Bist du verrückt?

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Ich hatte während der Fahrt versucht mir den Weg einigermaßen einzuprägen. So hätte ich wenigstens ein paar Anhaltspunkte, immerhin konnte mich nicht immer jemand umherkutschieren. Nun ja, was soll ich sagen? Ich war natürlich kläglich gescheitert.

An der Halle angekommen stieg ich schnell von dem Motorrad und nahm den Helm ab. „Und? War's jetzt so schlimm?“ Fragte Markus und schwang sich ebenfalls von seinem Sattel. „Auf jeden Fall besser als bei Maxi.“ Ich grinste frech, „Das heißt aber noch nicht, dass du ein guter Fahrer bist.“ Empört blickte er in meine Richtung, „Ey, das nimmst du zurück!“ „Ich denk nicht dran.“ Ich lachte und lief demonstrativ in Richtung Eingang. „Biest!“ rief Markus mir hinterher und warf mir einen Schlüsselbund zu, „Mach schon mal auf.“ Meinte er und schob sein Motorrad neben den Wohnwagen.

Ich öffnete das Schloss und versuchte mit all meiner Kraft das Tor zu öffnen, aber es bewegte sich kein Stück. Mittlerweile lehnte ich mit meinem ganzen Körpergewicht dagegen, da hörte ich plötzlich ein Lachen. „Lach nicht so blöd, hilf mir lieber!“ rief ich Markus zu, welcher meine Situation lachend beobachtete. Selbstverständlich half er mir auch, zumindest nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Hat ja nur fast fünf Minuten gedauert.
Übrigens hatte er mir einfach nur nicht gesagt, dass man beim Drücken einen Hebel runterdrücken musste, „Das hättest du ja auch mal früher sagen können.“ Ich betrat langsam die Halle, es wirkte immer noch surreal tatsächlich hier zu sein. „Wieso denn? Das sah doch wirklich sehr elegant aus.“ Meinte er nur und zuckte mit seinen Schultern. „Haha" ich verdrehte meine Augen und ließ meinen Blick durch die Halle schweifen. „Warum sollte ich eigentlich hier her kommen?“ fragte ich und wendete mich ihm zu. „Du bekommst heute einen Crashkurs im Motorrad fahren.“ Er grinste mich an. „Was? Bist du verrückt? Dir ist bewusst, dass ich schon ein grauenvoller Mitfahrer bin und dann willst du, dass ich allein auf so einem Ding sitze?“ entgeistert schaute ich ihn an. „Ja, glaubst du ich nehme dich den ganzen Weg, wo auch immer wir hin müssen, auf meinem Motorrad mit?“ „Was meinst du? Glaubst du wir müssen weiter weg fahren?“ „Ja klar, oder warum glaubst du schicken sie nur eine Person um die Nachricht zu überbringen?“ fragte er. „Keine Ahnung, vielleicht um die Spannung aufrecht zu erhalten oder aus Faulheit. Was weiß ich? Außerdem hab ich doch überhaupt kein Motorrad.“ Ich verschränkte trotzig die Arme vor meiner Brust. Markus trat noch einen Schritt näher an mich heran, „Wir warten es einfach mal ab, Raban und Joschka bekommen das schon hin. Aber wir sollten uns auf alle Eventualitäten vorbereiten, also hab ich das mit dem Motorrad schon einmal in Angriff genommen.“ Sein selbstbewusstes Grinsen machte mich schon wieder unglaublich nervös und seine Nähe machte es mir nicht unbedingt einfacher mich zu konzentrieren. „Wie bitte?“ hauchte ich, „Dreh dich um.“ Meinte Markus und langsam wandte ich ihm meinen Rücken zu. Auf einer kleinen Plattform stand der Rohbau für ein Motorrad, „Wow, wann hast du das denn gemacht?“ Fragte ich erstaunt und näherte mich der Maschine. „Naja, ich hab gestern angefangen und dann hab ich wohl die Zeit vergessen.“ Antwortete er mir und kratzte sich verlegen seinen Nacken. Ich drehte mich zurück zu ihm, bevor ich überhaupt realisierte was ich tat, lag ich auch schon in seinen Armen. „Danke.“ Flüsterte ich und löste mich schnell von ihm. „Auch, wenn ich mir noch nicht so sicher bin, ob das eine gute Idee ist.“ „Mach ich doch gerne.“ Er lächelte mich schüchtern an. Ja schüchtern, das kenn ich ja überhaupt nicht von ihm.

„Na los, komm.“ Markus schaute mich auffordernd an und deutete mit seiner Hand in Richtung Tor. „Du musst es wenigstens ausprobieren.“ Wir verließen die Halle wieder und Markus hielt mir wieder einen Helm entgegen. „Nur unter einer Bedingung.“ Meinte ich. „Und die wäre?“ fragte er und schaute mich belustigt an. „Sobald wir alt genug sind machen wir alle einen Führerschein für die Maschinen.“ Ich empfand den Gedanken illegal auf Motorrädern zu fahren irgendwie als falsch. „Wenn’s sonst nichts ist. Das lässt sich definitiv einrichten.“ Antwortete Markus mir und ich begutachtete ihn misstrauisch. „Ich verspreche es.“ Er hielt mir auffordernd seine Hand entgegen und ich schlug bei ihm ein. Somit war es beschlossene Sache, ich würde Motorrad fahren und mit 18 würden wir alle unseren Führerschein nachholen. „Also, was genau muss ich jetzt überhaupt machen?“ fragte ich, denn wie gesagt hatte ich keinerlei Erfahrung was Motorräder anging. „Erstmal, setzt du diesen Helm auf.“ Er setzte ihn auf meinen Kopf und klopfte demonstrativ noch einmal kräftig drauf. „Und dann erkläre ich dir auf was du achten musst.“ Etwas unbeholfen verschloss ich den Helm und trat an die Maschine heran um einen besseren Blick auf das Armaturenbrett zu haben.

Nachdem Markus mir alles genau erklärt hatte, ging dann die Praxis los. „Ich glaub ich kann das nicht.“ Verzweifelt ließ ich das Lenkrad los und machte Anstalt von Markus Maschine abzusteigen, doch Markus hielt mich auf. „Vergiss es, du schaffst das. Außerdem fährst du sowieso erstmal nur langsam hier auf dem Gelände, dir kann nichts passieren.“ Versuchte er mich zu ermutigen und es funktionierte tatsächlich. Etwas unbeholfen startete ich den Motor und fuhr ruckartig ein Stück nach vorne. „Oh Gott, nein. Wieso mach ich das nur?“ fragte ich. „Versuch es nochmal.“ Forderte Markus mich auf. Aus diesem neuen Versuch wurden immer mehr und mehr und nach unzähligen Versuchen hatte ich endlich begriffen, wie ich voran kam. Ich fuhr im Schritt Tempo immer wieder über das Gelände, bremste sobald Markus mich dazu aufforderte und fuhr neu an.
So langsam freundete ich mich auch tatsächlich mit dem Gedanken an bald völlig allein mit einem Motorrad zu fahren und Markus schien das zu bemerken. „Guck, so schlimm ist es doch gar nicht. Oder?“ fragte er mich neckend. „Naja.“ Meinte ich und bremste. „Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt.“ „Sag ich doch. Ich glaube für heute reicht es erstmal mit dem Üben, wir machen morgen weiter.“ Er lächelte mich an und hielt das Motorrad fest, damit ich leichter absteigen konnte. „Kann ich dir noch irgendwie helfen?“ fragte ich ihn, immerhin baute er mir ein Motorrad, ich musste mir sowieso noch überlegen wie ich mich ordentlich bei ihm bedanken konnte. „Du könntest mir noch etwas Gesellschaft leisten und beim Bau deines Motorrads helfen.“ Meinte er und wir liefen gemeinsam zurück in die Lagehalle. „Gerne.“

„Woher kannst du das eigentlich?“ Fragte ich ihn nach einiger Zeit in der wir konzentriert gearbeitet hatten. Zumindest hatte Markus konzentriert gearbeitet, ich fand es interessanter ihn dabei zu beobachten und ihm hin und wieder etwas anzureichen. „Keine Ahnung, ich hab viel darüber gelesen und irgendwann angefangen herum zu probieren und das ist daraus geworden. Meine Eltern fanden das selbstverständlich nicht besonders gut. Sie meinten es gehöre sich nicht für jemanden wie mich, immerhin hatte ich sie zu der Zeit auch noch nie zu Veranstaltungen begleitet. Aber sie konnten mich nicht davon abhalten, genauso wie vom Fußball, sie hassen es.“ Er lächelte, es schien als sei der Gedanke seine Eltern zu provozieren ihn zu amüsieren. „Aber das kennst du ja vermutlich auch.“ Sagte er dann direkt an mich gerichtet. „Um ehrlich zu sein nein, meine Eltern haben mich nie derartig unter Druck gesetzt. Ich durfte immer selbst entscheiden und von der hohen Gesellschaft haben sie mich fern gehalten.“ „Da hast du ziemlich Glück mit deinen Eltern.“ Meinte Markus und er hatte Recht. „Ja, ich kann mich wirklich glücklich schätzen.“ Stimmte ich ihm zu. „Ich denke ich bin morgen mit dem Groben fertig, kannst du mir dann beim lackieren und so weiter helfen?“ fragte er und wechselte somit das Thema, er schien nicht gerne über seine Familie zu sprechen. „Aber natürlich, ich lass dich doch nicht mit der ganzen Arbeit alleine.“ Ich grinste und stupste ihm gegen seine Schulter. „Auch wenn ich nicht sagen kann, ob ich eine große Hilfe sein werde.“ Er lachte auf, „Immerhin besser als keine.“ Meinte er keck und ich lachte los.

Gegen neun Uhr brachte Markus mich dann nach Hause. „Danke" Ich setzte den Helm ab und umarmte Markus. „Danke auch. Wir sehen uns morgen beim Training.“ Verabschiedete er sich von mir und ich winkte ihm noch kurz zu, bevor ich an der Haustür klingelte.

SummerloveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt