11. Kapitel📚

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Fieberhaft versuche ich mich an den Weg zu erinnern, den ich an jenem Tag eingeschlagen habe. Es fällt mir ziemlich schwer, da ich kaum darauf geachtet habe, wohin ich gerannt bin. Ich habe einfach blindlings den Luchs verfolgt. Ab und zu komme ich an einer Stelle vorbei, von der ich glaube, diese während der Jagd passiert zu haben. Nach zwei Stunden im Schritttempo aber habe ich die Lichtung mit dem Findling noch immer nicht erreicht und werde langsam ungeduldig. Ich bin damals zwar fast die gesamte Strecke gerannt, aber sehr viel weiter kann ich in einer Stunde mit Rennen auch nicht gekommen sein. Irgendwo hier muss das Ende des Satarigebietes sein ...

Auf einmal knackt unweit von mir etwas im Unterholz. Blitzschnell drehe ich meinen Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. Ich glaube, einen fast kahl geschorenen Kopf im Gebüsch verschwinden zu sehen und renne hinterher. Wie damals auf der Verfolgungsjagd des Luchses nehme ich meine Umgebung nicht mehr richtig wahr und bin vollkommen auf mein Ziel fixiert. Ich renne ihm schnurstracks hinterher und springe ohne Mühe über jedes Hindernis, das mir in die Quere kommt. In dem Moment, als ich einen weiteren Busch überspringe, packt mich plötzlich eine raue Hand und reißt mich unsanft zurück.

„Sag mal spinnst du, Ayla?!"

Überrascht blicke ich in das wutverzerrte Gesicht von Tyran. Mit der Hand zeigt er auf eine violette Markierung an dem Baum, an welchem ich beinahe vorbei gerannt wäre. Die Grenzmarkierung! Ich habe die Grenze gefunden, in meinem Wahn aber beinahe schon wieder überschritten. Ich schlucke leer. Was denke ich mir bloß dabei? Tyran rastet wahrscheinlich total aus. Wütend zieht er mich mit sich in die Richtung, aus der wir gekommen sind.

„Rennst wie ein aufgescheuchtes Reh auf die Grenze zu und wärst beinahe darüber hinaus! Wo hast du bloß deinen Verstand gelassen? Hast du mir vorhin überhaupt zugehört? Ist das etwa ein Spiel für dich, eine Art Mutprobe? Ich dachte echt, du wärst klüger!"

Oh, oh, er ist wirklich sehr wütend ...

Und ich weiß ganz ehrlich nicht, was ich darauf entgegnen soll. Ich kann nicht einmal die Ausrede bringen, dass ich einem Tier nachgerannt bin, schließlich habe ich Mylan versprochen, nicht zu jagen. Also versuche ich mich mit einer anderen Notlüge aus der Affäre zu ziehen.

„Doch, ich habe dir sehr wohl zugehört und deine Warnung ernst genommen. Aber als ich so durch den Wald lief, habe ich plötzlich ein komisches Rascheln gehört und habe es mit der Angst zu tun gekriegt. Die ganze Geschichte von diesem umherstreifenden Vulpari hat mich paranoid gemacht und ich dachte, er wäre hinter mir her, also bin ich losgerannt."

Mit hochrotem Kopf presst Tyran hervor: „Aus Angst vor einem Vulpari bist du also losgerannt, aber nicht in Richtung Burg, sondern direkt auf das Vulparigebiet zu?"

Ich glaube, in der Nähe ein leises Lachen zu hören. Auch mein Bruder scheint es gehört zu haben und er schiebt mich hastig hinter seinen Rücken.

„Nur ein Vulpari lacht so abscheulich", knurrt er hasserfüllt. Und dann meint er ärgerlich an mich gewandt: „Dank dir muss ich ihn jetzt laufen lassen. Hättest du dir nicht einen anderen Tag aussuchen können, um an der Grenze herumzulungern? Wirklich eine Schande, dass ich dem jetzt nicht hinterher kann. Aber ich muss dich zurück zur Burg bringen. Am Schluss verläufst du dich wieder und ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn dir jetzt was zustößt, weil ich dich nicht nach Hause gebracht habe."

Im ersten Moment will ich protestieren und sagen, ich käme auch alleine wieder zurück, doch was, wenn das eben wirklich Eliya gewesen ist? Wenn die beiden aufeinandertreffen, wird es einer von ihnen vermutlich nicht überleben ...

„Tut mir leid, Tyran", sage ich mit so viel Reue in der Stimme, wie ich aufbringen kann. „Aber ich wäre wirklich froh, wenn du mich zurückbringst. Ich habe vorhin echt Angst bekommen."

Er taxiert mich mit schief gelegtem Kopf. Ob er mir das abkauft? So oder so, wir machen uns zusammen auf den Rückweg. Tyran sagt die ganzen zwei Stunden kein Wort mehr. Wahrscheinlich reißt er sich am Riemen, um mich nicht noch mehr zusammenzustauchen. Als wir die Burg erreicht haben, bedanke ich mich bei ihm.

Er murrt ein „Musste ja sein" und fügt dann deutlicher hinzu: „Wenn du nicht willst, dass wir dir verbieten in den Wald zu gehen, dann pass von jetzt an gefälligst auf. Vor allem, wenn wir dich warnen, nicht zu nahe an die Grenze zu gehen."

Ich fühle mich schuldig. Im Moment mache ich meinen Brüdern ganz schön zu schaffen. Aber ich will auf keinen Fall, dass auch Tyran mir noch Hausarrest aufbrummt, denn er wird ihn dann nicht mehr so schnell wieder aufheben. Also verspreche ich es ihm. „Mach dir keine Gedanken mehr um mich, ich war nur etwas durch den Wind wegen dieser ganzen Sache, aber jetzt bin ich wieder klar im Kopf."

Ich klopfe mir mit der geschlossenen Faust auf den Schädel. Tyran kneift die Augen zusammen, ich sehe jedoch, dass seine Mundwinkel leicht zucken. Er dreht sich um und geht zurück in den Wald.

 Er dreht sich um und geht zurück in den Wald

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Ayla - Unsterbliche Liebe |abgeschlossen 📓 (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt