"Als wir ankamen, waren alle schon tot"

861 68 29
                                    

Anfang Mai erhielten wir eine weitere Nachricht, die unser Leben für immer verändern sollte und die meine Welt ein weiteres Stück zusammenbrechen ließ.

Dabei fing der Tag an, wie jeder andere auch. Harry ließ uns immer bis acht Uhr schlafen, ehe er nach uns rief. Es war mehr ein lautes ‚Maaaaa' anstatt eines richtigen Worts, aber der Fakt, dass es näher an das Wort ‚Mummy' als an das Wort ‚Daddy' drankam, machte mich sehr glücklich. James behauptete immer, dass man ‚Mummy' auch einfach als ‚Daddy' aussprechen konnte.

„James!", grummelte ich und drehte mich mit dem Gesicht zu ihm, damit ich ihn antippen konnte.

„Was?", grummelte er zurück.

„Harry ruft."

„Er ruft ganz eindeutig nach dir." Diese Ausrede benutzte er schon seit Wochen.

Ich vergrub mein Gesicht im Kissen. „Du warst doch immer der Frühaufsteher von uns beiden."

„Die Betonung liegt bei war. Seit wir Harry haben war ich nicht mehr freiwillig vor acht Uhr wach", antwortete er. Ich gab mich geschlagen, erhob mich aus dem Bett und schlürfte in Harrys Zimmer. Nach einer frischen Windel ging ich mit ihm wieder in James' und mein Schlafzimmer. Ich setzte mich hin und lehnte mich an die Bettrückwand, um Harry zu stillen.

Neben mir bewegte sich jetzt auch James. Er gähnte, tastete blind seinen Nachttisch ab und griff nach seiner Brille. Er setzte sie auf und schaute Harry und mich an.

„Morgen kümmerst du dich um ihn", sagte ich zu meinem Mann, der sich auch aufsetzte und Harry durchs Haar strich. Harry ließ sich davon nicht stören und schaute kurz zu James hoch, ehe er sich wieder auf seine Mahlzeit konzentrierte.

„Wie du willst, Boss", erwiderte James und grinste mich an. „Ich gehe uns beiden mal Frühstück machen. Komm runter, wenn Harry mit seinem Frühstück fertig ist."

Ich nickte. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und verließ das Zimmer.

Nachdem ich Harry angezogen hatte und auch meine Schlafklamotten abgelegt hatte, ging ich runter in die Küche. Bevor ich diese betrat, legte ich Harry im Wohnzimmer in den Stubenwagen, wo er meist nochmal einschlief. James war auch schon fertig angezogen und er hatte den Tisch gedeckt.

Kurz nachdem wir das Frühstück beendet hatten, hörten wir Stimmen im Wohnzimmer, die zu Sirius und... Dumbledore gehörten. James und ich wechselten einen Blick, ehe wir die Küche verließen.

„Sirius, Professor Dumbledore", sagte James. „Ist irgendwas passiert?"

„Setzen wir uns erstmal", erwiderte Dumbledore. Ich schaute Sirius fragend an, doch er zuckte nur mit den Schultern. Er wusste also auch nicht, worum es ging.

James, Sirius und ich nahmen gegenüber von Dumbledore platz und schauten ihn fragend an.

„Es ist in der tat etwas passiert", fing der Schulleiter von Hogwarts an. „Es- es geht um Marlene McKinnon."

Und schon in dem Moment sank mir mein Herz in die Hose.

„Wie du sicherlich weißt Sirius, war sie die letzte Nacht bei ihrer Familie. Voldemort persönlich ist gekommen und hat ihre ganze Familie umgebracht, sie eingeschlossen."

„Nein!", rief Sirius. „Nein, das kann nicht sein! Marlene ist nicht tot! Hören Sie?! MARLENE IST NICHT TOT!"

Innerhalb von zwei Monaten hatte ich meine beiden besten Freundinnen verloren. In beschissenen zwei Monaten.

In dem Moment überkam mich so ein Hass. Ein Hass auf Voldemort und seine Anhänger. Ein Hass auf die ganze Welt.

Unterbewusst hörte ich Sirius schreien und Dumbledore auf ihn einreden. Doch meine Welt stand still.

Erst als ich nun Harry schreien hörte, wurde ich aus meiner Trance gerissen. Ich stand auf und ging zu ihm, holte ihn aus seinem Stubenwagen und drückte ihn fest an mich. Er merkte, dass etwas mit seinem Paten nicht stimmte. Sonst war Sirius immer gut drauf und brachte Harry zum Lachen, doch jetzt saß er völlig aufgelöst und zusammengesackt auf unserem Sofa. James umarmte ihn, während Sirius sich an ihm festkrallte und immer die Worte „Das kann nicht sein! Sie ist nicht tot" vor sich hinmurmelte.

Jetzt flossen auch meine Tränen.

Ich setzte mich zurück auf das Sofa neben Sirius. Als er sich von James löste, schaute er mich an und ich umarmte ihn direkt. Dann nahm er mir Harry ab, der nicht mehr schrie, aber immer noch weinte und drückte den kleinen Jungen fest an sich. Ich schaute James an und er schaute zurück. Er weinte auch, jedoch stumme Tränen. Dann stand er auf, setzte sich neben mich und zog mich an seine Seite.

Und dann weinte ich noch mehr. Sein ganzes T-Shirt war schon völlig von meinen Tränen durchnässt, doch es störte ihn nicht. „Wissen Remus und Peter schon davon?", fragte James Dumbledore leise.

Ich schaute den Professor an, als er antwortete. „Ja, die beiden waren später vor Ort. Marlene hat es noch geschafft den Orden zu rufen, aber als wir ankamen waren alle schon tot."

Noch nie hatte ich Dumbledore so erlebt. Er schien selbst nicht zu wissen, was er sagen sollte und sah mitgenommen aus. Auch ihn traf Marlenes Tod, wenn auch nicht so sehr, wie meine Freunde und mich. Aber Marlene war eine Schülerin auf seiner Schule gewesen, sie war, ohne zu zögern, dem Orden beigetreten und stand mehrmals Voldemort gegenüber.

Sie war das erste Ordensmitglied, das wir durch den Tod verloren hatten. Und sie sollte nicht die letzte sein...

Hopeless Love - Jily FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt