13. Sushi mit Händchenhalten

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Erst jetzt registrierte Theresa, was Paul für ein Lokal ausgesucht hatte: es handelte sich um einen etwas gehobeneren Japaner, oder auch überhaupt einen Asiaten. Ohne einen Blick auf die Speisekarte zu werfen, war dies schwierig zu beurteilen. Aber ihre Augen leuchteten schon mal, als sie einen Live-Koch die Messer wetzen sah und zwei weitere unermüdlich Sushi rollten und auf einer riesigen Servierplatte hübsch anrichteten. „Oh wow", entfuhr es ihr. Sie hatte noch gar nicht den ganzen Laden in seiner Gesamtheit erfasst, da stand schon eine breit grinsende Bedienung neben den beiden und als Paul seinen Namen äußerte, wuselte die Frau sofort zum reservierten Tisch, rückte die Stühle vor und bat in sich überschlagenden Freundlichkeit, Platz zu nehmen. Zu Theresas Freude saßen sie sich nicht gegenüber, sondern im 90-Grad-Winkel nebeneinander, sodass man bestimmt in Laufe des Abends die ein oder andere Zärtlichkeit problemlos austauschen konnte. Auch von der Lage her ließ der Tisch keine Wünsche offen. Obwohl das Lokal sehr groß war, lag ihr Tisch doch schön intim, fast abgelegen. Der Abstand zur Live-Küche als auch zum Fenster war groß genug, sodass Paul von potentiellen Fans, die ihn erkannten, schwer zugänglich war, und trotzdem hatte man nicht das Gefühl, auf einem Abstellgleis-Tisch zu sitzen. Perfekte Wahl. Paul würde dies bestimmt schon entsprechend veranlasst haben, sicherlich gehörte das für jemanden wie ihn einfach zum Alltag, wenn man hier mitten in der Stadt essen gehen, aber trotzdem seine Privatsphäre haben wollte.

„Und, wat sachste?", fragte er stolz, als er Theresa kurz Zeit gegeben hatte, die Umgebung auf sich wirken zu lassen. „Es ist perfekt. Aber wie konntest du wissen, dass asiatisch genau mein Fall ist? Wäre nicht der neutrale Italiener die bessere Alternative fürs erste Date gewesen?" „Ich war mir sicher." „So? Hast du einfach gepokert?", lockte ihn Theresa aus der Reserve. „Nö, ich war mir wirklich sicher." Triumphierend grinste er. „Also, ICH bin mir sicher, dass ich bis jetzt noch in KEINEM unseres Gespräche erwähnt habe, dass ich Sushi oder asiatisch mag." Paul lehnte sich leicht nach hinten und streckte die Füße aus, sodass sie nun Theresas Beine berührten. Sie zuckte kurz zusammen, entspannte sich jedoch augenblicklich wieder, als sie merkte, wie gut sich das eigentlich anfühlte. „Ach, Frau Glauer. Ich frag mich, wann Sie sich wohl damit abfinden werden, dass ick aus Ihrem Verhalten viel besser lesen kann als aus dem, wat Sie sagn." „Lass hören, Sherlock." „Auf der Hochzeit von Schneider und Ulli warst du die Einzige an unserm Tisch, die det Hühnchen jenommen hat. Und det war mit Koriander und Zitronengras, stand im Menü... Det mag nich jeder. Und als ich dich später noch in der Kinderecke besucht hab, hattest du dir vom Nachspeisenbuffet noch n paar jebackene Bananen und übriggebliebene Minifrühlingsrollen vom Snackbuffet jemopst. Gloobste, det hab ich nich jesehn?" Die Rothaarige amüsierte sich köstlich und war gleichzeitig total baff. Sie fand es niedlich, wie Paul immer mehr in Dialekt verfiel, sobald er sich warm redete. „Okay, da hast du Recht... ich bin zwar trotzdem der Meinung, dass das Zufall war, aber..." „Du hättst ja ooch die Minikuchen oder det Mousse au Chocolat nehmen können." „...das lassen wir mal gelten." „Dankeschön.", grinste Paul. „Leichte Übung."

Es dauerte tatsächlich fast zwanzig Minuten, bis die beiden es endlich geschafft hatten, zwei Hauptgerichte und eine gemeinsame Vorspeise auszusuchen. Theresa ließ sich gerne von Pauls guter Laune und vor allem Redseligkeit anstecken, und da ja beide noch im Taxi geklärt hatten, um was es hier eigentlich ging, konnte sich die Erzieherin auch entspannt zurücklehnen. Sie hatte ja selbst keine Ahnung, wohin das alles führen sollte, aber eins wusste sie mit Sicherheit: sie verbrachte unheimlich gerne Zeit mit dem quirligen Gitarristen und bekam Herzklopfen, wenn er bewusst oder unbewusst ihre Hand berührte, fing an zu zittern, wenn er ihr einen Kuss auf die Lippen hauchte und erwischte sich selbst mit einem leichten Grinsen dabei, wie ihre Beine sich unauffällig um die seinen schlangen, während sie sich unterhielten. Mit Paul zu reden war so leicht, wie der Kaffeeklatsch bei ihrer Freundin. Jetzt, da sie wusste dass sie ihn weder beeindrucken oder besonders cool wirken musste, konnte sich die Rothaarige viel mehr gehen lassen, und stellte zufrieden fest, dass sie sich nun selber auch gar nicht so übel fand. Das Thema Maxime und Kinder, und somit auch Theresas Job kam natürlich unweigerlich auf, wobei sie überrascht war, wie interessiert und aktiv Paul sich an diesem Gesprächsthema beteiligte. Ja klar, sie selbst hätte in Kollegendiskussionen und vor allem auf Schulungen auch ewig darüber philosophieren können, aber Paul?!

Tochter der Leere - Rammstein FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt