Chapter One

1.5K 45 5
                                    

4. Juni 2021

Das Klopfen an der Zimmertür untermalte immer wieder den melodischen Rhythmus von Merles Kopfschmerzen, die sich dem lauten Geräusch anpassten. Sie hatte sich bereits zum Schutz ihr Kopfkissen als auch ihre Bettdecke über den Kopf gezogen. Kurzzeitig hatte sie überlegt, ob sie den Erstickungstod in Kauf nehmen sollte, verwarf ihre Bedenken schnellstens, als ihre Mutter erneut an die Tür hämmerte. Für sie klang es zumindest wie ein Presslufthammer, der nochmal Druck auf ihren geschundenen Kopf ausübte. Die Blondine war sich sicher, dass das letzte Glas Weißwein definitiv schlecht gewesen war. Sie hatte Jannis noch gewarnt, dass das nicht gut enden würde, aber er wollte ja nicht hören. Stöhnend drückte Merle ihr Kissen weiter auf die Ohren, als sie erneut das Klopfen an der Tür wahrnahm. Wahrscheinlich lag Jannis seelenruhig im Bett und konnte seinen Rausch ausschlafen, wobei sie sich Gleichberechtigung wünschte und ihm genauso die Schmerzen in den Kopf, wie sie sie hatte. Kopfschmerztablette, das war das einzige was sie dazu ermutigte, sich vielleicht heute noch herauszuwagen, an die Sonne. Wobei selbst das war eine Zumutung. Sobald sie nur einen leichten Sonnenstrahl sah, der sich durch die Jalousien drückte, brummte ihr Oberstübchen erneut. Dennoch wusste sie, dass die Option den ganzen Tag im Bett zu verbringen keine Lösung war und das bestätigte sich nachhaltig, als sich zum wiederholten Klopfen die Stimme ihrer Mutter dazugesellte.

„Mimi, willst du nicht langsam mal aufstehen? Es ist 11 Uhr. Hast du Jannis nicht versprochen, Nala abzuholen zum Joggen?" Das Klopfen ihrer Faust verwandelte sich jetzt in ein Trommeln der Finger gegen das Holz, wo die Schnapsleiche selbst nicht wusste, ob das die Steigerung der Quälerei war. Daher zog Merle langsam ihre Bettdecke vom Kopf, ebenso wie ihr Kissen und versuchte sich aufzurichten. Gott sei Dank waren es wirklich nur Kopfschmerzen und ihr Magen hatte den Abend unbeschadet überstanden. Dennoch hielt sie ihren Brummschädel mit beiden Händen fest und wartete darauf, dass sich die Welt aufhörte zu drehen. Sie wusste selbst nicht genau, was sie jetzt auch noch dazu bewegen sollte, mit Nala eine Runde Laufen zu gehen, eher einen Spaziergang, dachte sie sich, als sie einigermaßen unbeschadet an ihrem Kleiderschrank ankam. Sie zog eine schwarze kurze Trainingshose heraus und eines ihrer HSV Trikots, dass in schwarz blau gehalten war, genauso, wie neue Unterwäsche und Socken. Eigentlich wäre sie lieber Barfuß rumgelaufen, aber in ihren Laufschuhen war das nicht sonderlich förderlich. Die Temperaturen draußen, waren kaum zum Aushalten in den letzten Tagen und daher war sie froh, dass sie mehrheitlich bei Jannis Brandt im Garten relaxen konnte, schließlich hatten die einen Pool, den beiden reichlich nutzten, wenn er dann mal zu Besuch war, wie die nächsten Wochen, da seine Eltern inklusive seines kleinen Bruders nach Ibiza geflogen waren.

Normalerweise hätte Merle sich Nala bereits um 8 Uhr geschnappt, da sonstige sportliche Aktivitäten einfach viel zu anstrengend wurden, aber dank des blonden Buben von nebenan, musste sie wohl heute die Zähne zusammenbeißen. Langsam schloss sie den Schrank und ging zu ihrer Zimmertür. Kurz bevor sie sie öffnete, sog sie einmal tief die stickige Luft ein und öffnete die weiße Holztür, was ihr sogleich einen halben Herzinfarkt bescherte, als sie ihre Mutter erkannte, die gerade im Begriff war nochmals an der Tür zu klopfen.

„Ich bin doch jetzt wach.", murrte sie in die Richtung der Blonden mit den wilden Locken auf dem Kopf und dem wild gemusterten Sommerkleid, was Merle direkt wieder Kopfschmerzen einbrachte. Zu viel, zu bunt, zu unstrukturiert.

„Gut, ich dachte, ich muss die schweren Geschütze auffahren, wie nach euren Stadionabenden." Merles Mutter, von der sie selbst äußerlich wenn überhaupt nur die Haarfarbe geerbt hatte, verschränkte kurz die Arme von der Brust, als sie sich herumdrehte und den Flur in Richtung Küche verließ, mit dem Hinweis, dass das Frühstück bereits beendet, aber ein Brötchen für sie über war. Das Hirn von der glühenden HSV Anhängerin nahm das zwar wahr, wollte aber erstmal unter die Dusche, um vielleicht den Kreislauf hochzutreiben, auch wenn sie innerhalb einer Stunde wohl exakt wieder gleichermaßen verschwitz war, wie jetzt. Seufzend warf sie einen kurzen Blick in den Spiegel, der ihr signalisierte, sie sollte sich schnellstens herrichten, ansonsten würden noch die Produzenten von The Walking Dead anrufen, dass sie noch Zombie Darsteller benötigten. Somit wand sie den Blick ab und schenkte ihre Aufmerksamkeit der Regendusche, die sie sehr lieb gewonnen hatte. Ihre Eltern hatten wirklich nicht an Luxus gespart und das warme Wasser, was wie ein Sommerregen auf sie niederprasselte, belebte sie wahrhaftig ein wenig wieder. Selbst ihr Magen meldete sich jetzt zu Wort, was bei ihr ein sehr gutes Zeichen bei der Ausnüchterung war.

Hungry EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt