10. Poolparty

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Noch immer wollte sich Theresa weigern zu glauben, dass es sich hierbei um die Realität handelte. Ein Glas Wein in der Hand, im Bikini in einem Dachterrassenpool sitzend, von dem aus man einen unglaublichen Blick in den Berliner Sternenhimmel hatte. Die letzten Stunden waren, ähnlich wie am Hochzeitstag von Schneider und Ulrike, so rasend an ihr vorbeigerauscht, dass ihr schwindelig wurde, wenn sie daran dachte. Doch die Fotos, die Paul von ihr und Maxime mit ihrem Pferd geschossen hatte, auf dem Putzplatz, auf der Weide, auf dem Feldweg beim spazieren gehen bewiesen es: es war wirklich passiert. Und irgendwann würden diese Fotos im persönlichen Fotoalbum des Herrn Kruspe auftauchen, und sie, Theresa Glauer, unscheinbare Kindergärtnerin aus Wedding, würde auch darin auftauchen. Der pure Wahnsinn...

Über zwei Stunden mussten Paul und Theresa unermüdlich den Rundweg um den Reitstall mit Maxime und Axel dackeln, bis es der kleinen Damen endlich genug war mit Pferdevergnügen. Sie war danach noch so aufgekratzt gewesen, dass Richard, der sich immer noch entspannt am Pool seiner Dachterrasse aufhielt, es für das beste hielt, sie ebenfalls ins Wasser zu stecken, um den kleinen Wirbelwind müde zu bekommen. Dieser Plan ging zwar relativ schnell auf, zwang aber Theresa dann in gewisser Weise auch dazu, mitzumachen. Da sie keine passende Garderobe dafür dabei hatte, beschränkte sich ihr Mitspiel auf das Eintunken ihrer Füße in das kühle Nass. Zum Glück hatte sich Khira, die im Haus ihre Wohnung direkt unter der von Richard hatte und kurz bei ihm vorbeischaute, es sich nicht zweimal sagen lassen, mir ihrer kleinen Schwester im Pool zu plantschen. Spätestens jetzt hätte die Rothaarige sowieso keine Lust mehr gehabt, mitzumachen. Neben der älteren Tochter des Leadgitarristen kam sie sich vor wie ein hässliches Entlein. Doch ihre Weigerung ließ Richard nicht lange gelten, als er selbst auf die Idee kam, noch in den Pool zu steigen. „Richard, soll ich in Unterhosen in den Pool steigen?! Ich hab nichts dabei.", wehrte die Kindergärtnerin halb belustigt und schon halb panisch ab, als er einfach nicht locker lassen wollte. „Khira findet in ihrer alten Garderobe sicher irgendein Teil, das dir auch passt." Verdammter Sturkopf. „Jep, ich war nicht immer so schlank wie jetzt.", pflichtete die ältere Tochter nun ihrem Vater bei. Toll. Das half Theresa nicht weiter. Im Gegenteil. Sie geriet nur noch mehr in die Bredouille. Kaffee und Cocktails trinken, okay, aber jetzt hier halbnackt mit den beiden Gitarristen und den Töchtern in den Pool steigen? „Paul, jetzt sag doch mal was.", suchte sie händeringend Hilfe bei Richards Bandkollegen. „Ach, lass sie doch. So ist es doch in Ordnung. Wir müssen die Kleene eh bald ins Bett bringen, so klein wie ihre Augen mittlerweile sind." Theresa schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Wenigstens ER zwang sie nicht, sich hier jetzt auszuziehen. Entweder spürte er ihre Unsicherheit, oder er war einfach nur höflich. In diesem Fall wäre ihr beides lieb gewesen. „Okay...", lenkte Richard nun schließlich ein. Die Rothaarige bot sich an, Maxime ins Bett zu bringen, so konnte sie sich weiterhin des Pools entziehen. Wo sollte denn das hier sonst alles noch hinführen?! „Hast du ein Problem, wenn ICH noch mit reingehe?", fragte Paul schließlich. Berechtigte Frage, immerhin hatte er sie heute Nachmittag auch abgeholt und war dafür verantwortlich, sie auch irgendwann wieder nach Hause zu bringen. „Äh, klar. Das dauert hier eh noch ein bisschen." Theresa rubbelte Maxime derweil mit einem flauschigen Badetuch halbwegs trocken, während diese sie bei der Hand und mit ins Badezimmer nahm. „Soll ich mitkommen?", rief Richard ihr noch hinterher, doch Maxime machte ganz klar und deutlich, dass sie heute nur von Theresa ins Bett gebracht werden wollte. Papa konnte man doch fast jeden Abend haben, aber doch nicht die neue, aufregende Tante Resa mit dem Pony!

Es brauchte nicht einmal mehr eine Gutenachtgeschichte, so müde war die Kleine. Nach dem Zähneputzen, Haare kämmen und Gesicht waschen konnte sie gerade noch mit Theresa in ihr Schlafzimmer torkeln. „Du bleibst aber noch hier, oder?!", fragte sie verunsichert, als sich die Erzieherin zu ihr ans Bett setzte. Sie ergriff die Hand von Maxime und strich zärtlich mit dem Daumen über ihre Handfläche. „So lange, bis du eingeschlafen bist, okay?" „Okay..." „Und von wem träumen wir heute?" „Von Axel!!" Sie betonte den Pferdenamen mit englischer Aussprache, was Theresa zum Kichern brachte. „Genau. Und morgen erzählt mir der Axel bestimmt, wie sehr er sich gefreut hat, dich kennen gelernt zu haben." „Das ist soooo cool.", meinte Maxime schlaftrunken. Ihr fielen die Augen nun wirklich schon zu. Theresa lauschte in die Stille des Kinderzimmers hinein. Von draußen kamen Geräusche, die drei mussten wohl gerade ziemlichen Spaß haben, sie konnte das Stimmengewirr nicht zuordnen. Sobald die Kleine schlafen würde, nahm sich die Erzieherin vor, das Fenster zu kippen und die Rollläden ein Stück herunter zu lassen, um sie wenigstens ein bisschen vor dem Lärm von draußen zu schützen, ohne sie dabei ohne Frischluft zu lassen. Dafür war diese laue Sommernacht viel zu schade, um sie auszusperren. Schon nach wenigen Minuten konnte Theresa an der ruhigen, regelmäßigen Atmung und den Hebungen und Senkungen des Brustkorbs erkennen, dass Maxime auf jeden Fall eingeschlafen sein musste, und das auch noch ziemlich tief. Pferdestall und baden, so etwas macht müde, selbst eine Fünfjährige. Mit einem Lächeln auf den Lippen erhob sie sich ganz langsam vom Bett, um die Kleine nicht gleich wieder zu wecken. Sie sah ihr noch ein paar Momente zu, dann schloss sie das weit aufgerissene Fenster erst mal und kippte es anschließend, ließ ganz langsam die Rollos herunter und öffnete leise die Tür. Sobald sie diese von außen geschlossen hatte, traute sie sich auch wieder lauter atmen. Puh. Geschafft. Jetzt freute sie sich schon fast auf noch eine oder zwei nette Stunden mit den Gitarristen und Khira am Pool. Denn wenn Paul gerade erst reinsteigen wollte, würde er das bestimmt nicht für zwanzig Minuten machen. Etwas irritiert von der doch sehr auffälligen Grundlautstärke im Wohnzimmer und auf der Terrasse tappte die Rothaarige vorfühlend in den Flur und dann in das Große Wohn- und Esszimmer. Ach herrje. Wer stand denn da plötzlich mit im Raum?!

Tochter der Leere - Rammstein FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt