"Ein Verbündeter?"

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Ophelia hatte beide Hände in den Fesseln zu Fäusten geballt

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Ophelia hatte beide Hände in den Fesseln zu Fäusten geballt. Ihr war nämlich keine Zeit geblieben, die Rasierklinge zu verstecken, bevor der Wächter ihr die Handschellen angelegt hatte, weshalb sie die Klinge noch immer in der rechten Hand hielt. Sie hoffte inständig, dass der Wächter auch beim Abnehmen der Handschellen nichts bemerken würde.
Dazu kam, dass das Blut aus ihrer Wunde immer in Richtung ihrer Augen floss. Um das zu verhindern, versuchte sie das Blut mit den Ärmeln abzuwischen. Dafür musste sie ihre gefesselten Hände heben, was den Wärter, der die Bewegung natürlich bemerkte, immer wieder alarmierte. Doch zum Glück war ihm der Grund für diese Bewegung klar und nach einer Weile sah er nicht mehr jedes Mal zu ihr zurück, wenn sie die Hände hob.
Deswegen kam ihr eine Idee. Sie setzte sie auch gleich in die Tat um.
Als sie sich das nächste Mal das Blut von der Braue wischte, steckte sie sich die Rasierklinge mitsamt der Schnur, die sie mittlerweile provisorisch um die Klinge zusammen geknäult hatte, blitzschnell in den Mund. Das war zwar alles andere als sicher und die Gefahr, dass die dort gefunden werden würde, war enorm hoch. Doch sie würde einfach jegliche Antwort verweigern, wenn sie etwas gefragt werden würde. Sie würde einfach so tun, als stünde sie nach dem Überfall noch unter Schock.
Auf diese Weise stellte sie zumindest halbwegs sicher, dass der Wächter die Klinge nicht in ihrer Hand finden würde, wenn er ihr gleich die Fesseln abnahm.
Es kostete sie einiges an Beherrschung, die Klinge in ihrem Mund nicht zu sehr mit der Zunge zu berühren und sich dadurch zu verletzen, doch es gelang ihr.
Der Wächter nahm ihr, wie erwartet die Handschellen ab, bevor er sie in Dr. Tancredis Arztpraxis schob. Ihre Taktik ging auf, denn er schöpfte keinen Verdacht.
Dr. Tancredi saß gerade vor seinem Computerbildschirm und sah überrascht auf, als die beiden unaufgefordert eintraten.
„Was soll...", begann er.
Doch er unterbrach sich sofort, als er Ophelia erblickte. Hastig stand er von seinem Stuhl auf und kam mit bestürzter Miene auf sie zu.
„Was ist geschehen? Das sieht ja furchtbar aus!"
Das glaubte ihm Ophelia aufs Wort. Sie nahm an, dass sie das Blut mittlerweile im ganzen Gesicht verteilt hatte. Zumindest war ihr Ärmel schon großflächig davon gefärbt. Wahrscheinlich sah die Wunde nun noch um einiges schlimmer aus, als sie eigentlich war.
Der Wächter berichtete dem Arzt, was sich zugetragen hatte. Daraufhin fragte Dr. Tancredi Ophelia nach weiteren Details. Da diese aber immer noch die Rasierklinge im Mund hatte, sah sie nur zu Boden und verweigerte stumm jede Antwort. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, sie aus der Reserve zu locken und zum Reden zu bringen, gab Dr. Tancredi auf und bat den Wächter darum, den Raum zu verlassen. Anschließend führte er Ophelia zu der Liege. Er half ihr, sich darauf zu setzen und suchte dann Verbandszeug, Desinfektionsspray und dergleichen zusammen, um ihre Wunde versorgen zu können.
Ophelia beobachtete ihn aufmerksam, aber möglichst unauffällig, und versuchte einen geeigneten Zeitpunkt abzupassen, in dem sie die Rasierklinge aus ihrem Mund holen und in eine ihrer Taschen stecken könnte.
Endlich war der Moment gekommen, als er sich umdrehte und Ophelia reagierte sofort. Leider drehte sich der Arzt in der nächsten Sekunde auch schon wieder um und Ophelia erstarrte vor Schreck, weil sie sich nicht sicher war, ob er ihre hastige Bewegung gesehen hatte. Doch er schien nichts bemerkt zu haben, denn er sammelte ungerührt weitere Utensilien zusammen.
Ophelia entspannte sich ein wenig und wollte ihre Hand gerade unauffällig in ihre Tasche stecken, als Dr. Tancredi fertig war und auf sie zukam. Fieberhaft überlegte sie, was sie tun könnte. Wenn sie die Rasierklinge weiter in ihrer Hand halten würde, dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis er sie dort finden würde.
Nach den erfolglosen Versuchen, sie zum Sprechen zu bringen, versuchte Dr. Tancredi gar nicht erst, noch weiter auf sie einzureden, sondern behandelte sie einfach schweigend.
Er hatte nicht vergessen, dass sie Probleme mit allzu plötzlichen Berührungen hatte, denn er bewegte seine Hände nur sehr langsam und vorsichtig, wenn er damit auf ihr Gesicht zukam.
Zunächst fasste er ihr Haar auf beiden Seiten ihres Gesichtes zusammen und schob es so weit zurück, dass es ihn nicht mehr bei der Arbeit einschränkte.
Dann nahm er ein dünnes Tuch und feuchtete es in einer Wasserschale an. Vorsichtig begann er damit das Blut von ihrer Wunde zu wischen. Dabei war sein Blick auf ihre Stirn gerichtet.
Ophelia nutzte die Chance und bewegte langsam ihre Hand, um sie in die Tasche zu stecken.

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