Tessa lässt nicht locker

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Agnes stockte für einen kurzen Moment, dann erzählte sie weiter: "Ich lief sofort runter ins Foyer, doch als ich den Raum erreichte, schlug er die Tür zu und kam zwei Tage lang nicht wieder raus. Er sagte immer wieder nur, dass er nicht gestört werden wolle. Das respektierten wir selbstverständlich, trotz aller Freundschaft war er ja immer noch der Herr des Hauses und wir seine Angestellten.

Nach diesen zwei Tagen kam er früh morgens aus dem Raum heraus, verschloss die Tür und öffnete sie nie wieder. Seitdem hat er das Anwesen nie wieder verlassen und ließ niemanden auch nur in die Nähe der Tür." Als Agnes fertig war mit ihren Ausführungen, wusste Tessa nicht was sie sagen sollte. Was war dort bloß passiert und warum hatte er nie jemandem erzählt, was in jener Nacht geschehen war?

Nachdem Tessa nun zumindest eine Ahnung hatte, weshalb ihr Onkel diese Tür so unbedingt verschlossen halten wollte, war ihre Neugier erneut entfacht. Sie ging davon aus, dass es sehr viele interessante Artefakte in diesem Raum geben musste, schließlich hatte er früher solche dort gelagert. Mr Carrywinter war jedoch sehr pflichtbewusst, niemals würde er sein Versprechen brechen und Tessa den Schlüssel aushändigen... deshalb musste sie sich etwas anderes einfallen lassen.

Zwei weitere Stunden vergingen, bis Nathan aus der Stadt zurückkehrte. Tessa stürmte sofort auf ihn zu und bat ihn, in das gemeinsame Schlafzimmer zu gehen. Danach bat sie Agnes das Abendessen und Mr Carrywinter den Salon für besagtes Abendessen vorzubereiten. Als beide beschäftigt waren, ging sie hoch zu Nathan und schloss hinter sich die Tür. "Irgendetwas stimmt mit dieser roten Tür nicht. Ich habe ein ganz ungutes Gefühl. Nachdem du weg warst, habe ich versucht aus den beiden herauszukriegen, was sich dahinter verbirgt, doch sie beteuern, dass sie es nicht wissen. Immerhin konnten sie mir sagen, dass mein Onkel früher seine Exponate dort gelagert hat, bis er irgendwann durchgedreht ist, aus unbekannten Gründen. Was mag da bloß passiert sein? Was kann so schrecklich sein, dass man einen Raum bis zu seinem Tod und darüber hinaus verschlossen hält?"

"Tess, ich weiß ja, dass du neugierig bist. Bin ich auch. Aber ich glaube, wir sollten das erst mal auf sich beruhen lassen... die beiden scheinen mich nicht sonderlich zu mögen und ich will es mir mit ihnen nicht verscherzen, da sie dir wichtig zu sein scheinen. Und ihnen scheint es wichtig zu sein, dass der Raum zu bleibt. Wir sollten erst mal den Rest renovieren und danach können wir uns der Tür widmen, okay?" Tessa war verdutzt. Noch ein paar Stunden vorher wollte er unbedingt wissen, was hinter der Tür war und nun, als sie bereit war, zusammen mit ihm zu forschen, machte er einen Rückzieher? Das sah Nathan überhaupt nicht ähnlich. "Ach komm schon Nate, Mr Carrywinter ist etwas exzentrisch, das geb ich zu und Agnes... naja Sie ist eben Agnes. Sie werden sich an dich gewöhnen und wenn sie erstmal eine Chance hatten dich kennenzulernen, werden sie dich lieben. Aber es ist doch mein Haus, unser Haus. Da könnten so viele wertvolle und interessante Dinge in diesem Raum sein. Wir müssen nur die Tür irgendwie aufbekommen. Carrywinter hat zwar den Schlüssel, würde ihn aber niemals rausrücken. Also sei kein Frosch und lass uns nachdenken... Bist du dabei?"

Nathan dachte kurz nach und auch wenn er es für eine sehr schlechte Idee hielt und sich sicher war, dass das Ganze Ärger verursachen würde, stimmte er zu. Er war von Natur aus einfach sehr neugierig und wenn dann noch Tessa ihren Hundeblick aufsetzte und ihre smaragdgrünen Augen ihn anschauten, da konnte er einfach nicht widerstehen: "Also gut Tess, du weißt, ich kann dir keinen Wunsch abschlagen. Aber wir müssen vorsichtig vorgehen, wir wollen ja niemanden verärgern. Ich werde morgen noch ein paar Dinge besorgen und morgen in der Nacht werden wir versuchen in diesen Raum zu kommen. Deal?" "Deal!", sagte Tessa und hob die Hand für ein High Five. Nathan schlug ein und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Tessa und Nathan gingen runter, um zu schauen, wie weit das Abendessen war. Agnes war eine wahre Zauberin in der Küche. Egal wie wenig Zeit ihr zur Verfügung stand, sie zauberte stets ein ordentliches Mahl. Als sie den Salon erreichten, war der Tisch bereits mit feinstem Porzellan und Silber gedeckt, die Kerzen leuchteten und Agnes kam nur Minuten später mit dem Essen herein. Agnes und Mr Carrywinter wollten gerade wieder gehen, sie waren es gewohnt, in der Küche zu dinieren und nicht am selben Tisch wie der Hausherr, doch Tessa bestand darauf, dass sie alle zusammen aßen. Die Stimmung war leicht angespannt, aber Nathan schaffte es, ein Gespräch mit den beiden am Laufen zu halten und langsam, Stück für Stück, tauten die beiden auf. Nach dem Abendessen fing Agnes an den Tisch abzuräumen, Mr Carrywinter half ihr. Tessa zog sich zurück, um an ihrem neuen Roman zu arbeiten und Nathan verließ das Haus, um sich das Anwesen anzuschauen, denn alles hatte er noch lange nicht gesehen.

Die rote TürWo Geschichten leben. Entdecke jetzt