiter darüber Gedanken machen, brachte auch nichts.
Also schnappte sie sich die Klamotten und begab sich wieder nach oben.
Nachdem sie sich angezogen hatte, gab Danny ihr das Passwort für Liams Computer und sie begann tatsächlich, nach einigen Wochen gefühlt, wieder ihre Arbeit zu machen.Emails beantworten, Verträge ausarbeiten, Rechnungen unterschreiben, Gehälter auszahlen...
Zwei Stunden vergingen, in denen Ashley vollkommen in ihrer Arbeit versank und die Welt um sich vergaß, denn tatsächlich war sie einer der wenigen Personen, die diese Arbeit gerne machte. Die gerne stundenlang Dinge recherchierte, beantwortete und nachschlug. Es war beruhigend und brachte sie von ihren sonst so wirren Gedanken ab.
Kurz fühlte sich ihre Welt so an, als wäre sie wieder im Gleichgewicht. Als gäbe es überhaupt keine Probleme.
Innerlich wusste sie, dass das nicht stimmte. Sie war immer noch sauer auf Liam, denn er hatte kein Recht gehabt sie so anzuschreien, oder so anzufahren wie er es gestern am Auto getan hatte.Außerdem hatte er kein Recht sie hier festzuhalten. Es fühlte sich falsch an, den ganzen Tag hier zu sitzen und auf den Abend zu warten, doch nach den vergangenen Stunden hatte Ashley ihre Arbeit bereits erledigt. Alle Emails waren geordnet und beantwortet. Alle Löhne zurückgezahlt, alle Auffälligkeiten markiert, dabei hatte die den Club von Hiltson herausgestrichen, und alle Finanzen wieder in eine Ordnung gebracht.
Nun hockte sie auf dem Bett, betrachtete die wenigen Schneeflocken beim Fallen und fühlte sich beinahe ein wenig einsam.
Sie vergrub ihr Gesicht in ihren auf den Knien aufgestützten Armen und seufzte. Sie wollte nach draußen, wollte sich mit Freunden im Park treffen, reden...
Aber sie hatte niemanden mehr, mit dem sie das tun könnte. Sie hatte keine Liv mehr, mit der sie über Jungs lästern konnte, oder welcher sie stundenlang beim Malen zusehen konnte...Es war, als überwältigten sie diese Gefühle, denn Ashley konnte nicht verhindern dass sie wieder zu weinen anfing.
Eine stille, kalte Einsamkeit legte sich um sie, wie der Schnee sich auf die Stadt legte.
Ashley fühlte sich so einsam, dass sie das Gefühl zuerst gar nicht greifen konnte. Es schwebte vor ihr, blieb nah genug um weh zu tun, verschwand aber nicht.
Sie hasste es und konnte doch nichts dagegen tun.Ohne weiter darüber nachzudenken, stand sie auf, nahm ihre Jacke vom Schrank und ging nach unten.
Daniel musterte sie still. Er schien zu kochen. Ashley wusste gar nicht das er das konnte, doch wirklich interessieren tat es sie dann auch nicht.
Er hatte Kopfhörer auf und tat schließlich so, als hätte er sie gar nicht gesehen.
Ashley formte ein stummes: „Dankeschön.", und verschwand durch die Tür in den Flur, wo sie sich ihre Schuhe anzog. Dann rannte sie beinahe fluchtartig aus dem Apartmentkomplex.
Liam könnte jede Sekunde mit dem Lift kommen, also nahm sie die Treppen. Immer zwei auf einmal.
Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, dass sich nach draußen schlich, doch auf eine gewisse Art war sie das auch.Die eiskalte Luft schlug ihr erschreckend entgegen und sie schauderte. Sie hatte nicht erwartet, dass es so schnell kalt werden würde.
Sie sah sich um und entdeckte einen Park nicht weit von Liams Apartment.
Er sah sehr schön aus, musste Ashley zugeben. Man sah einen Kiosk, an dem warme Speisen verkauft wurden. Eine Eislaufbahn war aufgebaut worden, wo Kinder mit ihren Eltern waren. Es gab auch eine große Wand für Straßenkünstler, einen Basketballplatz und einen angelegten Garten, welcher im Winter natürlich nicht verwendet wurde.
Der kleine Spielplatz in der Mitte rundete das Bild eines schönen Parks ab.
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Scherbenmeer
Fantasy- abgeschlossen - 1st Nightsky Award 2022 - 1st Schattenstern Award 2022 "Am Ende ziehen sogar die Sterne die (Selbst)-Zerstörung dem Leben vor..." Ashley De Luca. Wer den Namen hörte, machte einen Bogen darum und wer damit konfrontiert wurde, betet...