Chapter Eleven

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Demonstrativ schaute Merle vom Beifahrerfenster in Richtung der digitalen Busanzeige. Als ob sie jetzt zu ihm ins Auto steigen würde, wo sie gerade fluchtartig Marius Wohnung verlassen hatte. Eigentlich müsste ihm das doch bewusst gewesen sein, dass sie es wegen ihm und seiner Nähe getan hatte, die sich wieder viel zu vertraut und gut angefühlt hatte. Zumindest war es das Empfinden ihres Körpers. Der Kopf hatte ja in diesen Situationen nicht viel zu sagen.

„Merle, jetzt steig schon ein.", hörte sie erneut seine Stimme, als sie zu ihm herüber schielte, sich aber daraufhin mit dem Rücken gegen die Plexiglasscheibe der Bushaltestelle lehnte und ihre Arme vor der Brust verschränkte, „Man Merle."

„Ich steige nicht zu Fremden ins Auto." Sie sah den verdutzen Julian an, dessen Mundwinkel anfingen zu zucken, als sie sah, wie er den Warnblinker aktivierte und sich abschnallte. Ihre Atmung ging augenblicklich schneller, als sie sah, wie er sich aus dem Auto bewegte und in Richtung der Bank kam. Warum fuhr ausgerechnet heute auch keiner mit dem Bus? An der Haltestelle war wirklich keine Menschenseele, außer sie und in paar Sekunden auch Julian. Wo verdammt wohnte Marius Wolf, dass es hier keiner nötig hatte mit dem Bus zu fahren. Dennoch versuchte sie dem blonden Fußballer keine Aufmerksamkeit zu schenken, als er sich neben ihr niederließ und sie direkt ans andere Ende der Bank rutschte.

„Willst du jetzt wirklich nach dem Gespräch gerade so auseinandergehen?" Merle senkte ihren Blick und sah auf den Boden. Mehrheitlich zwang sie sich dazu, damit sie nicht zu ihm schauen musste. Sie wusste, sobald sie in seine blauen Augen sah, würde sie ihm verfallen.

„Du überforderst mich.", murmelte sie und ihr verstohlener Körper tat genau das, was sie eigentlich nicht wollte. Sie sah zu ihm, war aber erstaunt, dass er selbst nicht zu ihr sah, sondern sein Blick auf die Straße gerichtet war.

„Ich will dich nur heimfahren. Mehr nicht."

„Ich kann aber auch sehr gut mit dem Bus fahren. Das schaffe ich." Ihre Stimme klang jetzt bestimmender und selbstbewusster, genauso wie ihr Blick, der von Julians blauen Augen aufgefangen wurde, er aber mit dem Kopf schüttelte.

„Du bist wirklich ein Sturkopf." Er erhob sich von der Bank und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen, „Es wird gleich gewittern und aus Eimern regnen."

„Als ob." Merle zeigte ihm einen Vogel und sah dann in den Himmel. Der wollte sie wohl vollkommen verarschen. Vor ein paar Stunden war er noch tiefblau, ohne eine Wolke und jetzt? Jetzt waren beinah pechschwarze Wolken am Himmel, die wirklich nicht sonderlich freundlich aussahen. Man musste dazu sagen, dass die Hamburgerin Gewitter wirklich hasste und das war schon seit ihrer Kindheit so gewesen. In ihrem Magen breitete sich sofort das Gefühl des Unwohlseins aus und kaum hatte sie ihre Gedanken zu Ende ausgesprochen, prasselte der Regen auf das Wellblechdach der Bushaltestelle und auf Julian, der ihr gegenüberstand und nicht mehr unter dem schützenden Unterstand.

„Du solltest fahren.", merkte sie erneut an und biss sich auf die Zähne. Sie schaffte das. Der Bus würde gleich kommen und bisher ist er nur Regen. Sie schaute in den Himmel und dort durchzuckte ein kurzer Blitz die Wolken. Es folgte ein lauter Knall und wie von der Tarantel gestochen, sprang sie auf, direkt gegen Julians Brust, der sofort seine Arme um sie schloss. Mit zusammengekniffenen Augen und einem Klammeräffchen gleichend, hing sie in den Armen von ihm. Sie lauschte kurz seinem Herzschlag, bis sie spürte, wie ihre Kleidung langsam durchnässte und es erneut am Himmel aufleuchtete. Julian drückte die Hamburgerin von sich.

„Komm." Er öffnete die Beifahrertür, als sie sich aus ihrer Starre löste und sich auf den Sitz fallen ließ. Sie dachte gar nicht mehr über ihre Widerworte nach. Bei dem Wetter wollte sie einfach nur noch nach Hause und sich auf der Couch in einer Wolldecke vergraben, bis der Himmel wieder aufklaren würde. Die Blonde griff nach dem Gurt und schnallte sich an, als auch Julian ins Auto stieg, schnellstens die Fenster schloss und den Warnblinker deaktivierte, als er auf die Straße fuhr.

Hungry EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt