10. Kapitel📚

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Als ich am nächsten Morgen erwache, springe ich voller Vorfreude aus dem Bett. Heute kann ich endlich wieder in den Wald!

Schnell streife ich mir meine engen braunen Hosen über, knöpfe die weiße Bluse über der Brust zu und wasche mir das Gesicht. Als ich in den Spiegel schaue, blickt mir eine kritische Miene entgegen. Meine rotbraunen Locken stehen mir in alle Richtungen vom Kopf ab. Mühsam versuche ich, meine Haare in die richtige Position zu bringen. Ich wende viel mehr Zeit dafür auf als sonst, bin mit dem Ergebnis schlussendlich trotzdem nicht zufrieden.

Was gebe ich mir hier bloß für eine Mühe, schließlich gehe ich nur in den Wald, sage ich zu mir selber. Dennoch zupfe ich noch ein, zwei Mal eine Locke zurecht und strecke dann meinem Spiegelbild die Zunge raus. In Windeseile renne ich die Treppen hinunter und betrete den Innenhof. Hoffentlich steht Samyr nicht am Eingangsposten, sonst wird er mir bestimmt anbieten, mich zu begleiten. Aber heute habe ich Glück und es ist mein dritter Bruder Tyran, der am Tor Wache hält. Er scheint etwas zugenommen zu haben, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Es steht ihm aber gut.

„Morgen Ayla!", ruft Tyran, als er mich auf sich zukommen sieht. „Bist du auf dem Weg zu einem neuen Kuppelopfer?"

Häh? Als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sieht, fügt er lachend hinzu: „Ich spreche von unseren Brüdern, Mylan und Kyle. Glaub ja nicht, ich hätte deinen Plan nicht durchschaut. Du willst uns wohl alle unter die Haube bringen, was? Aber bevor du überhaupt nur darüber nachdenkst; lass die Finger von meinem Liebesleben. Kyle und vor allem Mylan scheinen dein Kuppeln ja nötig zu haben, einer unbeholfener als der andere, wenn's um die Frauen geht. Ich hab mich schon oft gefragt, wie lange es dauert, bis Mylan endlich die Augen aufmacht und sieht, dass Kyra wie für ihn geschaffen ist. Das hast du schön hingekriegt. Aber ich komme mit dem anderen Geschlecht ganz gut alleine zurecht, verstanden?"

Er zwinkert mir zu und nimmt mich in den Arm. Ich verschwinde beinahe unter seinen massigen Armen.

„Woher weißt du von ...?", setze ich an, doch Tyran unterbricht mich mit einer wegwerfenden Handbewegung.

„Hast du vergessen, wen du vor dir hast? Wenn es Neuigkeiten auf der Burg gibt, bin ich der Erste, der davon erfährt!"

Da hat er recht. In dieser Hinsicht ist er schlimmer als alle Tratschtanten hier zusammen. Eine total untypische Eigenschaft für seinen sonst so wilden und männlichen Charakter. Aber eben auch irgendwie liebenswert.

Wir grinsen uns gegenseitig zu. Jetzt fange ich auch schon damit an!, schießt mir durch den Kopf.

„Gut, dann werden meine Dienste hier auf der Burg ja nicht mehr benötigt und ich kann mich getrost auf den Weg in den Wald machen", sage ich und wende mich zum Gehen um.

Doch Tyran hält mich noch kurz zurück und sagt mit leicht beunruhigter Stimme: „Aber halte dich bitte von der Grenze fern, Ayla. Kyle behauptet steif und fest, er hätte in der letzten Woche schon zwei Mal einen jungen Vulpari direkt an der Grenze gesehen. Normalerweise halten ja beide Seiten einen Sicherheitsabstand, aber vielleicht sind sie nicht mehr zufrieden mit ihrem Territorium. Hoffentlich gibt es keine Gebietskämpfe."

Erschrocken erwidere ich seinen düsteren Blick. „Gebietskämpfe? Gibt es die denn öfters? Ich habe noch nie von einem gehört. Mylan hat mir mal gesagt, dass weder Vulpari noch Satari die Grenze je überschreiten."

Tyran stößt ein bitteres Lachen aus. „Nein, öfters gibt es die nicht. Und der letzte große Gebietskampf ist schon lange her, das war noch vor unserer Zeit, kurz nach der großen Spaltung, falls du dich an unsere Gespräche darüber erinnerst."

Ich versuche, ein möglichst gleichgültiges Gesicht zu machen. Innerlich brenne ich jedoch vor Neugier darauf zu erfahren, was er zu berichten hat.

Er fährt fort: „Aber Mylan hat keine Ahnung von der Grenze, der sitzt ja den ganzen Tag nur zwischen seinen Büchern und dort drin steht davon nichts geschrieben. Es kommt ganz selten schon mal vor, dass ein Vulpari sein Gebiet überschreitet und dann kommt es natürlich auch zu Kämpfen. Aber an der Tagesordnung ist das nicht. Und selbstverständlich erzählen wir davon auch nur dem König, die anderen Clanmitglieder sollen nicht unnötig beunruhigt werden."

Da ist sie wieder, diese Trennung von König und Volk, denke ich missbilligend.

„Nun wie gesagt, es scheint bisher nur ein einzelner junger Vulpari zu sein, keine Gefahr für unsere Jäger. Aber man weiß nie, wie so einer reagiert, wenn er auf einen von uns trifft. Und vor allem möchte ich nicht wissen, wie er reagieren würde, wenn er auf dich träfe."

Er streicht mir eine Locke zurück, die sich schon wieder gelöst hat.

„Ich will dir keine Angst machen und ich weiß, du bist ein kluges Mädchen. Sei einfach ein bisschen vorsichtiger als sonst und bleib schön von der Grenze weg. Zudem werde ich auch gleich losgehen und am Gebietsübergang patrouillieren. Dann wagt sich der Vulpari hoffentlich nicht hinüber!"

Unwillkürlich beginnt mein Herz wie wild zu klopfen. Ein junger Vulpari schleicht an der Gebietsgrenze umher? Das muss doch fast Eliya sein ... Aber warum? Hofft er, dass ich noch einmal leichtsinnig genug bin, mich auf verbotenes Territorium zu begeben, damit er zu Ende bringen kann, was ihm letztes Mal zu meinem Glück nicht gelungen ist?

Ich möchte aber auf keinen Fall, dass Eliya und meine Brüder aneinandergeraten und es zu Gebietskämpfen kommt. Falls Eliya tatsächlich meinetwegen an der Grenze umherstreunt, sollte ich ihn davon überzeugen, es auf sich beruhen zu lassen ...

Mit schlechtem Gewissen verspreche ich Tyran, mich nicht in Gefahr zu bringen und dann mache ich mich endlich auf in den Wald.

Mit schlechtem Gewissen verspreche ich Tyran, mich nicht in Gefahr zu bringen und dann mache ich mich endlich auf in den Wald

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Ayla - Unsterbliche Liebe |abgeschlossen 📓 (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt