13 - Sein Plan (2)

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Es verging noch knapp eine Stunde, bis die ersten Wolkenkratzer am Horizont auftauchten. Layla wachte auch kurz darauf auf und machte sie noch einmal darauf aufmerksam, dass die Stadt sich in einem grauenhaften Zustand befand.

„Und wir sollten am Außenring langfahren! In der Stadt gibt es Kontrollen. Da finden die uns schneller, als uns lieb ist.", erklärte sie.

Liam lenkte sofort nach links, ohne mit der Wimper zu zucken.
Ashley hatte mehr und mehr das Gefühl, dass etwas nicht stimmte...

Doch ehe sie etwas hätte fragen können, hatten sie den Außenring erreicht. Ashley erinnerte sich noch, als sie die Stadt verlassen hatten. Wohnhäuser und Wiesen hatten den Ring gesäumt. Familien, Kinder und viele Menschen hatten sich dort ausgebreitet.

Jetzt klappte ihr der Mund auf.
Ruinen. Die Wohnhäuser waren Ruinen. Das Gebiet sah aus, als hätte es einen schlimmen Krieg überlebt! Wobei „überlebt" war der falsche Ausdruck...
Layla hatte Recht behalten. Armut hatte die Stadt überfallen. Überall saßen Kinder oder Erwachsene auf den Stufen der Häuser. Hin und wieder sah man zwei Streiten oder sich sogar prügeln.

Dann drehte Liam ab und tauchte unter einer Unterführung ab in den vorderen Bereich des Infernums.

Layla wurde sofort etwas hibbelig auf ihrem Sitz. Auch hier sah es nicht gut aus. Das Infernum war immer schon ein eher heruntergekommener Platz gewesen, aber es sah immer noch besser aus, als der Rest der Stadt!

„Park da vorne. Den Rest gehen wir zu Fuß!", wies Layla Liam an und dieser tat erneut, wie befohlen.

Liam folgte niemanden, schoss es Ashley durch den Kopf.

Wo war der Mann hin, der für jede Kleinigkeit von Befehl einen Streit hatte anfangen können?!

„Gut. Wenn wir der Straße dort folgen, dann kommen wir direkt zu Mitte.", erklärte die Zuckerwatte und band sich die Haare zusammen. Sie schien... glücklich. Als hatte sie es kaum erwarten können, wieder hier zu sein. Für sie schien dieses Gebiet wirklich wie ein Zuhause zu sein.

„Und wer garantiert uns, dass die uns nicht abknallen?", nuschelte Liam skeptisch und beäugte die Wölfe, die man auf den Straßen sah.
Layla grinste.

„Na ich!"

„Ach ja. Sehr beruhigend, wirklich."

Layla führte sie durch einige Straßen, welche stark an kleine Stadtviertel erinnerten. Nur waren es keine schönen, großen Häuser mit Garten, sondern eher kleine, heruntergekommene Baracken.
Die Wölfe starrten sie misstrauisch, bis ängstlich an und viele flüchtete schnell in ihre Wohnstätten zurück.

„Ich bezweifle, dass die mit mir warm werden.", nuschelte Ashley und Layla warf ihr ein mitleidiges Lächeln zu.

„Alles gut. Sie haben eben Angst. Michelle sucht nach dir und ... nun du weißt ja."

Nickend verschränkte Ashley ihre Finger miteinander.
„Schon gut."

Schließlich kamen sie bei einem etwas größeren Haus an, das an den kleinen Marktplatz grenzte, den Ashley bei ihrem letzten Besuch bereits bewundern durfte.

Liam folgte den beiden Fähen missmutig. Ashley konnte spüren, dass er nicht viel von ihrem Besuch hier hielt.

Kaum hatten sie den breiten Flur des Hauses betreten, kam ihnen eine junge Frau, die Ashley als Celina wiedererkannte, entgegen.
Breit strahlend zog sie Layla in ihre Arme.

„Die Soldatin ist nach Hause zurückgekehrt! Und das mit Erfolg!", stellte sie strahlend fest.
Ashley betrachtete das Bild vor ihr weniger begeistert. Das Celina ihre Schwester war, schön und gut, aber musste sie Layla so... offen begrüßen?!

„Kommt doch rein!"
Celina trat einen Schritt zur Seite und gab nun den Blick auf das Wohnzimmer preis, das Ashley letztens gar nicht so aufgefallen war.

Zwischen alten Polstermöbeln stapelten sich Kissen, Decken und Bücher.
Auf dem flauschigen Teppich stand ein runder Wohnzimmertisch aus Holz.
Der Möbelgruppe gegenüber an der Wand, stand eine alte Fernseherkiste auf einem Regal, in welcher ein Journalist Nachrichten zum Besten gab.

Ansonsten war der Raum recht klein und gemütlich. Weiße Vorhänge wehten in der Sommerbrise und kurz könnte man vergessen, wo sie sich gerade befanden.

„Es ist schön dich wieder zu sehen, Ashley. Unser letztes Treffen war nicht sehr... angenehm.", begrüßte Celina sie und Ashley versuchte sich an einem Lächeln.

„Ja, stimmt wohl."

Eine wirklich seltsame Stille folgte, die Celina aber gekonnt zu überwinden wusste.

„Du bist sicher nicht nur wegen Derrick hier, oder? Ah, wie hieß er doch gleich... Justin, ja?"

Ashley sah zu Layla und wieder zu ihrer Schwester.
„Ja schon, aber sein Begräbnis war doch sicher schon."

Das Lächeln fiel von Celinas Lippen.
„Oh Sweetheart.", seufzte sie traurig. Layla war so freundlich sie aufzuklären.

„Seit Michelle wahnsinnig wurde, gibt es gar keine Begräbnisse mehr, Ash. Alle Ereignisse wurden strick untersagt und sonst mit vielen Toten... bestraft."

Das überraschte die junge Wölfin kaum, aber es machte sie traurig.
„Verstehe...", nuschelte sie. „Aber wo ist er dann?"

Layla streckte ihre Hand nach ihr aus.
„Komm mit."

Kurz fühlte sich Ashley etwas vor den Kopf gestoßen.

„Keine Sorge. Wir haben ihn hier begraben, damit du dich verabschieden kannst.", erklärte sie dann und Ashley ergriff ihre Hand.

Sie verließen das Haus durch einen hinteren Eingang und folgten einer kleinen Straße, bis sie an einem kleinen Friedhof ankamen.
Durch ein kleines Eisentor kam man hinein. An dessen Seiten standen zwei blühende Rosenbüsche, von welchem Ashley eine Rose abzwickte.

Dann folgte sie Layla zu einem sehr frischen Grab.

Justin Norris.
22 Jahre alt.
Ruhe in Frieden.

Layla war so gut, dass sie Ashley am Grab alleine ließ und sich auf die Friedhofmauer setzte.

Stille umgab Ashley und sie ging vor dem Grab in die Hocke.

„Hey...", murmelte sie und strich leicht über die Umrandung des Grabsteins.
„Du warst zwar ein guter Schauspieler aber... solange kannst selbst du dich nicht totstellen, hm?
Ich weiß, du hättest mir viel vorzuwerfen, aber glaub mir. Ich bin dir lange voraus. Du hast allerdings auch jedes Recht dazu, weißt du? Ich bin daran schuld, dass du überhaupt hier liegst. Ohne mich, wäre Liv nicht gestorben und du... du hättest dich dann nicht umgebracht. Ich habe viel zu viele Leben auf dem Gewissen, aber ich versuche es wieder gut zu machen! Auch wenn ich weiß, dass eine gute Tat, keine tausend Schlechte ersetzen kann."

Langsam streckte sie ihre Hand aus und legte die Rose vor den Grabstein.
„Aber ich habe alles immer ernst gemeint. Unsere Freundschaft war mir immer wichtig. Ich glaube... zum Ende war sie mir für meinen Lebensstil sogar zu wichtig. Ich war zwischen euch und meiner Welt hin und hergerissen und wusste nicht wohin. Könnte ich in der Zeit zurückreisen, würde ich vieles davon ungeschehen machen."

Vorsichtig legte sie ihre Finger auf den Grabstein und begann mit einer kleinen Kralle etwas unter die Schrift zu ritzen.

„Mögest du mit dem Zirkel des Mondes deine Frieden finden.", flüsterte sie, nachdem sie das Symbol der Mondphasen vollendet hatte.

„Alles gut?", fragte Layla und sprang von der Mauer, als Ashley zurück zum Eingang kam.

„Denke schon."

„Dann lass uns zurück. Celina hat sicher schon angefangen Essen zu kochen!", schwärmte Layla und schnappte nach ihrer Hand.

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