05. Barbies, Kuchen und Tequila auf Eis

182 7 0
                                    

Mehr als drei Wochen waren seit den Ereignissen der Hochzeit vergangen, ohne dass Theresa noch einmal Kontakt mit den Rammsteinern gehabt hätte. Zwei Wochen davon hatte sie selbst kaum eine ruhige Minute gehabt gehabt, über das Erlebte nachzudenken, da ihr die Zeit nur so in den Fingern zerrann. In der Kindertagesstätte hatte sie zwei Betriebsprüfer am Hals, die ihr den ganzen Laden auseinander nahmen. Die Erzieherin schwitzte Blut und Wasser, und war umso erleichterter, als am Ende der Prüfung keine großen Angelegenheiten zu beanstanden waren. Zudem ging es auf das Ende des Kindergartenjahres zu, das hieß für sie das alljährliche Sommerfest vorzubereiten, Infoabende für interessierte Eltern abzuhalten und Erledigung des liegen gebliebenen Papierkrams, der bis zu Beginn der Sommerferien fertig sein musste. Doch als all diese Aufgaben von ihr abfielen, kam sie ins Grübeln. Als sie nicht mehr jeden Tag halb tot ins Bett fiel und sofort einschlief, sondern noch lange wach lag und sich die Dialoge, Erlebnisse, Gefühle und Regungen des Hochzeitstages durch den Kopf gehen ließ, spürte sie jeden Tag eine größere Enttäuschung und Wehmut darüber, dass dies alles wirklich nur ein Traum gewesen sein musste. Ein Tag in ihrem Leben, so unwirklich und doch lebendig zugleich. Sie hatte nicht ernsthaft erwartet, noch irgendeine Reaktion zu bekommen. Doch mit jedem Tag, der verstrich, schwand auch noch das allerkleinste Fünkchen Hoffnung, das Theresa doch noch hatte glauben lassen, einen Anruf oder das erbetene Autogramm zu erhalten. Wie dumm war sie gewesen, überhaupt einen einzigen Gedanken daran verschwendet zu haben! Je länger sie dieser Träumerei nachhing, desto mehr würde es sie schmerzen. Doch ein Vergessen war gar nicht so leicht...

Hätte sie doch nur gewusst, dass er doch noch kam, dieser Tag! Der Tag, an dem sie zurückgeholt wurde in diesen wunderbaren Traum, der sich Rammstein nannte. Wenn sie im Nachhinein an diesen Tag zurückdachte, hätte sie noch genau sagen können, wann es gewesen war: Es war ein entsetzlich heißer Dienstagnachmittag, an dem Theresa bis zu den Knöcheln im Pferdedreck stand und die Mistgabel schwang, als ihr Handy wütend und schrill klingelte. „Wehe, Ramona meldet sich für morgen schon wieder krank!", fluchte die Rothaarige vor sich hin, während sie das Handy aus ihrer enganliegenden Hose popelte. Sie stutzte kurz. Unterdrückte Nummer. Wer konnte das sein?! Sollte sie überhaupt hingehen?! Damit das aggressive Getütel aufhörte, entschied sie sich letztendlich doch zum Abheben. „Ja, Theresa Glauer?", meldete sie sich förmlich und war schon ganz gespannt auf ihren Gesprächspartner. „Hey Theresa. Hier ist Richard.", ein kurzes Räuspern. Stille am anderen Ende der Leitung. „Hallo?" „Ähm ja, ich bin noch dran!!" „Ah, gut." Wieder Stille. „Du erinnerst dich noch an mich?" Natürlich! Wie könnte ich nicht?! „Ja, durchaus." „Hast du mal kurz Zeit, oder ist es gerade schlecht?" Theresa blickte an sich herunter und musste ein Lachen verdrücken. Nein, tatsächlich kein idealer Zeitpunkt. Aber wann war er das schon? Scheiß drauf. Wann hatte sie schon mal einen Rammsteingitarristen am Telefon?! „Nein, es passt gerade ganz gut. Was kann ich denn für dich tun?", versuchte sie nun wieder höflich und gleichzeitig lässig zu klingen. Notiz an sich selbst: an dem „lässig" musste sie definitiv noch arbeiten... „Maxime fragt die ganze Zeit nach dir und ich hab langsam keinen Bock mehr, mir das anzuhören. Hättest du nicht Lust, sie am Wochenende nochmal zu besuchen?" WOW! Oh mein Gott!!! Wie geil war das denn?! Hatte sie gerade ernsthaft eine Einladung zu Richard Kruspe nach Hause bekommen? „Ähm... Ja gerne, ich... Ich würde mich freuen!", schrie Theresa ein wenig überrumpelt ins Telefon. „Sehr schön. Wie sieht es Samstag aus? Kleiner Kaffee bei mir?" „Klingt super." „Ich schicke dir unsere Adresse per SMS. Komm doch so gegen vier." „Mach ich." „Prima. Bis dann." „Bis dahin."

Der Freudenschrei war sicherlich noch bis in die Reithalle am anderen Ende des Geländes zu hören, so hysterisch und freudig sprang Theresa auf und ab und johlte vor sich hin. Ja, verdammt, JA! War das vielleicht doch ein Traum?! Nein, das war es nicht. Sie war hier, hatte ihr Handy in der Hand und konnte am Display ganz klar und deutlich erkennen, dass sie dieses – wenn auch kurzes – Telefonat tatsächlich geführt hatte! Samstag – 16 Uhr – Kaffeetrinken bei Richard Kruspe. Was für ein Termineintrag! Moment mal... Samstag... also noch vier Mal schlafen. Vier Nächte konnten verdammt lang sein. Vor allem, wenn man ein wenig bedrückt darüber nachdachte, dass er gesagt hatte, sie solle doch Maxime besuchen. Ach... du blöde Kuh. Glaubst du ernsthaft, er würde dich nach einem Date fragen, nur weil du ein paar Stunden seine Tochter beaufsichtigt hast? Hör auf mit diesem dämlichen Groupiedenken. Und wäre es nicht sowieso viel schöner gewesen, wenn Paul angerufen hätte? Verdammt! Schluss mit diesen ganzen absurden Spinnereien! Reiß dich zusammen! Viel zu viele Gedanken geisterten ihr in ihrem Kopf herum und brachten sie fast an den Rande des Wahnsinns. Nein, sie sollte das jetzt nicht größer aufbauschen, als es war. Zuerst hatte sie sich selbst für verrückt gehalten, weil sie ÜBERHAUPT noch an eine Möglichkeit geglaubt hatte, dass das, was gerade hier passierte, noch Wirklichkeit werden würde. Und jetzt beschwerte sie sich ernsthaft?! Nein, so undankbar durfte sie jetzt nicht sein. Sie sollte sich lieber darüber freuen, überhaupt noch mal eine Möglichkeit zu bekommen, den Rammsteingitarristen zu treffen. Egal, in welcher Situation. PUNKT! Kein zu-viel-Gedanken-daran-verschwenden, kein Verrücktmachen, kein Durchdrehen.

Tochter der Leere - Rammstein FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt