• Jonas Nielsen •
„I was in the middle
before I knew
that I had begun."Sprachlos richtete Jonas seinen Blick zurück vom Himmel, der durch den blutroten Mond noch immer erhellt wurde, zurück in die Runde. Fragende Augenpaare erwiderten seinen nicht minder verwunderten Blick. Er blinzelte einmal kräftig. Doch bis auf den Mond in Form einer noch immer roten Kugel über ihnen, war nichts Ungewöhnliches mehr zu entdecken. War das gerade tatsächlich geschehen?
Jonas schaute an sich herab, noch immer saß er auf dem dreckigen Untergrund des Schuldaches, auf den es ihn mit einer gewaltigen Wucht geworfen hatte, die er sich nicht erklären konnte. Was sonst hätte ihn in diese Position befördern können? Innerlich lachte der Klassenbeste auf, diese Lichter konnten es jedoch ebenfalls nicht gewesen sein. Licht tat so etwas nicht, das war unmöglich. Auch wenn er nicht leugnen konnte, dass diese glühenden Lichtbälle, sofern diese kein Hirngespinst von ihm gewesen waren, eine starke Energie ausgestrahlt hatten.
„I-ihr habt das auch gesehen, oder?", fragte Marian mit großen Augen nach, als wäre auch er sich nicht sicher, sich nicht vielleicht das ganze Spektakel bloß eingebildet zu haben. Jonas schluckte. Wenn sie es tatsächlich alle mit eigenen Augen gesehen hatten, dann konnte es unmöglich ein Hirngespinst seiner wirren Gedanken gewesen sein, denn diese gehörten allein ihm.
Mira nickte und erwiderte mit krächzender Stimme: „Wenn du diese tanzenden Lichter meinst, dann ja."
„Krass."
Jonas war sich nicht sicher, ob krass der richtige Ausdruck für jenes Lichterfest auf dem Schuldach war, doch er erhob sich schließlich ohne darauf einzugehen als erster der Vier und klopfte sich dabei den Staub von seiner hellen Jeans. Er taumelte leicht zur Seite und schob den aufkommenden Schwindel seinen schnellen Bewegungen zu. Dass diese Lichtkugeln womöglich radioaktiv gewesen sein konnten, versuchte er aus seinen Gedanken vorerst zu verbannen. Sie hatten schließlich in diesem Moment erst einmal andere Sorgen und das würde ihn bloß unnötig in Panik versetzen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren. Wenn nicht er, wer dann?
„Wir sollten endlich sehen, dass wir aus dieser Schule rauskommen", merkte Mira schließlich an und machte ebenfalls Anstalten aufzustehen, was ihr deutlich eleganter gelang, als Jonas zuvor. Allein Marian schien keinerlei Probleme zu haben, während Lily noch immer auf ihrem Hosenboden saß und meckerte: „Ich habe Kopfschmerzen."
„Wenn du deine Kopfschmerzen hier auf dem Dach auskurieren willst", antwortete Marian schulterzuckend, „dann bleib eben hier."
Die Rothaarige warf ihm einen finsteren Blick zu, doch raffte sich schließlich stöhnend auf. Schwerfällig stützte sie sich mit ihren Händen auf dem steinigen Untergrund ab und stand wenig später wie eine Eins neben ihren Mitschülern, das Gesicht dabei jedoch schmerzhaft verzogen.
Mira zeigte auf die Tür in der Wand des Westflügels, der das Dach, auf dem sie sich befanden, überragte. „Sollen wir es wagen? Wenn wir noch länger warten, haben die Typen den Eingang vielleicht schon gefunden."
Die übrigen Drei nickten beklommen, besonders begeistert bei dem Gedanken, den Männern möglicherweise direkt in die Arme zu laufen, sah jedoch keiner von ihnen aus. Aufgereiht wie eine Entenfamilie marschierten die Nachsitzler über das Dach der Schule, mit der Schülersprecherin an der Spitze, als wäre sie die Mutter der Küken, die noch immer so verwirrt waren, dass keines ihrem Vorschlag widersprach.
Die Nacht lag dunkel über dem Gymnasium und den verwunderlichen Geschehnissen, die darin in diesem Moment vor sich gingen. Der Mond lag noch immer im Schatten der Erde und allein die Sterne gaben der Situation etwas Alltägliches zurück, denn diese sahen aus wie an jedem anderen Abend und beruhigten Jonas. Er orientierte sich an ihnen, als wären sie sein Anker zur Normalität. Denn in Träumen sah ja bekanntlich nichts so aus, wie man es kannte.
Miras Hand verweilte kurz an der rostigen Klinke der weißen Tür, in deren Lack sich das Licht der Sterne und des Mondes spiegelte. Kurz bevor sie diese mit einem Ruck öffnete, zogen sie alle scharf die kühle Abendluft ein, doch ihre Sorge sollte unbegründet sein. Allein ein düsteres Treppenhaus erwartete sie.
Beruhigt ließ Jonas die Luft aus seinen Lungenflügeln entweichen und auch seine Mitschüler sahen nicht weniger erleichtert aus. Ihre Schritte hallten durch das Gebäude, als sie die sandfarbenen Fliesen betraten und die schwere Tür hinter sich ins Schloss fallen ließen. Ein Blick auf diese verriet dem Klassenbesten, dass es nun kein Zurück mehr gab. Statt einer Türklinke, wie auf der anderen Seite, konnte bloß ein Türknauf und der richtige Schlüssel die Tür von innen öffnen, womöglich um neugierigen Schülern nicht die Möglichkeit zu geben, auf dem Dach herumzuturnen. Es gab bloß noch den Weg die Treppe hinunter, denn diese Tür war die Einzige, in diesem Stockwerk.
Die Vier horchten in die Stille hinein, ehe das tapsende Echo ihrer Schritte sie nach unten begleitete. Es waren insgesamt drei Stockwerke, in denen sie kein Wort miteinander sprachen. Drei Stockwerke, in denen ihnen niemand begegnete. Drei Stockwerke, bis sie endlich im Erdgeschoss ankamen.
Würde Jonas es nicht besser wissen, dann würde er denken, dass sie die Einzigen in der Schule waren. Kein einziges Licht brannte in den Gängen, allein die flackernden Laternen draußen erleuchteten den Flur gespenstisch. Es war eine Welt aus Grautönen. Allein die bunten Spinde an den Wänden gaben Hinweise auf die leuchtenden Farben, die bei Tageslicht die Schule erfüllten.
Der Weg, der sie zum Ausgang führen würde, folgte dem Korridor entlang und an der Aula vorbei. Auch ohne etwas zu sagen, setzten die Jugendlichen sich in Bewegung, denn sie hatten allesamt das gleiche Ziel. Doch auch wenn Jonas am liebsten so schnell aus dem Gebäude flüchten würde, wäre es töricht sich auf diese Weise zu verraten und so schlichen sie, so ungeduldig sie auch sein mochten, durch die Schule.
Erst kurz vor der Aula blieb einer von ihnen stehen. Lily flüsterte mit zitternder Stimme: „Ich glaube da ist jemand."
„Riecht ihr das?", fragte Marian mit gerunzelter Stirn und war wie die anderen stehen geblieben. Auch Jonas konnte nicht bestreiten, dass ihm der Geruch von Rauch aufgefallen war. Doch es schien nicht von einem Feuer zu stammen. Er kannte diesen Geruch aus dem Esoterikladen seiner Mutter; es roch nach verbrennendem Kerzenwachs.
Die Flügeltür der Aula war geöffnet und aus ihr drang eine tiefe Männerstimme, es klang, als würde diese einen Monolog halten. Eine flüchtige Berührung an Jonas' Unterarm holte ihn aus seiner Starre. Schritte näherten sich ihnen aus einem verzweigten Gang. Die Jugendlichen tauschten panische Blick aus, ehe Mira auf die Treppe zeigte, die in den Keller führte. Schweren Herzens riss der Blondschopf seinen Blick von dem Ende des Korridors, der sie in die Freiheit entlassen hätte. Doch es war zu riskant. Würden sie den Fluchtversuch unternehmen, drohten sie den Männern, denen die Schritte gehörten, direkt in die Arme zu laufen. Und Jonas hatte das ungute Gefühl, dass es sich bei diesen um die Männer in den Kutten handeln könnte und dass ihnen durch ihr voriges Zögern eine lange Nacht in der Schule bevorstehen würde.
Leider trügte ihn
sein Bauchgefühl nie.
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𝐒𝐀𝐋𝐄𝐌 | Staffel 1
Paranormalne❝𝐒𝐨𝐦𝐞𝐭𝐡𝐢𝐧𝐠 𝐰𝐢𝐜𝐤𝐞𝐝 𝐭𝐡𝐢𝐬 𝐰𝐚𝐲 𝐜𝐨𝐦𝐞𝐬.❞ Die vier Jugendlichen Marian, Jonas, Lily und Mira haben nichts gemeinsam, bis auf die Tatsache, dass sie eines Nachmittags gemeinsam nachsitzen müssen. Durch einen ihnen unerklärlichen G...