Abschied

1.8K 68 2
                                    


Am nächsten Morgen wurde ich unsanft geweckt. Jules und Lina hatten beschlossen den Tag noch auszunutzen und warfen sich mit all ihrem Gewicht um halb 9 auf mich. „Scheiße seid ihr schwer.“ Hustete ich und versuchte ihre Körper von meiner Brust zu schubsen. „ Ich bin ja schon wach.“ „Ja und? Das heißt noch lange nicht, dass wir mit dir fertig sind.“ Lina lachte und stand dann doch auf, allerdings nur um mir mit voller Wucht ein Kissen ins Gesicht zu schlagen. „Oh ja!“ rief Jules und schnappte sich ebenfalls eins. „Das bekommt ihr zurück.“ Schrie ich und es entfachte eine wilde Kissenschlacht.

„Ok stopp!“ keuchte Jules nach einiger Zeit, „Ich kann nicht mehr!“ lachend und völlig fertig ließen wir uns zurück auf mein Bett fallen, welches von dem ganzen Gehüpfe vollkommen durcheinander war. „Ich kann nicht glauben, dass das Wochenende schon zu Ende ist.“ „Stimmt, nach heute sehen wir uns erst am Ende der Ferien wieder.“ Meinte Lina geknickt. Jules kuschelte sich zwischen Lina und mich und zog uns näher zu sich. „Ich werde das hier definitiv vermissen.“ Flüsterte sie. „ Und ich erst. Immerhin muss ich die nächsten Wochen mit den Kerlen überstehen.“ „Jetzt tu mal nicht so, als würde dir das nicht gefallen.“ Meinte Lina und sie hob ihren Kopf um mich vorwurfsvoll anzuschauen. „Ist wirklich so, du genießt es doch richtig. Du siehst so viel glücklicher aus und dabei bist du erst eine Woche hier.“ Jules drehte ihren Kopf in meine Richtung während sie sprach, „Ich glaube sie tun dir unglaublich gut. Bei uns zuhause hast du nie so gestrahlt wie hier.“ Ja, das war mir auch schon aufgefallen. „Sie verurteilen mich nicht. Ihnen ist es egal wie ich herumlaufe, welche Klamotten ich trage oder was meine Hobbies sind. Sie akzeptieren mich so wie ich bin.“ Bei diesem Gedanken musste ich unwillkürlich lächeln, denn das entsprach alles der Wirklichkeit. Bei mir zuhause war ich das brave, kleine Mädchen, perfekt in jeder Hinsicht. Reiche Eltern, musikalisch begabt und eine Tänzerin. Von meiner Interesse für Technik und Mechanik wusste dort kaum jemand und auch das Fußballspielen hatte ich früh aufgegeben. Gegenüber den Leuten aus meiner Heimat war ich ziemlich schüchtern, ich traute mich dort selten meine ehrliche Meinung zusagen und die zu sein, die ich wirklich war.  „Ihr wusstet es oder?“ fragte ich deshalb. „Von Anfang an.“ Bestätigte Jules meine Vermutung. „Du hast dich vor den Anderen verstellt, du hast dich immer so unglaublich unwohl gefühlt. Deshalb wollten wir auch nur für ein Wochenende kommen. Wir wollten sichergehen, dass es dir hier gut geht. Das du endlich Anschluss gefunden hast ohne dich verstellen zu müssen.“ Klärte Lina mich auf. „Wäre dem nicht so gewesen wären wir in den Ferien immer mal wieder zu Besuch gekommen. Aber dir geht es so gut, da möchten wir dir nicht zwischenfunken .“ „Hab ich euch schon mal gesagt, dass ich euch unglaublich lieb habe?“ Sie waren wirklich die besten Freundinnen, die man sich wünschen konnte. „Ja, aber wir hören es immer wieder gerne.“ Lina grinste mich an und ich zog sie beide in eine umständliche Umarmung. „Wir haben dich auch lieb.“ Meinte Jules schniefend. „Jetzt fang bitte nicht an zu weinen.“ Lina löste sich schnell von uns und hob drohend ihren Zeigefinger. Jules wischte sich blitzschnell über ihre Augen, „Würde ich doch niemals tun.“ Da brachte uns dann schlussendlich alle zum Lachen.

Um 11 Uhr verließen wir dann mein Bett und frühstücken ein letztes Mal gemeinsam. Kurz darauf standen die Kerle vor der Tür. „Ihr habt doch nicht geglaubt wir würden euch einfach so gehen lassen oder?“ Fragte Juli schief grinsend. „Niemals.“ Jules lächelte ihn glücklich an. „Das würde euch doch nicht im Traum einfallen.“ Meinte Lina ironisch und Maxi legte beim Laufen seinen Arm um ihre Schulter. „Ich hätte ja jetzt einen blöden Spruch auf Lager, aber weil du gleich fahren musst lass ich das mal lieber.“ meinte er und Lina schüttelte den Kopf, beließ es aber dabei.

„Ich hab das Gefühl euch schon ewig zu kennen“ sagte Nessi plötzlich an Lina und Jules gerichtet. „Mir geht es auch so.“ stimmte Klette ihr zu. Lina lächelte und griff nach ihrer Hand. „Keine Sorge, uns wird man nicht so leicht los.“ Meinte Jules und lächelte traurig. „So, jetzt will ich noch ein paar peinliche Geschichten von euch hören bevor wir zurück fahren. Immerhin brauchen wir Gesprächsthemen für die lange Fahrt.“ Lina wackelte grinsend mit ihren Augenbrauen. „Maxi, sie hat den gleichen Blick drauf wir du.“ Rief ich lachend und die Anderen, abgesehen von Lina und Maxi selbst, fielen mit ein. Sie schauten sich derweil ziemlich verwirrt an und Maxi zog ratlos die Schultern hoch.

Sie begannen gemeinsam zu erzählen, von ihrer Kindheit, ihren Abenteuern und den Fußballspielen. Lina und Jules verfolgten die Geschichten interessiert, aber da ich sie alle mittlerweile kannte ließ ich meinen Blick durch den Garten schweifen. Irgendwann blieb ich an braunen Augen hängen, welche mich in ihren Bann zogen. Markus schien sich ebenfalls nicht am Gespräch beteiligen zu wollen und hatte stattdessen seine Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Diese Tatsache, das er mich ebenso beobachten zu schien, ließ mein Herz schneller schlagen. Niemand von uns schien diesen Blickkontakt unterbrechen zu wollen, alles um uns herum verschwamm. Ich nahm nur noch ihn war. Plötzlich stieß mich jemand in die Seite, schnell wandte ich meine Blick ab, um den Übeltäter meine Meinung zu geigen, da machte Nerv mich auf meine Tante aufmerksam. „Ich hab ja wirklich mit vielen gerechnet. Mit einem zerstörten Haus, Überresten von langen Nächten oder verkaterten Mädchen, aber ganz sicher nicht mit einer Gruppe Jungen in meinem Garten.“ Sie hatte die Hände auf ihre Hüften gelegt und wirkte verhältnismäßig autoritär. „Ich kann das erklären.“ Meinte ich sofort. „War nur ein Spaß, ich freu mich endlich Leute in deinem Alter hier begrüßen zu dürfen.“ Oh man, sie ließen auch alle keine Chance aus mich zu blamieren oder? „Hi Leute, ich bin Melle, Mias Tante.“ Als Antwort bekam sie von allen ein schlichtes hi oder Hallo. „Ich möchte ja jetzt nicht die Spielverderberin sein, aber es wird langsam Zeit sich zu verabschieden.“ Mit diesen Worten verließ sie die Terrasse wieder, damit wir uns voneinander verabschieden konnten. Wir hatten im Voraus abgemacht, dass ich Lina und Jules nicht zum Bahnhof begleiten würde, da ich solche Abschiede zwischen Tür und Angel hasste. „Es war schön euch alle endlich mal kennenzulernen.“ Jules erhob sich von ihrem Stuhl und lächelte alle der Reihe nach an. „Das fand ich auch, ihr seid wirklich nh coole Gruppe.“ Stimmte Lina ihr zu und dann wurden sie von jedem der Kerle in eine Umarmung gezogen. „Passt uns bitte auf Mia auf, sie tut zwar immer auf taff, ist aber ein kleines Sensibelchen.“ Lina zwinkerte Markus verschwörerisch zu, was er mit einem Grinsen quittierte und mich zu einem Augenverdrehen animierte. Sie zog mich in eine erdrückende Umarmung. „Pass gut auf dich auf ok? Versprich es!“ Ich lächelte traurig und flüsterte ein leises „Versprochen. Bitte pass du auf Jules auf und übertreib es nicht so mit den Partys." Dieser Kommentar brachte sie dazu kurz aufzulachen. „Versprochen.“ Langsam lösten wir uns voneinander und Jules warf sich direkt in meine Arme. Ihr liefen die Tränen bereits in Bächen über die Wangen. „Bitte sei vorsichtig, fahr immer langsam und mach nichts Unüberlegtes. Ich bin diesmal nicht da um dich aufzuhalten.“ Nun begann auch ich zu weinen. „ Ich pass schon auf mich auf, du kennst mich doch.“ „Ja eben.“ Schniefte sie und ich drückte sie leise lachend noch ein Stück näher an mich. „Vergiss nicht dich bei uns zu melden. Spätestens wenn ihr an eurem Ziel seid musst du mir bescheid sagen.“ Flüsterte sie. „Wird gemacht Chef.“ Sie löste sich von mir und lächelte mich traurig an.  "Vergiss uns nicht.“ Meinte Lina, welche schon mit den Koffern bepackt im Flur stand. „Wie könnte ich?“ fragte ich und zog beide ein letztes Mal an mich.
Langsam verließen sie das Haus und stiegen ins Auto. Ich winkte ihnen noch so lange hinterher, bis sie um eine Ecke fuhren und spürte dann plötzlich eine große Hand auf meiner Schulter. Markus drehte mich zu sich um und zog mich an seine Brust , er musste geahnt haben wie schwer mir dieser Abschied gefallen war, denn er fuhr mir beruhigend mit seiner Hand über den Rücken. Wir standen eine ganze Weile einfach so mitten im Flur, ich weinend und Markus sichtlich besorgt und mitfühlend. Nach einigen Minuten schob ich ihn leicht von mir und schaute hinauf in seine Augen, welche mich liebevoll musterten. Markus wischte mit seinen Fingern die Tränen von meinen Wangen und lächelte mich leicht an. „Wie wäre es mit einem Filmnachmittag?“ fragte er und ich stimmte nickend zu, blickte mich danach aber suchend um. „Sie sind gefahren, sie wussten, dass du heute keine wirkliche Motivation haben würdest.“ Erklärte Markus. „Also, wo muss ich lang?“ fragte er, diesmal packte ich sein Handgelenk und zog ihn mit mir mit. „Andersherum hat es mir besser gefallen.“ Kommentierte er die Situation und ich drehte mich ihm zu, damit er das Lächeln, welches sich auf meine Lippen stahl bemerkte.

SummerloveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt