Die rote Tür

Trautes Heim, Glück allein?

Nach etwa 30 Minuten Fahrt erreichten Tessa und Nathan endlich das Herrenhaus. Schon als sie den langen Schotterweg des Anwesens entlang fuhren, fühlte Tessa sich sofort in ihre Kindheit zurückversetzt. Sie erinnerte sich noch, wie sie damals mit dem Jungen der Hauswirtschafterin Verstecken spielte und Ärger bekam, wenn sie zu lang weg war. Und trotzdem genoss sie die Zeit mit ihm. Tessa hatte an sich zwar eine glückliche Kindheit, war jedoch oft alleine. Sie hatten keine Nachbarn und Tessa wurde daheim unterrichtet, weshalb sie das Anwesen so gut wie nie verließ. Auch wenn das Haus und das Gelände riesig waren, fühlte sie sich immer wie ein Vogel im goldenen Käfig. Und nun war sie wieder dort. Der Vogel war zurück in den Käfig geflogen. Doch diesmal... diesmal war alles anders. Sie konnte kommen und gehen, wann sie wollte und es gab niemanden, der es ihr verbieten konnte. Es war kein Käfig mehr, es war nur ein Haus. Das dachte Tessa zumindest. Als sie aus dem Auto stieg und langsam die großen Treppen hinaufstieg zur großen hölzernen Tür, fing ihr Herz an zu rasen. Dies war lange Zeit ihr Zuhause gewesen... konnte es das wieder werden?

Nathan spürte, dass Tessa unglaublich nervös war, nahm sie in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Er nahm ihre Hand und beide steckten zusammen den Schlüssel ins Schloss und öffneten die Tür. Seit vier Jahren hatte sie keinen Fuß mehr in dieses Haus gesetzt und nun war es soweit. Es fühlte sich komisch an für sie... als würde ihr Onkel jeden Moment auftauchen, um sie zu begrüßen. Immer wieder vor seinem Tod hatte er Tessa Briefe geschrieben und sie wiederholt gebeten, ihn doch mal wieder zu besuchen. Doch das tat sie nicht. Nicht wegen ihres Onkels... sondern wegen des Hauses und der Erinnerungen, die mit ihm verbunden sind. Und nun... nun würde ihr Onkel sie nie wieder begrüßen, wenn sie durch diese Tür trat. Nie wieder. Für Nathan war es das erste Mal, dass er ein derartig großes Haus von innen sah. Es zog ihn sofort in seinen Bann und er sah das Potenzial dieses doch leicht heruntergekommenen Anwesens. Sie beide waren sehr kreativ und hatten sofort viele Ideen, was sie verändern könnten. Sie sahen sich einen Raum nach dem anderen an, es gab fünf Schlafzimmer, drei Bäder, einen Salon, ein Musikzimmer, natürlich eine Küche... und dann gab es da noch den Raum. Den Raum mit der roten Tür. Nathan versuchte sie zu öffnen, doch kurz bevor er die Klinke berühren konnte, kam Tessa ihm zuvor und sagte: "Egal was du tust, halte dich fern von der roten Tür..."