Chapter Seven

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Köln, 7. August 2021

Entnervt und völlig erschöpft, lehnte Merle sich an den Tresen des Fitnessstudios. Sie selbst hatte ihre erste Ausbildungswoche wirklich gut hinter sich gebracht, aber sie spürte auch die Anstrengung der Umstellung. Klar, hatte sie in den USA für mehrere Ketten gejobbt, dennoch empfand sie es nicht als so anstrengend. Wahrscheinlich, weil dort nicht eine Ausbildung hinter hing, mit einem Abschluss, den sie unbedingt brauchte und wollte. Zumindest war sie Linnys Vater mehr als dankbar, dass er für das Fotoshooting ihres Freundes und Mitbewohners Jannis Brandt, das Studio ein paar Stunden eher zu machte. Damit musste sie wenigstens nicht mehr Menschen erklären, wie sie welche Geräte zu behandeln hatten und wie sie diese richtig nutzten. Ja, sie liebte den Job und auch den Umgang mit Menschen, aber gerade die Herren, die meinten sie mussten sich noch weiter aufpumpen, um wie Popeye mit Spinat intus auszusehen, waren meist die anstrengenderen Besucher, gerade weil sie sich auch von Frauen eher weniger sagen ließen. Damit drehte sie sich zu ihrer Freundin herum, die noch einiges am Computer eintippte, als auch ihre Augen sich vom Bildschirm abwandten und sie laut ausatmete.

„Wann wollte Jannis nochmal mit den Typen kommen?", fragte Linny nach, als sie ihre Arme hinter dem Kopf verschränkte und die Hamburgerin musterte, die ihre Hände als Stütze für ihren viel zu schweren Kopf nahm. Eigentlich konnte sie sich was besseres vorstellen, als noch Babysitter für Jannis und Anhang zu spielen, aber da der Blondschopf die gebürtige Amerikanerin gefragt hatte, ob er ein Fotoshooting im Studio ihres Dads machen könnte und dieser daraufhin so begeistert war, nachdem er erfuhr, dass es ein paar Dortmunder Spieler waren, die er ermutigen konnte, stimmte er für die Marketingzwecke direkt zu und benannte Linny und Merle als persönliches Personal, weil sie ihn schließlich kannten. Die Hamburgerin selbst wusste nicht, ob Linnys Papa sich damit einen Gefallen tat, nachher Bilder über den großen TV abzuspielen, die Dortmunder zeigten, schließlich befanden sie sich in Köln. Dennoch akzeptierten die beiden, allein weil sie Jannis in seinem Fotoprojekt für sein Studium unterstützten.

„Ich habe ehrlich gesagt, keine Ahnung. Jannis wollte mich noch anrufen, wenn er da ist.", antwortete Merle, als sie ihr Handy aus ihrer Sporthose zog, darauf aber noch kein Anruf zu sehen war. Eigentlich hätte sie die Uhrzeit genau wissen müssen, da sie regelmäßig lauschte, wenn er mit Julian telefonierte. Julian. Ganz schlechtes Thema für ihre Gedanken und für ihren Magen. Normalerweise hielt sie wirklich viel von Privatsphäre und hörte immer gerne weg, wenn andere telefonierten, aber sie musste zumindest in dem Punkt sicher gehen, dass der Fußballer nicht mit unter den Auserwählten war und wirklich nur für den mittleren Brandt Bruder vermittelte.

Die Beiden waren zwar mehrheitlich einvernehmlich auseinandergegangen, hatten sich aber bis jetzt auch nicht mehr wiedergesehen. Immer, wenn sich irgendwelche Anzeichen andeuteten, dass Julian zu Besuch kam, verschwand Merle zu Linny. Sie selbst wusste nicht mal, ob er eigentlich Bescheid wusste, dass sie bei Jannis lebte, wobei er ihm das mit Sicherheit erzählt hatte, nachdem sie ihr Studentenzimmer gekündigt hatte und bei ihm eingezogen war, weil er sich einsam fühlte und auch, weil er nicht wollte, dass sie sich in einem Gebäude aufhielt, wo viel zu viele fremde und komische Menschen wohnten. Dadurch, dass Julian eh nach Dortmund gewechselt war, war schließlich auch ein Zimmer frei, welches sie nun bewohnte. Dennoch fühlte sie sich nicht ansatzweise wohl, wenn sie wusste, dass ihre Sommeraffäre kommen würde. Sie wollte ihn nicht sehen. Allein der Gedanke daran, ließ ihr immer wieder die Luft wegbleiben und ihr kleines Herz schmerzte. Mit Julian hatte sie in körperlicher Hinsicht einen wirklich aufregenden und leidenschaftlichen Sommer verbracht, bis zum letzten Abend, wo sie sich voneinander verabschiedeten. Auch, wenn sie wenig miteinander sprachen und sich mehrheitlich an zickten, hatte es irgendwas in ihr ausgelöst, was zerbrach, als er sie genauso abstieß, wie wohl ihre Vorgängerinnen. Was in Bremen passiert, bleibt auch in Bremen. Danach hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Wie auch? Handynummern hatten sie nicht ausgetauscht und hinterherlaufen tat sie für niemanden. Genauso, wie sie niemandem erzählt hatte, wie sehr sie seine körperliche Nähe vermisste und manchmal ein paar Tränen verdrückte. Sie allein hoffte, dass der Abstand zueinander schon die Wunden heilen würde, aber leider tat es das nicht. Merle konnte zwar viel unterdrücken, aber in Gesprächen mit Jannis über Julian wurde sie immer wieder daran erinnert.

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