07. Prinzessin in Jogginghosen

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„Ich hab's doch gewusst, dass diese ganze 'Wir fahren auf den Pferdehof' Nummer nur ne Metapher war. Ihr Schlingel!" Theresa konnte nicht wirklich heraushören, ob das nun wirklich witzig oder ernst gemeint sein sollte. Dazu war sie wohl noch etwas zu überrascht und vor allem noch nicht lange genug wach. „Was machst DU denn hier?!", entfuhr es ihr. „Tja, das gleiche könnte ich dich auch fragen. Aber im Gegensatz zu Dir weiß ich Bescheid. Ich wurde ja schließlich auch eingeladen." „Tatsächlich?!" „Klaro. Richard meinte eben wie schon erwähnt, dass ihr heute auf den Reiterhof mit Maxime fahren würdet und wenn ich Lust hätte, sollte ich am Abend noch auf nen Absacker vorbeischauen, du wärst dann sicher auch noch hier und wir könnten uns eine gemütliche Runde machen."

Ehrlich?! Das hatte Richard Paul so gesagt?! Oh mein Gott, war das nett... Er hatte also schon damit gerechnet, dass sie auch später noch hier sein würde? Und er hatte PAUL gefragt, ob er auch kommen wollen würde?! Oder vielleicht noch besser: Hatte dieser etwa von sich aus nachgefragt, ob er auch dazustoßen könne?! Theresa musste sich schon wieder selbst bremsen, um nicht wieder in zu fantastische Gedanken zu verfallen. Schnell, sag irgendwas! Und stottere jetzt bloß nicht wieder rum! Doch Paul nahm ihr dies unbewusst ab, indem er nun anfing, den schlafenden Richard leicht an der Schulter zu schütteln. „Heee, Herr Gastgeber! Aufwachen! Was ist das denn hier für ein Freitagabend?!" „Was zum Henker...?!" Durch das unsanfte Wecken fuchtelte der Schwarzhaarige mit unkoordinierten Bewegungen in der Gegend herum, anscheinend versuchend, seinen „Angreifer" abzuwimmeln. Erst nach ein paar Sekunden begriff er die Situation. „Paul! Wie bist du denn hier reingekommen?!" „Deine werte Tochter hat mich reingelassen. Toller Start ins Wochenende ist das hier", wiederholte er sich, „die Erwachsenen pennen und das Kind kuckt Disneyfilme." „Dass ich dir kürzlich meinen Wohnungsschüssel entzogen habe, hat wohl nicht viel geholfen.", brummte Richard und setzte sich mürrisch auf. Auch er war noch nicht ganz wach, erst recht nicht, wenn man so unsanft aus seinen Träumen gerissen wurde. „Nö.", meinte Paul zufrieden und ließ sich wie selbstverständlich auf der Couch nieder, auf der Theresa bis vor wenigen Minuten noch geschlafen hatte. „Schuhe aus!", blaffte Richard. „Das hab ich dir schon 100x gesagt!" „Die sind nicht dreckig, außerdem ist es trocken draußen.", meinte Paul beiläufig und begann nun, sich mit Theresa zu unterhalten. „Warum ist der denn so mies gelaunt? Und warum seid ihr hier beide am Pennen? Ich hätte jetzt ehrlich gesagt schon etwas mehr Action erwartet." „DER hier ist vorhin gerade so dem Erstickungstod entronnen, deswegen feiern wir hier keine Party!", motzte Richard. Theresa war es – obwohl sie gar nichts dafür konnte – sichtlich unangenehm, dass Paul hier so reingeplatzt war und Richard mit seiner ja eigentlich liebevoll-lustigen Art so auf die Nerven ging. Aber so wie es sich anhörte, spielten die beiden dieses Spielchen nicht zum ersten Mal. Auch Maxime kannte die Sticheleien der beiden wohl schon. „Aha. Wie das?!" „Das sollte ich wohl besser erklären.", schaltete sich jetzt die Rothaarige ein, die den ganzen Nachmittag für Paul noch einmal Revue passieren ließ. Maxime hatte sich derweil wieder an den Fernseher fesseln lassen und der ungebetene Gast hatte sich mittlerweile eigenständig am Kühlschrank gütlich getan.

Schon während der Erzählung hatte Paul sein Amusement nur schwer unterdrücken können. „Oh Mann, was ne...", er riss sich der Kleinen zuliebe zusammen „...Misere... Ich wäre da jetzt ehrlich gesagt auch nicht drauf gekommen. Aber das ist doch komisch, Scholle. Wir sind doch damals auf Hiddensee auch zwei Wochen lang mit den Pferden am Strand gewesen und alles, da war doch auch nix." „Meine Rede! Ich hab keine Ahnung, was der Mist soll!" „Wenn das schon ein paar Jahre her ist, kann sich ja in der Zwischenzeit eine Allergie entwickelt haben.", meinte Theresa entschuldigend. „Egal.", meinte Richard, offenbar hatte er keine Lust mehr, über dieses Thema zu sprechen. „Für die Zukunft weiß ich Bescheid. Keine Pferde mehr, und keine Reitställe." „Neiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!", schaltete sich Maxime nun wieder ein, die anscheinend nur mit einem halbem Ohr bei der kleinen Meerjungfrau zugehört hatte. „Daddy, you promised!" „Aber du sieht doch mein Schatz, ich kann da nicht nochmal hin." Theresa kannte es aus dem Kindergarten, wenn sich das Heulen einer Kinder-Sirene ankündigte, und die Kleine gab gerade ebendieses Geräusch von sich. „Richard, ich will ja nichts sagen, aber ich glaube, es geht gleich wieder los...", meinte die Erzieherin unheilvoll. „Oh bitte nicht...", entfuhr es diesem, und er zog seine Tochter schnell zu sich auf den Arm, um einen weiteren Weinkrampf zu verhindern. Doch es half nichts, Maxime begann schon mit dem typischen Rotzen und die Tränen waren sicher auch nicht mehr weit. Hilflos warf Richard seine Blicke abwechselnd zu Paul und dann wieder zu Theresa. Wie sich diese schon gedacht hatte, würde Richard seine Tochter nicht einfach so der Erzieherin anvertrauen, auch wenn er diese nun schon einigermaßen kennen gelernt hatte. Sonst hätte er einfach gesagt, dass Theresa ja nächst Woche nochmal mit Maxime zum Stall fahren könnte. Also hielt sich Theresa nun lieber bedeckt. Sie wollte Richard nicht in die Parade fahren oder seine Absichten durch falsche Versprechungen untergraben. Doch dies führte natürlich dazu, dass Maxime nun doch wieder zu Weinen begann. Sie wollte doch einfach nur einmal reiten!

Tochter der Leere - Rammstein FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt