Es war berauschend.
Als Ashley ihre Augen schloss und sich auf ihre Verwandlung konzentrierte.
Sie fühlte wie ihr Blut schneller durch ihre Adern pumpte und ihre Knochen sich verformten und neu ordneten. Noch nie hatte sie ihre Verwandlung so stark wahrgenommen, wobei sie sich auch nie wirklich darauf konzentriert hatte.Plötzlich war alles intensiver.
Sie roch den erdigen Geruch des Waldbodens, die herbe Note der Nadeln, hörte den Wind durch die Blätter rauschten, hörte das Unterholz knacksen.
Dann wurde sie auch schon von ihren Pfoten gerissen.Layla hatte sich mit voller Wucht auf die schwarze Wölfin geworfen.
Mäuler schnappten verspielt nach einander, Zähne knabberten an Ohren, Pfoten drückten Matsch und Dreck in das Fell des jeweils anderen Wolfes.
Sie rollten über den moosbewachsenden Waldboden und jagten sich zwischen den Stämmen durch den Wald. Das Wild flüchtete panisch vor den zwei jungen Wölfen, die bellend und jaulend durch den Wald jagten.Ihre Pfoten trafen auf das kalte Wasser eines kleinen Flusses. Layla wartete keine Sekunde und rang sie nieder.
Ashley hatte keine Kontrolle mehr über das was ihr tierischer Instinkt tat. Ihre Gestalt hatte sich mit ihren Gedanken gewandelt und geändert.Wie ein junger Welpe hüpfte sie durch die Wellen, hatte keine Sekunde später einen Fisch zwischen den Zähnen und trabte stolz auf Layla zu, die sich, die Pfote leckend, am Rand des Flusses stand.
Sie teilten sich den Fisch. Layla schien dies gewöhnt zu sein, während Ashley all diese neuen Eindrücke verwirrten.
Es war so neu.
Der Geschmack des rohen Fisches auf ihrer Zunge, der Geruch von Wald und Erde.
Für Ashley war dieses Gefühl etwas völlig unbekanntes, doch es schien sie auch zu befreien.
Es war ein Gefühl von Freiheit, dass sie bis heute nicht gekannt hatte.
Es war, als stünde sie vor all diesen Scherben ihres alten Selbst und konnte nun endlich dahinter sehen.
Konnte sehen, was dort am Horizont lag.Doch nicht nur das war neu. Es waren all diese Eindrücke. Alles war so viel intensiver! Nicht nur die Gerüche und die Geräusche.
Es war auch das Gefühl ihres Körpers.
Sie fühlte alles. Jede kleineste Regung im Boden.
Sie spürte Laylas Tritte hinter sich. Erfühlte, wenn sie langsamer wurde, oder schneller um sie wieder von der Seite ansprang.
Sie schien beinahe mit dem Wald und seiner Existenz zu verschmelzen.Die Stunden vergingen so rasend schnell, Ashley hatte das Gefühl, es waren nur Minuten vergangen, als die Sonne sich langsam dem Horizont neigte und dem Wald ein neues Kleid verlieh.
Layla leitete den Weg zurück zu Quelle und Ashley folgte. Sie hatte keine Ahnung wie weit sie gerannt waren, wieso und wohin.
Sie wusste nur, sie wollte nicht nach Hause.
Sie wollte sich nicht mehr ihrem Leben stellen. Sie wollte am liebste ewig hier, neben ihrer Luna, durch den Wald traben und frei sein.Layla hatte Recht gehabt. Das Leben hier draußen war anders. Freier. Doch Ashley vergaß dabei auch ein wichtiges Detail.
Sie und Layla waren kein Rudel. In einem Rudel galten andere Regeln, andere Sitten.
In dieser Hinsicht war Ashley zu... menschlich aufgewachsen.Sich zurück zu verwandeln dauerte einige Zeit, da Ashley sich erst mit ihrem Wolf auseinander setzen musste. Doch letztendlich lag sie schwer atmend neben Layla im Moos und starrte in den Sternenhimmel, der sich über ihnen, wie ein Zelt, spannte.
Aneinander gekuschelt, den Herzschlag des anderen spürend, lagen sie dort und Ashley fragte sich, ob sie den Bund nicht doch schon eingegangen waren. Ob sie nicht doch schon... eins waren. Gerade fühlte es sich so an.
Wie... sollte das eigentlich funktionieren?
Ja, zwei Frauen konnten Sex haben, aber... sie konnte ja wohl kaum wirklich in Layla eindringen...
Sie konnten nicht, wie es immer so kitschig beschrieben wurde, verschmelzen.
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Scherbenmeer
Fantasy- abgeschlossen - 1st Nightsky Award 2022 - 1st Schattenstern Award 2022 "Am Ende ziehen sogar die Sterne die (Selbst)-Zerstörung dem Leben vor..." Ashley De Luca. Wer den Namen hörte, machte einen Bogen darum und wer damit konfrontiert wurde, betet...